Mit der Idee, nicht nur Kandidaten, sondern auch Kandidatinnen zuzulassen, hat "Die Bachelorette" die größte Revolution der Romantik seit der Erfindung der Diddl-Maus angestoßen. Doch vor allem Kandidat Bennett tut sich in Folge drei schwer mit dem Neuen, vor allem mit neuen Gedanken. Man hat aber auch immer Ärger mit dieser Political Correctness.

Christian Vock
Eine Kritik
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Es ist angerichtet. RTL hat in den beiden ersten Folgen alles für die elfte Staffel "Bachelorette" bereitgestellt: Eine Bachelorette, eine größere Ansammlung junger Männer – und zum ersten Mal auch eine kleinere Ansammlung junger Frauen. Die Bachelorette darf nämlich in diesem Jahr aus dem Vollen schöpfen, also gleichermaßen Damen und Herren daten.

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Das soll ein bisschen frischen Wind in die Show bringen, schließlich ist die Konkurrenz mit den Jahren nicht weniger geworden. Dümmer, aber nicht weniger, wenn man an andere Dating-Formate wie "Are You The One" oder "Love Island"denkt. Doch auch hier sind die Grenzen inzwischen durchlässiger geworden, tanzen die Teilnehmer auf mehreren Hochzeiten. Bei der "Bachelorette" versucht man es nun jedenfalls mit ein paar Neuerungen und die sollten in Folge drei auch gleich Wirkung zeigen.

"Bachelorette"-Geruchstest: "Das riecht nach Trouble"

Denn kaum haben die Herren ihre Muscle-Shirts in die Schränke der thailändischen Villa geräumt, rauschen auch schon die Kandidatinnen ins ehemals reine Männer-Domizil. "Das riecht nach Trouble", nimmt einer der Männer auch sofort einen merkwürdigen Geruch in der Villa wahr. Kandidat Musty bekommt sogar Existenzängste. Also um die Existenz seiner Kollegen: "Das Problem könnte sein, dass die Männer jetzt untergehen in der ganzen Geschichte – aber nicht mit mir."

"Ich glaub', die Männer müssen's noch verarbeiten", stellt Kandidatin Akosua derweil erhöhte Gehirnaktivität bei der männlichen Konkurrenz fest. Wieder ist es Musty, der als erster handlungsfähig ist und aus der ungewohnten Situation neue Chancen kreieren zu können glaubt: "Nicht persönlich nehmen, aber seid ihr eher lesbisch oder bi?", fragt er ganz unpersönlich in die Runde. "Ich kann die Frage vollkommen nachvollziehen. Ich meine, die müssen ja auch selbst gucken, wo sie stehen, wie ist es generell chancentechnisch?", zeigt Kandidatin Aysun Verständnis.

"Nicht, dass wir euch verführen oder so", greift Musty seinen Gedanken noch einmal auf, kommt damit aber nur so mittelprächtig bei den Frauen an, besonders Akosua guckt grimmig. "Ich hol' dich auf den Boden der Tatsachen zurück, kein Problem", glaubt da Bennett, einen lustigen Spruch gefunden zu haben, doch Akosua lässt ihn nur trocken abperlen: "Wer bist du denn?"

Bis hierhin sind noch nicht einmal fünf Minuten vorbei, aber wenn man davon ausgeht, dass sich die Kandidatinnen und Kandidaten beim ersten Kennenlernen noch höflich zurückhalten, kann man schon einen ganz guten Eindruck bekommen, wohin die Reise gehen wird. Oder wie es Martin formuliert: "Jetzt wird’s Stress geben." Und er sollte Recht behalten.

Bennett versteht die Welt nicht mehr – also seine Welt

Aber der 35-Jährige ist es auch, der eine Kannbruchstelle der Show entdeckt: "Vielleicht liegt es auch an meinem Alter, ich kam mir wirklich vor wie in einem Party-Format", erklärt Martin, als es ein bisschen lauter wird. Und da wären wir wieder bei den durchlässigen Grenzen der ganzen Dating-Shows, die es inzwischen gibt.

Mit einem "Auf die erste Bi-Bachelorette!" stoßen dann aber Männer und Frauen gemeinsam auf die Gastgeberin an und das ist auch deshalb bemerkenswert, da inzwischen weitere vier Minuten vergangen sind und Bachelorette Stella Stegmann bis dahin noch gar nicht in Erscheinung getreten ist.

Tatsächlich taucht Stegmann erst nach einer knappen Viertelstunde mit einem eigenen Wortbeitrag auf: "Ich bin hierhergekommen, weil ich einen Partner oder eine Partnerin finden möchte", fasst Stegmann nochmal zusammen, sollte irgendwer das neue Konzept immer noch nicht verstanden haben. Dann darf sie in Zeitlupe in ihren Morgenmantel schlüpfen und mit verträumtem Blick durch die Terrassentür in die Folge starten, als habe sich nichts am Konzept der Show mit ihren Hochglanz-Kitsch-Bildern geändert.

Hat sich aber. Und es ist Aysun, die das erste Mal darauf aufmerksam macht. Denn Bennett hat sich bereits zweimal in den Finger geschnitten und sucht die Schuld nun beim Schneidgerät: "Die Messer sind einfach geisteskrank scharf." "Geisteskrank sagt man nicht", korrigiert ihn Aysun und erklärt ihm auf Nachfrage auch, warum: "Weil das ein Angriff auf psychisch erkrankte Menschen ist." Offenbar zu viel für Bennet. "Wir werden ja jetzt mit Dingen auseinandergesetzt, also mit einer queeren Personengruppe auseinandergesetzt, die auch ganz anderes denken", erklärt er später im Einzelinterview.

"Hetero – was?"

Als Aysun die Sache mit Bennett auszudiskutieren versucht, prallen ganz offensichtlich zwei Welten aufeinander und man kann sich schwer vorstellen, dass RTL genau das mit seinem neuen Konzept beabsichtigt hat. Wahrscheinlicher ist, dass es einfach ein Nebeneffekt des Versuchs ist, ein bisschen mehr Stress in die Show zu bringen. Sollte es doch Absicht gewesen sein, den Zuschauern ein bisschen den Horizont zu erweitern – Hut ab.

Dass Bennetts Weltsicht bereits einsturzgefährdet ist oder zumindest erste Risse bekommen hat, ist allerdings unwahrscheinlich; "Das ist ja auch die Staffel hier mit Political Correctness", sagt er. Älter, weißer und männlicher hätte der 27-Jährige in diesem Moment gar nicht sein können. Und als Stegmann bei der Nacht der Rosen von "heteronormativer Beziehungsform" spricht, scheppern bei Bennett die Synapsen: "Äh, kannste dat nochmal kurz erläutern? Ich hab das gehört, aber hetero – was?"

Ja, da geht man als Kerl, dem die Frauen vertrauen, arglos in ein Trash-TV-Format und bekommt plötzlich Nachhilfe im Fach 21. Jahrhundert. Wer hätte das gedacht? "Die Bachelorette" als Abrissbirne eines superoberflächlichen Liebesklischees, an dem die Show jahrelang selbst mitgemalt hat. Das kann spannend werden – nur diesmal aus den richtigen Gründen.

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