In Bayern ist Harry G. DER Comedy-Shootingstar. Durch seine zahlreichen Clips direkt aus dem Leben gegriffen sorgt er vor allem in den Sozialen Medien für Aufsehen. Im Interview mit unserer Redaktion verrät er, was einen typischen Bayern ausmacht - und warum es oft lieb gemeint ist, wenn man jemanden beschimpft.
Harry, stell dir vor: Draußen hat es 30 Grad, du hast Durst. Du stehst zwischen zwei Biergärten. Links schenken sie das Regensburger Bier Kneitinger, rechts das Münchner Augustiner aus. Für welches Bier entscheidest du dich?
Greifst du bei solch einem warmen Wetter nicht lieber zu einem neumodischen Getränk wie einem Weizen-Mix-Getränk mit Grapefruit, Mango oder Sonstigem?
Ich habe im Prinzip nichts gegen solche Getränke. Ich brauche sowas aber nicht, wenn man einfach ein ganz normales Radler trinken kann. Mein Getränketipp für diesen und jeden Sommer ist seit eh und je saures Radler. Schmeckt tatsächlich besser.
Da sagen die Leute zwar immer: "Ja wie, Bier mit Wasser mischen?" Darauf entgegne ich: "Aber mit Limo ist okay, oder?" Was völlig absurd ist. Eigentlich ist ein Radler ziemlich pervers.
Pervers?
Eigentlich habe ich gesagt. Man hat sich in Bayern halt bereits daran gewöhnt.
Was macht für dich einen typischen Bayern aus?
Schwierig, darauf zu antworten. Ich glaube aber, ein typischer Bayer ist sich sehr bewusst, wo und wie er wohnt und welchen Dialekt er spricht. Ein schlauer Bayer ist aber offen für alles und ist auch gerne woanders.
Das Klischee von Bayern lautet, dass sie gerne mürrisch und grantig sind. Das passt weniger zu der von dir besagten Weltoffenheit …
Wenn du einem Bayer blöd kommst, macht er halt zu. Der typische Bayer ist für mich auch jemand, der grantig rumsitzt und nur spärlich Auskünfte gibt, wenn er nach dem Weg gefragt wird.
Du scherzt gerne über eine bestimmte bayerische Gruppe: die Münchner. Was unterscheidet sie vom Rest der Bayern?
Der Münchner ist ja kein Bayer, so wie der Wiener kein Österreicher ist. Er ist was Besseres. Das sage jetzt nicht ich, das sagt oder sieht der Münchner so. Selbst der Zugezogene betitelt sich innerhalb kürzester Zeit als waschechter Münchner und denkt, er ist was Besseres, weil er in München lebt.
Der Münchner wohnt in der größten bayerischen Stadt und sagt: So schön wie bei uns ist’s nirgendwo. Es stimmt, dass es hier sehr schön ist. Das ist es aber eigentlich überall in Bayern.
Das müsste der Münchner eigentlich wissen, denn schließlich steht er doch jedes Wochenende im Stau zum Tegernsee, weil es da so urig ist.
Gehen wir noch eine Ebene tiefer: Wie stehen sich zugereiste Münchner und geborene Münchner gegenüber?
Bei dieser Aussage muss ich aufpassen. Wie sage ich das am besten? Die stehen sich grundsätzlich kritisch gegenüber. Aber in München kommt diese Situation ja häufig vor.
Schauen wir in die Büros: Hier muss man schon Abstufungen treffen. Da kommt die Hälfte aus dem Rest der Republik. Deswegen haben Zugereiste und Münchner hier größere Schnittmengen. Hier vertragen sie sich ganz gut. Auch ich als gebürtiger Regensburger habe viel mit Arbeitskollegen privat gemacht, die aus München sind.
Anders ist es, wenn man aufs Land schaut. Vor allem, wenn der Zugereiste ein Tagestourist ist. Die verstehen sich weniger. Das ist auch logisch, weil sich die Landbevölkerung ein wenig ausgenutzt vorkommt.
Als Harry G. spielst du gerne mit bayerischen Stereotypen. Hast du privat auch ein typisch bayerisches Klischee an dir, das dich nervt?
Diese Schimpferei, manchmal nervt’s mich selbst.
Also ist die Kunstfigur Harry G. gar nicht so weit weg von deiner echten Persönlichkeit?
Nein, überhaupt nicht. Zum Beispiel in der Ferienzeit schimpfe ich darüber, dass die Autobahn so voll ist. Oder, dass die Weihnachtsmärkte die Innenstadt verstopfen. Oder, dass die Radler sich benehmen wie der letzte Mensch. Oder, oder, oder. Irgendwas kotzt mich immer an.
Fällt dir überhaupt noch etwas Neues ein, über das du schimpfen kannst?
Solange es in München Wohnprobleme, die Schickeria oder neue Trends gibt, gibt es viel zu schimpfen.
Und es muss nicht immer der Isarpreiß sein, über den man sich aufregt. Nicht nur die Schickeria macht Yoga und Pilates oder trinkt Smoothies, das macht inzwischen fast jeder. Und entsprechend viel wird man damit konfrontiert. (lacht)
Warum beleidigen sich Bayern gerne als "Depp" oder "Rindvieh" - und meinen es eigentlich gar nicht beleidigend?
Bei uns in Bayern hat ein Schimpfwort eine andere Bedeutung. Nicht immer, aber oft. Alles halb so schlimm - meistens.
Und wenn dir zum Beispiel ein Gelsenkirchener gegenübersitzt und du bezeichnest ihn als "Deppen": Glaubst du nicht, dass er das in den falschen Hals kriegt?
Das müsste er bitteschön so verstehen, wie ich es meine. Also ernst (lacht). Nein, das kommt auf den Aufbau an. Wenn ich jetzt aus dem Auto rausschreie: "Fahr weiter, du Depp!", dann meine ich auch Depp. Wenn ich dir jetzt gegenübersitze und du etwas Komisches machst, dann sage ich auch "Depp" zu dir – und meine vielleicht Tollpatsch.
In Bayern gibt es ja bereits einen Komiker, der durch sein mürrisches und grantiges Wesen bekannt wurde: Gerhard Polt. Was haben eure Kunstfiguren gemein?
Beide sind grantig, ja. Polt spielt mit seinem gleichgültigen Wesen und dem Lachen eine reine Kunstfigur, bei mir ist es doch eher nah an mir selber dran. Polt ist Kabarettist, ich bin Comedian. Und Polt ist Gott!
Bist du Polt schon persönlich begegnet?
Ja.
Kennt er deine Figur und was hat er darüber gesagt?
Das weiß ich eigentlich gar nicht. Ich habe ihn einmal persönlich getroffen und da hat er gesagt: "Ja, gut. Machen Sie weiter!" Und das war’s.
Da habe ich jetzt mit ein wenig mehr gerechnet …
Nein. Es klingt zwar lustig, wenn man sich vorstellt, wie er es gesagt haben könnte. Mehr war’s aber nicht. Das war aber auch zu meinen Anfangszeiten.
Wir haben jetzt viel über Schimpfen, Murren und Granteln geredet. Wie nimmst du einem Preußen nun die Angst, wenn er nach Bayern kommt?
Sie kommen ja sowieso. Und wenn man uns richtig kommt, ist ein Bayer der netteste Mensch. Bis jetzt haben wir noch jeden untergebracht.
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