Für die Musikwelt war es ein Schock: Vor 50 Jahren, am 18. September 1970, wurde der 27-jährige Jimi Hendrix in einem Londoner Apartment tot aufgefunden. Mit ihm verlor die noch junge Rockmusik eines ihrer größten schöpferischen Genies.

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Später Vormittag am 18. September 1970. Monika Dannemann geht Zigaretten holen. Als sie wenig später in ihr Apartment im Londoner Samarkand Hotel zurückkehrt, will sie ihren Begleiter wecken. Jimi Hendrix aber rührt sich nicht.

In Panik ruft die Deutsche den befreundeten Sänger Eric Burdon an. Erst danach, um 11:18 Uhr, alarmiert sie die Ambulanz. Man bringt den leblosen Musiker ins nahegelegene St. Mary Abbot's Hospital. Dort erklärt Dr. John Bannister den Patienten um 12:45 Uhr für tot. Ursache: "Ersticken an Erbrochenem infolge einer Schlafmittelvergiftung".

Von Seattle nach Greenwich Village: Hendrix' Lehrjahre

Paradiesvogel, Schamane, Sexgott und Zampano des Sixties-Pop. Für James Marshall "Jimi" Hendrix, der, wie er in "Purple Haze" sang, den Himmel küsste, mochte das selbstverständlich sein. Allen anderen aber erschien der Gitarrist aus dem amerikanischen Seattle wie ein Wesen von einem anderen Stern. Hautenge Samthosen in sämtlichen Farben des Regenbogens, glitzernde Brokatweste, offene Rüschenbluse und Schlapphut – als Hendrix im legendären "Summer of Love" 1967 ins Rampenlicht trat, wirkte er wie der leibhaftige Sergeant Pepper, die Personifikation aller Hippieträume.

Dabei steckte hinter der schillernden Staffage ein hochsensibler Künstler, ein musikalischer Neuerer von wahrlich revolutionärer Kraft. Als der 23-Jährige zum Jahreswechsel 1966/67 mit der Debütsingle "Hey Joe" reüssierte, hatte er bereits ein halbes Musikerleben hinter sich: In harten Lehrjahren auf dem "Chitlin' Circuit", dem Netz der schwarzen Musikclubs im Süden und Osten der USA, hatte er seinen Job in den Begleitbands illustrer Stars wie Little Richard, Isley Brothers und King Curtis erlernt.

"Hey Joe" – England findet den Superstar

Im Sommer 1966 sieht Linda Keith, Freundin von Rolling Stone Keith Richards, den Gitarristen auf einer New Yorker Clubbühne. Sein Instrument spielt er mal mit den Zähnen, mal auf dem Rücken, dabei produziert er unglaubliche Klänge.

Die Britin ist hingerissen und der Rest der Geschichte bekannt: Keith erzählt Animals-Bassist Chas Chandler von ihrer Entdeckung. Und der bringt Hendrix im Herbst 1966 nach London, verschafft ihm eine kongeniale Begleitband und lässt seinen Schützling auf die ahnungslose Londoner Szene los. Spätestens zur Plattenpremiere mit "Hey Joe" gilt die Jimi Hendrix Experience als Sensation der Saison.

Im Sommer '67 zündet Hendrix beim Festival in Monterey seine Gitarre an und geht mit den Monkees auf US-Tour. Dem Albumdebüt "Are You Experienced" lässt er noch im selben Jahr "Axis: Bold As Love" folgen, 1968 dann das Opus Magnum "Electric Ladyland". Dazu Hits wie "Purple Haze", "The Wind Cries Mary" und "All Along The Watchtower" – Jimi Superstar.

Neuerer mit archaischer Kraft

Und Hendrix hat mehr zu bieten als Glamour und Charisma: Er ist der Erste, der die Gitarre und ihre elektrische Peripherie als zusammenhängendes System begreift – für ihn ist jedes Geräusch, das er mit Instrument, Verstärkern und Effektgeräten erzeugt, eine Farbe der künstlerischen Palette. Sein Spiel pendelt dabei weltläufig zwischen Rock und Pop, Jazz und Blues, und doch bleiben seine Songs griffig und kompakt.

Zudem hat der Afroamerikaner mit Cherokee-Wurzeln eine tiefe spirituelle Verbindung zum Blues, die ihn von den Stars der weißen Rockmusik unterscheidet. In seiner Musik schwingen 300 Jahre Sklaverei ebenso mit, wie die archaische Kraft der Bluespioniere Charley Patton und Robert Johnson.

Mythos mit ungebrochener Strahlkraft

In Songs wie "Voodoo Chile" hallt diese Geschichte nach, was Hendrix' Kunst im "Black Power"-Jahrzehnt eine hochpolitische Qualität verleiht. Die schwarze Gemeinde betrachtet ihn dennoch lange Zeit nicht wirklich als einen der ihren, zu sehr gilt er als Hippie, Freigeist und Ikone der weißen Rockmusik.

Je länger Hendrix jedoch im Spotlight steht, desto mehr fühlt er sich wie der Kasper einer zynischen Showindustrie, die an seiner Kunst nicht im Geringsten, dafür an der Vermarktbarkeit seines Showspektakels umso mehr interessiert ist. Hinter der glamourösen Fassade offenbart sich nun allmählich die Tragik, die ihn das Leben kosten wird. Zunehmend kämpft Hendrix mit Depressionen, flüchtet in Alkohol, LSD und Tabletten – bis zu jenem fatalen Septembermorgen 1970.

Ein Mythos war er da längst schon. Bis heute ist dessen Strahlkraft ungebrochen: Generationen von Gitarristen berufen und beriefen sich auf Hendrix' entscheidenden Einfluss, darunter Stevie Ray Vaughan, Slash und John Frusciante. Der große Freddie Mercury sagte einmal über ihn: "Niemand kann ihm das Wasser reichen."

Wer auch hätte seither den Himmel geküsst?

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