"Seite an Seite" heißt ihr neues Album, und Seite an Seite mit Freund und Bandmitglied Oliver Varga wird sie im Spätsommer ihr erstes Kind bekommen. Christina Stürmer spricht in diesem sehr persönlichen Interview über Glückshormone, die neue Sanftheit in ihrer Musik - und über die Bundespräsidentenwahl.
Herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft! Sie waren gerade auf Tour, als die Welt davon erfuhr. Wie geht es Ihnen bisher?
Es gibt ja Frauen, die schon ihren Fötus mit Mozart beschallen. Ein Kind von Christina Stürmer hat da Vorteile. Wenn Sie singen, singen Sie auch schon ein bisschen für Ihr Baby?
Nein, eigentlich gar nicht. Ich weiß nicht, ob das jetzt vielleicht egoistisch klingt? (lacht). Auf der Bühne nehme ich mich aber schon ein bisschen zurück. Ich springe ja sonst gern wie ein Gummiball herum und lasse alles raus – unser Bassist hat mich deswegen schon "hardrocking mother" genannt. Aber ich merke, dass es schlauer ist, etwas zurückzustecken.
Ihr neues Album "Seite an Seite" ist sehr persönlich und sanft. Die Lieder haben Sie zu einem großen Teil mitgeschrieben. Was auffällt: Gut ein Drittel der Songs dreht sich um Fliegen, Schweben, Leichtigkeit ...
Stimmt, aber das ist Zufall. Eine Vorgabe beim Songwriting war für uns, dass alles ein wenig leichter und ruhiger ist. Mir war vor allem wichtig, nicht mit zu viel Druck, sondern entspannter zu singen. Unser großes Oberwort dafür war "fluffig" - es sollte fluffiger klingen.
Bei der Aufnahme waren Sie schon schwanger?
Genau, die 13 Songs standen schon früher fest, aber beim Einsingen wusste ich es schon. Und bis jetzt habe ich beim Singen überhaupt keine Probleme, im Gegenteil – im Studio ging es sogar einfacher als sonst. Das sind wahrscheinlich die ganzen Glückshormone: wenn man erfährt, dass man schwanger ist – und es ja auch ein Wunschkind ist.
Hat der Kinderwunsch womöglich Einfluss in die Musik gefunden?
Unbewusst vielleicht. Aber es war jetzt nicht so, dass ich mir beim Songschreiben immer gedacht habe: "Oh, ich wünsch' mir ja so sehr ein Kind!" (lacht)
Sehr traurig und authentisch wirkt das Lied "Du fehlst hier". Gibt es einen realen Hintergrund?
Beim Schreiben saßen wir im Studio und überlegten, in welche Richtung das gehen könnte. Für mich ging es in der Zeile "Es tut überall weh, überall dort, wo du jetzt fehlst" nicht um einen Menschen, den es noch gibt, sondern der verstorben ist. Und ich habe sofort an meine Oma gedacht.
Wir haben an dem Tag auch bei uns am Küchentisch ganz viel über sie geredet: Wie sie war, wie das Haus eingerichtet war, wie es gerochen hat, was sie gekocht hat, wenn wir als Familie bei ihr zu Besuch waren. Durch all diese Erinnerungen kam der Songtext zustande.
Es war uns aber auch wichtig, dass es nicht zu persönlich wird, sondern dass sich auch ein Außenstehender darin wiederfinden kann. Wenn das gelingt, ist es das Schönste, was einem als Musiker passieren kann.
Denken Sie schon darüber nach, was Sie Ihrem eigenen Kind mit auf den Weg geben wollen?
Man denkt darüber nach, wie man das Kind erziehen möchte und wozu man selber steht. Meine Eltern haben das echt gut gemacht, muss ich sagen (lacht). Ich habe ja noch einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester. Und ich finde, wir sind alle echt gut geraten. Wir wurden so erzogen - und das spiegelt sich auch im Album wieder - dass wir füreinander da sind, wenn einer Hilfe braucht. Menschlichkeit steht ganz oben.
Das wird jetzt ein bisschen politisch, aber: Dieses Ergebnis der Bundespräsidentenwahl war jetzt nicht so geil, wie ich finde. Gar nicht nämlich. Da denkt man darüber nach, wenn man ein Kind in die Welt setzt, wie wichtig Menschlichkeit, Freunde, Zusammenhalten sind. Dass man jeden so lässt, wie er ist. Dass man Respekt füreinander und für Menschen in anderen Ländern hat. Wenn jemand anders ist, dann ist der anders.
Am 21. Mai stehen Sie noch mal auf der Bühne, aber dann sieht die Öffentlichkeit Sie erst einmal nicht mehr?
Bis Ende Mai mache ich noch, was an Terminen und Interviews reinkommt, aber dann ist mal Ruhe - als Vorbereitung auf die Geburt. Ich war noch in keinem von diesen ganzen Kursen! Ich weiß nicht, ob das überhaupt was ist für mich, aber ich möchte es mir mal anschauen.
Haben Sie sonst schon Vorbereitungen für das Kind getroffen?
Wir haben jetzt gerade mal einen Kinderwagen bestellt, der hoffentlich bald da ist. Manche fragen uns, ob wir das Kinderzimmer schon haben – aber ein Neugeborenes steckst du doch eh nicht in ein eigenes Zimmer, oder? Wir machen uns da keinen Stress. Wir sind beide prinzipiell relativ entspannte Menschen und alles andere als hektisch.
... was bei der Geburt ja nur von Vorteil sein kann. Schon mal von dem Hebammen-Trick gehört, die Wehen "wegzusingen"?
(lacht) Nein, das klingt ja wie in einem Film! Ich glaube, da würde ich einen Lachkrampf kriegen …
Eine Bekannte hat mich neulich gefragt, ob ich schon Angst habe vor der Geburt. Es ist halt das große Unbekannte. Jeder erzählt einem was anderes: die einen von langen, fürchterlichen Schmerzen, bei meiner Mutter wiederum klingt das alles immer eher "easy going". Aber vielleicht lügt sie mich auch an (lacht). Heraus muss es eh irgendwann.
Und wir müssen uns keine Sorgen machen, Sie danach nicht mehr auf der Bühne zu sehen?
Definitiv nicht! Aber es wird natürlich eine Pause geben. Familie und Freunde stehen bei mir immer ganz, ganz oben auf der Liste. Aber Musik natürlich auch und ich glaube fest daran, dass es machbar sein wird, mit dem Kind auf Tour zu fahren, wenn es so ein halbes Jahr alt ist.
Wenn ein neues Album draußen ist, will man ja auch nicht, dass es in den Plattenläden steht, aber keiner es je live gehört hat. Für mich ist immer das Schönste gewesen, live zu spielen. Eine Nanny muss natürlich mitfahren, der wir zu 100 Prozent vertrauen, so dass man auf der Bühne seinen Job machen kann und nicht zittern muss: "Hoffentlich ist backstage auch alles gut!"
Sie standen schon mit vielen Musikgrößen gemeinsam auf der Bühne. Welcher Auftritt sticht für Sie da besonders heraus?
Bon Jovi war das Highlight, weil er einfach so ein Weltstar ist. Ich war natürlich irre nervös, bin aber sehr stolz auf mich, dass das im Video so souverän aussieht und man mir nicht ganz so anmerkt, dass ich gleich fast zerplatze vor Aufregung.
Sie waren noch so jung, als der große Erfolg kam - und sind doch für Ihre Bodenständigkeit bekannt. Wie gelingt so etwas?
Meine Eltern haben mich nie auf dem goldenen Tablett herumgetragen. Sie haben mich immer unterstützt und sind stolz auf mich, aber im Vordergrund steht: Wie geht's mir eigentlich gerade?
Wenn die Mama und ich telefonieren, geht es auch mal – blöd gesagt – nur darum, was wir gerade zu Mittag gegessen haben, ob ich eh genug esse und ob eh nicht alles zu stressig ist – und nicht, ob da gerade eine große Story in der Zeitung erschienen ist. Das hilft, damit man nicht selber komplett durchdreht. Dann redet man nicht den ganzen Tag nur von sich selbst in all diesen Interviews, sondern einfach mal über die Spaghetti Bolognese von eben.
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