Das Finale von "Germany's next Topmodel" naht, letzte Chance also für die Kandidatinnen der Klum zu beweisen, dass man in der Finalshow seinen Unterhaltungsbeitrag leisten kann. Blöd nur, wenn dann ausgerechnet die Klum persönlich das Unterhaltungsniveau so kurz vor Schluss ins Homeoffice schickt.
Erinnern Sie sich noch an diesen unangenehmen Samstagvormittag in ihrer Kindheit? Als man an einem nasskalten Dezembersamstagvormittag mit den Eltern im Sonntagspulli zu Udos Souterrain-Fotostudio fuhr, um für Omas Weihnachtsgeschenk die eigenen Wachstumsfortschritte im Familienfoto festzuhalten? Als die Stimmung bei der Hinfahrt nur noch von der Stimmung bei der Rückfahrt unterboten wurde, weil das Ganze auf der einen Seite so sterbenslangweilig war, während einem gleichzeitig der kratzige Pulli die Haut unterhalb des Kinns in ein kräftiges Bluthochdruckrot scheuerte?
Nein? Dann herzlichen Glückwunsch. Wenn doch, dann willkommen beim Halbfinale von "Germany's next Topmodel"! Denn die
"Die 'Harper's Bazaar' erscheint in 29 Ländern", leitet die Klum das Shooting ein, als sei das irgendein Qualitätsnachweis. Kerstin Schneider, die Chefredakteurin der deutschen Ausgabe, geht die Sache trotzdem mit Elan an: "Ich freu mich riesig auf die Mädchen, weil ich finde: Die sind sehr divers dieses Mal." Puuh, da hat die Klum ja Glück gehabt, dass das aufgefallen ist. Gerade in der Staffel mit dem Diversity-Motto. Was wär das ärgerlich gewesen.
"Germany's next Topmodel": Dasha ist zu schüchtern
Frau Schneider hat jedenfalls ein Sommerwiesen-Set aufgebaut, in dem die Fotos gemacht werden sollen. Aber nicht einfach so, nein, die Damen sollen "romantisch-verträumt-natural sein, aber trotzdem neugierig". Da kann man nur hoffen, dass sich Heidis Models die Reihenfolge gut gemerkt haben. Nicht, dass sie da in der Sommerwiese stehen und plötzlich romantisch-verträumt-neugierig sind, aber trotzdem natural. Das kann ganz schnell gehen, wenn du nicht voll bei der Sache bist.
Tja, und als hätte man es nicht gesagt: Gleich die erste Kandidatin gerät ins Straucheln. Es fängt damit an, dass Dasha in der Sommerwiese sitzt und sich an die Haare fasst. "Ich find's ja immer besser ohne Hand", kritisiert Frau Schneider und greift korrigierend ein. Aber es mag einfach nicht klappen und als die Klum ebenfalls meckert, dass sich Dasha diesmal untypisch zurückhaltend zeigt, offenbart sich endlich das Missverständnis: "Ich soll ja eher so schüchtern sein, deshalb hab' ich mich heute ein bisschen zurückgenommen", erklärt Dasha, doch der Klum ist es zu zurückgenommen.
Und siehe da: Nachdem man sich auf das richtige Maß an Schüchternheit verständigt hat, flutscht es plötzlich, als sich Dasha mit ihrem Vorschlag durchsetzt, im Liegen und von oben fotografiert zu werden: "Vielleicht hätten wir von Anfang an auf Dasha hören sollen", gesteht die Klum. Ja, vielleicht, aber in so einem Romatisch-verträumt-natural-aber-trotzdem-neugierig-Sommerwiesenschootingsteckst du einfach nicht drin.
GNTM 2021: Jetzt müssen sie auch noch reden können
Yasmin hat nämlich ähnliche Schwierigkeiten, denn die Klum findet ihr Agieren in der Wiese "so traurig, so trostlos, so fad." Erst, als sich Yasmin ins Gras legt, kommt bei Schneider und Klum Zufriedenheit auf und bei Yasmin Erleichterung. Erleichterung und Stolz: "Da soll nochmal jemand sagen: Model-Jobs sind einfach" Gut, Herausforderung angenommen: Model-Jobs sind einfach. Peng.
Sind sie natürlich nicht, im Gegenteil. Denn natürlich müssen Models noch sehr viel mehr können. Zum Beispiel eine Rede halten. Sagt ja schon der Name: Model. Ach, sagt er gar nicht? Ist der Klum egal, sie hat nach dem anstrengenden Cover-Shooting trotzdem Lust auf ein paar Worte der Kandidatinnen: "Mit vielen Höhen und Tiefen habt ihr euch hier bei 'Germany's next Topmodel' immer weiter gesteigert. Und deshalb: Haltet morgen bitte eine Rede, in der ich von eurer ganz privaten Reise hier bei 'Germany's next Topmodel' erfahren werde."
Gut, die Klum hätte sich natürlich einfach die Staffel im Fernsehen anschauen können, da dürfte das ja zu sehen sein. Aber vielleicht hat die Klum ja Angst, dass da im Nachhinein zu viel zusammengeschnitten wird, so dass man als Zuschauer "die ganz private Reise" aus Unterhaltungsgründen ein bisschen verzerrt präsentiert bekommt. Aber das wäre ja verrückt, wer würde denn so etwas machen.
Finale von GNTM: Yasmin darf nicht, Ashley will nicht
Also müssen die Nachwuchsmodels in einer Fernsehshow von Heidi Klum ohne jede Rhetorik-Erfahrung Reden halten, die sich so anhören, als müssten Nachwuchsmodel in einer Fernsehshow von Heidi Klum ohne jede Rhetorik-Erfahrung Reden halten – und hätten deshalb ein bisschen Unterstützung bekommen. Die Ergebnisse jedenfalls reichen nicht einmal annähernd an die legendäre 2020er "Hallo Zettel"-Rede von Kandidatin Anastasia heran – nur die Unerschrockenen googeln jetzt nach dieser Rede.
Nicht googeln muss man nach dem Finalwalk, denn der verlief ohne besondere Vorkommnisse, obwohl sich die Klum dafür etwas Besonderes ausgedacht hatte: "Ich finde, wir haben ein bisschen zu wenig Publikum", glaubt die Klum und hat deshalb alle bisherigen Gastjuroren der Staffel per Video hinzugeschaltet und entlang des Laufstegs drapiert. Das ist natürlich fies. Da denkst du als Gastjuror wahrscheinlich, du bist nach deinem Auftritt raus aus der Nummer und dann musst du dir nochmal per Videokonferenz den Klumschen Herumlaufwettbewerb ansehen. Und so ist der finale Walk eine einzige Mahnung an jeden Zuschauer, nie mehr einfach so auf "Ja, ich habe die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelesen" zu klicken.
Über die AGBs von "Germany's next Topmodel" muss sich Yasmin nach ihrem Lauf keine Gedanken mehr machen, denn die Klum findet, dass das Finale ohne sie stattfinden sollte. Und so stehen in der kommenden Woche die fünf Finalistinnen Romina, Soulin, Dasha und Alex im Finale. Moment! War fünf nicht immer eins mehr als vier? Was ist denn mit Ashley? Die hat inzwischen via Instagram einen kleinen Gruß in die Internet-Runde geschickt, dass sie genug "Germany's next Topmodel" in ihrem Leben hatte und nun auf ihre Anwesenheit beim Finale verzichtet.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.