Verwandtschaftsstress, Einkaufsorgien, Dauerkitsch: Das Frohe Fest kann mitunter eine gewaltige nervliche Belastung sein. Wir haben acht Tipps für Sie, mit denen Sie die Weihnachtszeit unbeschadet überstehen – und vielleicht sogar ein bisschen Freude daran haben.
Machen wir uns nichts vor: Zu Weihnachten weht der Wahnsinn durch die Welt. Ganze Legionen marschieren durch dauerfröhliche Kaufhäuser und suchen teure Geschenke für Menschen, denen sie im restlichen Jahr nicht einmal etwas leihen würden. Zu den Feiertagen überfallen wilde Horden von Verwandten das Eigenheim und beschwören den Familiengeist, auch wenn man die Sippschaft nicht mal kennt.
Nachdem es zu apokalyptischen Katastrophen wie dem Klimacrash, der Zombieplage oder dem Verlust von Facebook-Freunden schon praktische Survival-Guides gibt, ist es nur angemessen, so etwas auch für die Weihnachtszeit anzubieten. Hier also unsere acht Tipps, mit denen Sie die vermeintlich besinnliche Zeit zum Jahresende hin ohne bleibende Schäden überstehen.
1. "Last Christmas" ohne Ende
Vor Weihnachten scheinen Radioprogramm und Kaufhausbeschallungsanlagen nur mehr zwei Lieder zu kennen: "Last Christmas" von Wham! und "Driving Home for Christmas" von
Nun könnte man ja zu Hause bleiben, das Radio abschalten, Ohrstöpsel tragen – doch es würde nichts nützen: Diesen Melodien wird man nicht entkommen. Wir empfehlen daher: Lauthals mitsingen und die Songs selbst täglich auf YouTube aufrufen. Es wird irgendwann das Stockholm-Syndrom einsetzen, bei dem man plötzlich mit seinen Geiselnehmern sympathisiert.
2. Der Shopping-Wahnsinn
Kaufen, kaufen, kaufen: Der 24. Dezember ist der Tag, an dem das Christkind das Limit seiner neuen Kreditkarte ausgereizt hat. Wer sich nicht mit überforderten Konsumopfern durch Wham!-beschallte Einkaufszentren (siehe oben) quetschen will, könnte ja einfach der Verwandtschaft exakt die Sachen schenken, die man zu Hause ohnehin längst loswerden wollte – oder vergangenes Jahr von eben diesen Verwandten bekommen hat.
3. Ach, das war doch nicht nötig ...
Apropos Geschenke: Man sollte ja ohnehin nicht mit allzu Brauchbarem rechnen. Als Familienvater kriegt man von jedem eine Krawatte, als Kind von der Oma einen öffentlichkeitsuntauglichen Pullover, als Frau vom Lebensgefährten quasi als Eigengeschenk Reizwäsche, von den Freunden gibt's Bücher, mit denen man bestenfalls zu kurz geratene Tischbeine austarieren kann, und die Großeltern kriegen in alter Tradition gar nichts, weil die froh sein sollen, den Krieg überlebt zu haben. Nicht ohne Grund tauchen nach den Feiertagen unzählige Sachen auf Auktionsplattformen wieder auf. Wir empfehlen daher ein Spiel: Wer im Freundeskreis den anderen den sinnlosesten Unfug schenkt, gewinnt eine Einladung zum Essen. Schon mal jemandem sechs Kilogramm Zucker geschenkt, oder zwölf Gummistampfer?
4. Her mit der Kohle!
Weil das Geld so schön zirkuliert zur Weihnachtszeit, kommen plötzlich alle möglichen hilfsbereiten Menschen aus dem Gebüsch gekrochen und wollen Spenden für den guten Zweck. Nun sind Spenden ja eine feine und wichtige Sache – aber noch besser sind sie, wenn sie nicht nur nach dem Prinzip des schlechten Gewissens erbeten und gegeben werden. Das lässt sich aber umgehen: Wer unter dem Jahr auch hier und da mal etwas hergibt, braucht sich zu Weihnachten nicht vorzuwerfen, er hätte es nur aus Festtagszwang heraus getan.
5. Noch etwas Weihnachtsschmuck gefällig?
Weihnachten ist das sichtbarste Fest von allen: Gigantische Christbäume werden aufgestellt und behangen, als ginge es um das Ost-West-Wettrüsten. Tausende von Lichterketten zieren selbst die kleinste Gasse und die Nachbarn stellen Schlitten und Elche auf den Rasen – ganz zu schweigen von den Weihnachtsmännern und Stollen, die schon ab dem Sommer die Supermarktregale zieren.
Wer empfindlich auf derartigen Overkill reagiert, kann wenig tun, was nicht illegal wäre. Vielleicht hilft die Beschäftigung mit dem Werk des Philosophen George Berkeley, der erklärte, dass die Dinge in der Welt möglicherweise nur dann existieren, wenn jemand darauf schaut. Das schließt die Weihnachtsdekoration sicherlich mit ein.
6. Die lieben Verwandten
Zu den tatsächlichen Feiertagen fühlt man sich gern an die biblische Heuschreckenplage erinnert. Vettern, Cousinen, Großonkel, Stiefkinder, Halbschwestern, Neffen dritten Grades, Schwiegerväter, Urgroßmütter, Adoptivbrüder, Patenkinder, Schwippschwager und andere Anhängsel: Zu Weihnachten wird man mit ausufernden Verwandtschaftsbeziehungen zwangsbeglückt.
Manch einer greift zum Hochprozentigen, um solchen Besuch zu überstehen – wir empfehlen eher etwas Zen-Buddhismus und das Aufschlagen des Familienalbums: Beim Erzählen von früher werden selbst die merkwürdigsten Verwandten handzahm und potenziell interessant.
7. Immer diese Traditionen!
Mit der ganzen Mischpoke werden dann die großen Traditionen abgefeiert: Gans, Gesang und Gottesdienst. Erstere kann man sich ja durchaus schmecken lassen, wenn in der Familie jemand halbwegs küchenkompetent ist (oder einen guten Zustellservice kennt). Den Gesang mit optionalem Blockflöteneinsatz kann man sich schönreden: Wenigstens stimmt niemand "Last Christmas" an! Und beim Gottesdienst hat man endlich Zeit, mal in Ruhe nachzudenken. Die Geschichte, die vorn im behutsamen Tempo erzählt wird, kennt man ja schon – und die Familie wird nie wieder so still sein wie hier.
8. Das Fest der Liebe
Über mehrere Wochen hinweg hat es sich schon angebahnt, zu den Feiertagen bricht es endgültig aus allen hervor: Weihnachten ist ein Fest der ungebremsten Sentimentalität. Man hat sich lieb, man umarmt sich, man wird ein bisschen kitschig. Wer sich mit so viel Gefühlsduselei schwer tut, dem können wir nur einen Ratschlag geben: Einfach mal mitmachen. Drei Tage lang. Wir sagen es auch nicht weiter.
Vielleicht gefällt es einem ja doch so sehr, dass man einen vierten Tag dranhängt, bevor man wieder im schnöden Alltag herumstresst. Und eventuell entdeckt man sogar den eigentlichen Sinn dieses Weihnachtswahnsinns, den man gerne auch das Fest der Liebe nennt.
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