2019 feierte er sein 30-jähriges Bühnenjubiläum, heute wird Patrick Lindner 60 Jahre alt. Im Exklusiv-Interview spricht der Schlagersänger über seinen runden Geburtstag zu Corona-Zeiten, die schönsten Momente seiner Karriere und seinen Wunsch nach einer Zukunft, in der wir Menschen "die kleinen Dinge des Lebens" wieder mehr zu schätzen lernen.
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Patrick Lindner: Vielleicht ist "feiern" das falsche Wort. Dennoch wollen wir das Beste daraus machen und meinen Geburtstag im kleinen, privaten Kreis verbringen – zu Hause und ohne großes Brimborium. Ich freue mich sehr darauf, denn im Gegensatz zu großen Festen ergeben sich in diesem kleineren Rahmen mehr Gelegenheiten, sich mit den Gästen zu unterhalten. Die Zeit der größeren Feste wird irgendwann wieder zurückkommen, davon bin ich überzeugt.
Im vergangenen Sommer haben Sie sich öffentlich sehr ehrlich zu der schwierigen Situation geäußert und über Ihre "Existenzängste" gesprochen. Wie geht es Ihnen heute?
Persönlich geht es mir gut. Ich habe aktuell nichts zu befürchten, und ich stehe in finanzieller Hinsicht auch nicht vor dem Abgrund. Die Intention dieses großen Interviews, auf das Sie anspielen, war auch eher eine andere. Ich habe nicht speziell für mich, sondern für die gesamte Branche gesprochen. Mir geht es um die Menschen, die auf ihren monatlichen Verdienst angewiesen sind und nicht die Möglichkeit haben, von etwas Erspartem zu leben.
1,7 Millionen Menschen in der Unterhaltungsbranche kämpfen mit Coronakrise
An wen denken Sie?
Man muss sich vor Augen halten, dass 1,7 Millionen Menschen in der Unterhaltungsbranche tätig sind. Dazu gehören auch die Mitarbeiter an der Kasse oder an der Garderobe im Theater. Die gegenwärtige Situation trifft also einen großen Teil an Menschen, an die man im ersten Moment überhaupt nicht denkt. Es war sozusagen ein Hilferuf.
Wird das Unterhaltungssegment im Vergleich zu anderen Branchen vernachlässigt?
Nach meinem Empfinden schon. Wir haben im Vergleich zu vielen anderen Branchen kaum eine Lobby. Natürlich stellt zum Beispiel die Autoindustrie einen sehr großen Arbeitsmarkt dar. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass mit der Unterhaltung jedes Jahr 130 Milliarden Euro umgesetzt werden. Das ist schon ein Riesen-Batzen, es sieht aber niemand. Daher ist es wichtig, sich Gehör zu verschaffen.
Insbesondere bei der Bundesregierung. Welche Signale erhoffen Sie sich aus Berlin?
Zunächst einmal möchte ich voranstellen, dass die Situation in unserem Land bis dato im Großen und Ganzen gut gemeistert wurde. Wir haben es hier mit einer heimtückischen Krankheit zu tun, die niemand richtig einschätzen kann. Nur: Wir brauchen jetzt einen Ansatz, wie es weitergehen soll. Die Veranstalter müssen die Chance bekommen, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen, um letztlich Tickets verkaufen zu können.
Lindner: "Wir brauchen die Bühne"
Dass die Leute wieder gerne ausgehen und etwas erleben wollen, zeigen auch unsere Nachholtermine aus dem Frühjahr, die mittlerweile begonnen haben. Dennoch ist es wichtig, den Menschen von Außen mehr Mut zu machen und sie nicht noch mehr zu erschrecken. Man kann finanziell nicht die ganze Welt retten, aber wir müssen wieder vorausplanen können.
Kommt erschwerend hinzu, dass mit dem Verkauf von Alben und Singles heutzutage weniger Geld zu verdienen ist als früher? Es kommt auf die Konzerte an.
Ja, das stimmt tatsächlich. Man lebt von den Live-Auftritten, da man aus dem CD-Verkauf oder Streaming heutzutage keine großen Umsätze mehr generieren kann. Abgesehen von finanziellen Beweggründen sind Konzerte für Künstler ein ganz wichtiger Lebensinhalt. Wir brauchen die Bühne, wir brauchen unser Publikum.
Ihr aktuelles Album heißt "Ich feier' die Zeit – Das Beste zum Jubiläum". Wie passt dieser Titel zur aktuellen Situation?
Nun ja, das Album "Ich feier' die Zeit" wurde bereits 2019 anlässlich meines 30-jährigen Bühnenjubiläums veröffentlicht. Wir hatten bereits vor Corona beschlossen, die Überzeile für die Best-of-Version des Albums – auch mit Blick auf meinen bevorstehenden 60. Geburtstag – so stehen zu lassen.
Natürlich ist mir bewusst, dass die Zeit zum Feiern aktuell nicht wirklich gegeben ist. Dennoch ist Musik für die Menschen etwas ganz Wichtiges. Auch in Krisen-Zeiten gibt es Momente, die man unbedingt feiern sollte.
Zum Beispiel Ihren 60. Geburtstag. An welche Momente Ihrer Karriere denken Sie dieser Tage gerne zurück?
In den vergangenen 30 Jahren, die ich auf der Bühne verbringen durfte, habe ich unzählige schöne Momente erlebt. Natürlich blicke ich insbesondere auf meine Anfänge zurück. Es war damals eine andere Zeit. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich in diesem rauen Geschäft so lange bewegen kann.
Besonders dankbar bin ich dafür, dass ich die letzte Zeit der großen Shows im Fernsehen miterleben und mitgestalten durfte – an der Seite von großartigen Künstlern und mit Unterstützung großer Orchester. Doch auch wenn heute alles anders ist, möchte ich die jüngere Vergangenheit nicht missen.
Warum bereuen Sie es nicht, heute noch als Schlagersänger tätig zu sein?
Zum einen hätte ich andernfalls nicht miterleben dürfen, wie einer meiner Titel Platz eins der Airplay-Charts erobert hat. Zum anderen bereitet mir die Zusammenarbeit mit den jungen Autoren große Freude. Dass ich als "alter Hase" noch solche Fortschritte machen kann, ist ein wunderschönes Gefühl.
Wie lange wollen Sie dieses "wunderschöne Gefühl" auf der Bühne noch mit Ihren Fans teilen?
Ich habe immer gesagt, dass ich solange auf der Bühne stehen möchte, wie mich mein Publikum trägt beziehungsweise erträgt (lacht). Es gibt nichts Schlimmeres, als aus finanziellen Gründen noch im hohen Alter auf der Bühne stehen zu müssen, obwohl dich eigentlich niemand mehr sehen möchte. Das wollte ich mir immer ersparen. Gott sei Dank erlebe ich es im Moment ganz anders, ich fühle mich wirklich wohl.
Menschen sollen die kleinen Dinge des Lebens wieder mehr schätzen
Sie scheinen damit sehr gelassen umzugehen. Woher kommt das?
Ich denke, dass man nach so vielen Jahren Berufserfahrung gelassener damit umgehen kann. Andererseits mache ich keinen Hehl daraus, dass ich mit Blick auf die Coronakrise und andere Entwicklungen im Schlager froh bin, den größten Teil meiner Showkarriere bereits hinter mir zu haben. Für junge Künstler ist es schwierig, für die Zukunft zu planen.
Was wünschen Sie sich zu Ihrem 60. Geburtstag am allermeisten?
In meinem Alter hat man keine materiellen Wünsche mehr. Ich wünsche mir, dass die Menschen aus dieser schwierigen Zeit und trotz all der Sorgen etwas Positives mitnehmen können. Zuletzt hatte man den Eindruck, es müsste alles größer, höher, weiter und schneller sein. Jetzt gab es einen Dämpfer, der uns vielleicht etwas erden könnte. Ich wünsche mir, dass die Menschen die kleinen Dinge des Lebens wieder mehr zu schätzen lernen.
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