Als international gebuchtes Model ist Anna Hiltrop ein schnelllebiges Jetsetleben im Scheinwerferlicht gewohnt. Parallel wirbt die Unternehmerin für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Ein Widerspruch? Nein, findet die 29-Jährige. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Anna Hiltrop, wie nachhaltiges Leben in kleinen Schritten funktionieren kann, was sie von der "Fingerzeig"-Mentalität hält und wie sie auf den Wandel des Castingformats "Germany's Next Topmodel" blickt.
Frau Hiltrop, Sie setzen sich seit vielen Jahren für Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein. Kürzlich wurden Sie als "Green Ambassador" für
Anna Hiltrop: Als Testimonial oder Ambassador arbeite ich bereits seit vielen Jahren mit verschiedenen Brands zusammen und habe zuletzt immer wieder einen gewissen Wandel und eine Weiterentwicklung beobachten dürfen, wenn es um Themen wie Nachhaltigkeit ging. Umso mehr freue ich mich über die Zusammenarbeit mit Yves Saint Laurent Beauté, weil in diesem Rahmen eine ganz neue Position für mich geschaffen wurde. Mit Blick auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz setzt das Unternehmen ein starkes Zeichen und geht einen bewussten Schritt in Richtung Umweltschutz. Ich bin gespannt, welche Marken diesem Weg in Zukunft noch folgen werden.
Welche Rolle spielt Authentizität, wenn es darum geht, für Themen wie Nachhaltigkeit zu sensibilisieren?
Eine sehr große! Es ist schade, dass Nachhaltigkeit zu einem Trend geworden ist, auf dessen Zug viele Leute aufspringen wollen. Meiner Meinung nach machen sich auch die Marken dadurch etwas kaputt. Vor allem auf Social Media beobachte ich das Phänomen, wenn Influencerinnen oder Influencer, die eigentlich gar nicht für Nachhaltigkeit stehen, wie aus dem Nichts eine vermeintlich nachhaltige Marke oder Kollektion bewerben. Mit einem authentisch nachhaltigen Lifestyle hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.
Gummistiefel statt High Heels
Es liegt also auch an den Unternehmen, authentische Gesichter zu finden, die die Botschaft transportieren?
Absolut! Hier sollte mehr auf die Inhalte eines Kanals als auf seine Reichweite geschaut werden. Ich finde es immer gut, wenn Menschen den Umweltschutz unterstützen wollen. Dieser Support muss aber echt sein – andernfalls hat es einen gewissen Greenwashing-Beigeschmack. Einmal im Jahr veranstalten wir beispielsweise bei RhineCleanUp (Gemeinnützige Organisation, die gegen Vermüllung von Flüssen in Europa vorgeht; Anm. d. Red.), wo ich auch Ambassador bin, einen V.I.P.Clean-up. Auf unsere Anfragen und Einladungen zu dieser Aktion erhalten wir in der Regel kaum Zusagen, obwohl mit der Unterstützung durch Prominente ein wichtiger erster Schritt getan werden könnte in Richtung Umweltschutz.
Wie erklären Sie sich diesen zurückhaltenden Support?
Ich kann mir vorstellen, dass eine solche Aktion schlichtweg nicht glamourös genug ist. Wir sprechen hier nicht von einer Gala, einem Red-Carpet-Event oder einer Preisverleihung, sondern von einer gemeinnützigen Aktion, bei der man in Gummistiefeln verdreckte Flussufer, Parks oder Grünanlagen säubert. Dabei würde gerade durch die Teilnahme an einer solchen Aktion ein wichtiges Zeichen gesetzt werden.
Kollidiert Ihre Rolle als Nachhaltigkeits-Botschafterin hier und da auch mit Ihrem Leben als Model?
Als Model reise ich viel und arbeite auch mit Mainstream-Brands zusammen, die nicht nachhaltig sind. Damit will ich nichts schönreden, im Gegenteil: Die Modeindustrie ist eine verschwenderische Branche. Demnach sind die großen Kritikpunkte durchaus berechtigt. Wenn ich beispielsweise einen Job in New York habe, kann ich schlecht mit der Bahn hinreisen. Dennoch kann ich versuchen, Umweltschutz im Alltag stattfinden zu lassen, indem ich auf Plastik verzichte, kein Fleisch esse oder viel zu Fuß unterwegs bin. An genau diesem Punkt möchte ich anknüpfen und die Leute animieren, den Alltag nachhaltiger zu gestalten. Es bringt meiner Meinung nach nichts, ständig mit dem Finger auf andere zu zeigen und es selbst nicht besser zu machen.
Die Fingerzeig-Mentalität spielt vermutlich dennoch eine große Rolle…
Das stimmt. Dabei kann kein Mensch zu 100 Prozent nachhaltig leben. Wäre es so, dürften wir alle kein Smartphone besitzen, müssten genau hinterfragen, woher unser Strom kommt oder woraus unser Fußboden oder unsere Wandfarbe bestehen. Wir könnten wegen des CO₂-Ausstoßes nicht einmal mehr E-Mails verschicken. Insofern sollte man sich viel mehr fragen, inwiefern man eine Brücke schlagen kann in seinem Handeln. Natürlich gibt es Menschen, die strikt versuchen, nachhaltig zu leben. Ich denke dennoch, dass es ebenso wichtig ist, der großen Masse Mut zu machen, so viel zu geben, wie möglich ist. Wenn wir alle etwa versuchen, im Alltag nachhaltiger zu leben und hier und da auch mal unsere Komfortzone verlassen, ist das sehr viel wert und bedeutet auch, dass wir auch ein- oder zweimal im Jahr in den Urlaub fliegen können.
Wie gehen Sie mit kritischen Kommentaren um, die Sie diesbezüglich, etwa in den sozialen Medien, erreichen?
Solange die Kritik sachlich ist, gehe ich gerne in den Dialog. Kommentare, die unter die Gürtellinie gehen, tangieren mich inzwischen nicht mehr. Als ich noch jünger war, war das anders und es ist mir schwergefallen, Kritik auszuhalten. Heute kümmert mich destruktive Kritik nicht wirklich. Zudem schalte ich bei Beleidigungen und Drohungen inzwischen auch meinen Anwalt ein. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.
Anna Hiltrop fehlen die "normalen Models" bei GNTM
Sie sind als deutschsprachiges Model bekannt, ohne Ihre Karriere über ein Format wie etwa "Germany's Next Topmodel" gestartet zu haben. Glauben Sie, Ihre Karriere hätte durch die Teilnahme an einem Format wie GNTM einen anderen Verlauf genommen?
Mein persönlicher Glaubenssatz lautet "Everything happens for a reason" – demnach bin ich mit dem Weg, den ich gegangen bin, total zufrieden. Zu Beginn meiner Modelkarriere wäre ich für die Teilnahme bei GNTM vermutlich zu weich gewesen, weil ich zu jung und mental noch nicht gefestigt genug war. Insofern denke ich, dass ich die Teilnahme an so einem Format vermutlich nicht durchgestanden hätte.
Sowohl wegen der hohen Anforderungen im Rahmen des Wettbewerbs als auch wegen des Konkurrenzdrucks unter den Teilnehmenden?
Genau. Ich war immer schon jemand, der sich aus Lästereien und Streitigkeiten herausgehalten hat. Zwangsläufig kommt es während einer Ausnahmesituation wie bei GNTM zu solchen Herausforderungen, in denen ich mich vermutlich nicht wohlgefühlt hätte. Darüber hinaus hätte ich im Alter von 16 oder 17 nicht über einen so langen Zeitraum von meiner Familie und meinen Freunden getrennt sein wollen.
GNTM ist in den vergangenen Jahren – auch als Reaktion entsprechender Kritik – deutlich diverser geworden. Werten Sie den Wandel als gutes Zeichen oder als zu späten Aufsprung auf den zeitgemäßen Zug?
Eine Show wie GNTM zeitgemäß anzupassen, halte ich für richtig. Mit Blick auf den Wandel muss ich allerdings inzwischen sagen, dass mir an manchen Stellen ein wenig die "normalen Models" fehlen. Divers zu sein, ist wichtig, dennoch sollten auch die typischen Models weiter stattfinden. Auch dafür steht meiner Meinung nach Inklusion. Natürlich finde ich es aber richtig, wie sich die Branche entwickelt. Ich denke, die Kunst liegt darin, nicht von einem Extrem ins andere zu fallen.
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