• "Fast Fashion" - billig und schnell produzierte Kleidung - ist vielen als Problem bekannt; doch Verbraucherinnen und Verbraucher tun sich schwer zu erkennen, welche Unternehmen wirklich nachhaltig sind.
  • Zum Problem trägt bei, dass die Kaufentscheidung häufig über den Preis getroffen wird.
  • Ein Lichtblick: Second Hand-Mode ist absolut im Trend.

Mehr Umweltthemen finden Sie hier

36 Prozent – um so viel hat sich die durchschnittliche Verwendungsdauer unserer Kleidungsstücke seit 2005 reduziert. In gleichem Maße ist die Menge des Abfalls, für den die Modeindustrie verantwortlich ist, gestiegen. Allein in Deutschland werden jährlich 230 Millionen Kleidungsstücke fabrikneu geschreddert, verbrannt oder als Billigware ins Ausland geschickt.

Aber das muss nicht so sein. Statt Fast Fashion ist auch verantwortungsvoller Konsum und mehr Nachhaltigkeit möglich.

Biobaumwolle und recyceltes Plastik

Die Modebranche leidet unter einem schlechten Image, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Um sich ein umweltfreundlicheres Ansehen zu verpassen, werben deshalb immer mehr Unternehmen mit Kleidung, die aus recyceltem Plastik oder Bio-Baumwolle besteht. Diese Versprechungen sehen toll aus, wenn sie auf einem Etikett mit grünem Hintergrund von der Kleidung baumeln. Eine echte Lösung für das eigentliche Problem sind sie aber nicht: Zu viele Kleidungsstücke landen ungetragen auf dem Müll, können nicht wiederverwendet werden.

"Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft müssen stärker in den Fokus gerückt werden", erklärt Anja Murjahn, die sich seit Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche beschäftigt. Konkret bedeutet das: Es ist wichtig, dass Materialien nachhaltiger produziert werden. Genauso wichtig ist es jedoch, dass diese wiederverwendet oder ohne zusätzliche Belastung für die Umwelt entsorgt werden können. Bei Kleidungsstücken, die aus Mischgewebe bestehen, ist dies oft nicht möglich. Baumwoll- und Kunststofffasern können nur schwer wieder voneinander getrennt werden. Die Kleidungsstücke landen in der Müllverbrennungsanlage. "Damit die Recycling- bzw. Upcyclingfähigkeit der hergestellten Kleidungsstücke gewährleistet ist, muss der Blick verstärkt auf neue Materialien gelenkt werden. 2025 soll eine neue EU-Verordnung in Kraft treten, die die Hersteller auch in Fragen der Entsorgung von nicht wiederverwertbaren Produkten stärker in die Pflicht nimmt", so Murjahn.

Geiz ist Geil?

Nur ein Wandel der Unternehmen allein reicht jedoch nicht - die Konsumentinnen und Konsumenten müssen auch ihren Teil dazu beitragen. "Grundsätzlich sind wir inzwischen an viel zu niedrige Preise gewöhnt. Bei vielen Konsumenten ist eine gewisse "Geiz ist geil"-Mentalität fest in den Köpfen verankert", gibt die Expertin zu bedenken. Die Ergebnisse einer von der DHBW Heilbronn durchgeführten Studie bestätigen das: Bei der Kaufentscheidung spielen umweltfreundliche und faire Produktion eine deutlich kleinere Rolle als der Preis.

Wer bei der Shoppingtour jedoch auf Nachhaltigkeit achten möchte, bleibt oft ratlos zurück. Es besteht ein Dschungel aus Begrifflichkeiten und Zertifikaten. Einheitliche Standards gibt es in der Branche nicht. Hinter dem Versprechen von nachhaltigen Materialien und umweltfreundlichen Produktionsbedingungen können bei zwei Unternehmen ganz unterschiedliche Dinge stecken. Das bemängelt auch Friederike von Wedel-Parlow, Professorin an der Akademie für Mode & Design in Berlin in einem Interview mit Focus Online. Für Kundinnen und Kunden sei nicht fassbar, was die einzelnen Unternehmen wirklich tun, um nachhaltiger zu sein.

Lesen Sie auch: Wieso konsumieren wir eigentlich so gerne und so viel?

Vintage als Nachhaltigkeitstrend in der Mode

Konsumenten, denen Nachhaltigkeit am Herzen liegt, gehen daher oft einen ganz anderen Weg: Und der führt in den nächsten Second Hand-Laden. Neue alte Teile werden heute stolz präsentiert. Der Erfolg, ein Kleidungsstück in der richtigen Farbe und Größe gefunden zu haben, regelrecht gefeiert. Das zeigt sich auch an den Begrifflichkeiten: Second Hand heißt jetzt Vintage und eine bereits getragene Hose oder Handtasche ist "pre-loved".

Der Kauf eines bereits getragenen Stückes bietet außerdem eine Möglichkeit den lokalen Handel zu unterstützen. Lange Lieferwege fallen so ebenfalls weg. Dass sich der Vintage-Trend schon lange aus seiner Nische verabschiedet hat, zeigt sich auch bei einem Blick in die Hauptstadt der Mode. Das Modekaufhaus Printemps, gelegen direkt neben der Galerie Lafayettes auf dem berühmten Boulevard Hausmann, eröffnete Ende 2021 7eCiel - auf deutsch "der Siebte Himmel". Auf 1.300 Quadratmetern Fläche werden Second Hand-Mode und Kleidung von nachhaltigen Marken angeboten.

Für alle, denen das noch nicht genug ist, hat Anja Murjahn außerdem folgende Tipps parat: "Machen Sie sich ihren eigenen Stil bewusst! Wer seinen persönlichen Geschmack identifizieren kann, greift beim Einkaufen viel seltener daneben und vermeidet so Fehlkäufe, die ungetragen in der Ecke landen. Wer zusätzlich auf Kleidungsstücke achtet, die sich gut kombinieren lassen und langlebig sind, hat schon viel getan."

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Anja Murjahn, Sustainability Expertin und Inhaberin von Style Definery, einem Secondhand & Vintage Store für Luxusmode
  • Nature Reviews Earth & Environment: The environmental price of fast fashion
  • DHBW Heilbronn: Sustainability in der Modebranche – Warum kaufen nicht mehr Menschen nachhaltige Mode?
  • Focus Online: 230 Millionen Textilien im Müll: Expertin will Modegiganten zahlen lassen
  • Vogue Business: From circular to vintage: The department stores of Paris test new concepts
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "Einblick" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.