Klamauk, Klischees und Plattitüden: Auch der zweite Saarländer "Tatort" mit Kommissar Jens Stellbrink ist eher Kasperletheater als Krimi. "Eine Handvoll Paradies" ist zwar eine leichte Steigerung zum verkorksten Auftakt, kann aber erneut weder Zuschauer, noch Kritiker überzeugen.

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Auch zweiter Saar-"Tatort" erntet Verrisse

Erwartungsgemäß konnte der "Tatort" am Sonntagabend eine gute Quote und den Tagessieg verbuchen, was für den SR allerdings nur ein schwacher Trost sein dürfte. Denn die Resonanz war, ebenso erwartungsgemäß, vernichtend. Dem Tenor nach, ist der neue Saarland-"Tatort" geradezu kriminell schlecht.

So sah sich "Bild.de" beispielsweise genötigt, "Ermittlungen" einzuleiten, wieso der Saarland-"Tatort" so schwach ist, während "Süddeutsche.de" "gestohlene Lebenszeit" beklagt. "Filmstarts.de" spricht von einer einzigen "Katastrophe".

Die Reaktionen der "Tatort"-Fans auf Facebook und Twitter unterstreichen die Kritiken. Vor allen Dingen scheinen die Zuschauer dem alten saarländischen Ermittler-Team Kappl und Deininger nachzutrauern:

"Schlechtester Tatort aller Zeiten. Das ist ja schon peinlich!!!" (Bernd Sigloch)

"Genau wie beim ersten neuen Saarbrückener Tatort: Die Staatsanwältin macht mich irre, Herr Striesow gibt sein bestes, aber es kommt nur Klamauk bei raus. Ganz im Ernst, für solche miesen Drehbücher wurde das "alte" Saarbrückener Tatort-Team abgesägt?" (Conny Bisten)

"Katastrophal und einfach nur mies, dieser Tatort hat weder Originalität noch Humor noch Qualität, ich fühle mich als Zuschauerin und Tatortfan schlichtweg veralbert und für dumm verkauft." (Claudia Kirschner)

"Glückwunsch, dachte nach dem ersten geht s nicht schlimmer.. Sehe grade das Gegenteil, schlimmste folge, die ich je geschaut habe! Und dafür setzen sie Kappl und Deininger ab, unfassbar schlecht, da passt einfach gar nichts." (Torben Sa)

"Sorry, das war ein echt grottiger #tatort Überspitzes Schauspiel, klischeehafte, aber trotz allem platte Figuren und eine hanebüchene Story." (Annegret Wehmeyer)

Ist der Film wirklich so schlecht? Wir befürchten leider ja...

Kasperletheater geht in die zweite Runde

Mit der Darstellung von Motorradrockern im deutschen Fernsehen ist das so eine Sache - von Authentizität und Glaubwürdigkeit kann meist keine Rede sein. Grimmiges Mienenspiel, sichtbar aufgemalte Tattoos und Fantasie-Kutten, die man sich auch gut als Faschingskostüm vorstellen könnte. Das ist das Bild, das hiesige Drehbuchschreiber gerne von Biker-Gangs zeichnen. Der neue Saarland-"Tatort" macht da keine Ausnahme, sondern haut mit voller Wucht in die Klischee-Kerbe.

So hat "Eine Handvoll Paradies" auch - anders, als der Titel vielleicht suggerieren soll - wenig von dem raubeinigen Outlaw-Charme alter Clint-Eastwood-Western. Viel mehr verkommt der Streifen wie bereits sein Vorgänger zu einem ziemlichen Kasperletheater. Den Räuber Hotzenplotz geben dabei die grimmigen Kuttenträger auf ihren Harleys.

Stellbrink gegen Mutti und die bösen Buben

Die Handlung ist eigentlich schnell erzählt: "Rüde", Chef einer berüchtigten Motorradgang mit dem inspirierenden Namen "Dark Dogs", wird tot an einer Landstraße aufgefunden. Ein vermeintlicher Unfall, doch wie sich schnell herausstellt: Mord. Unter der Leitung des neuen Club-Präsidenten "Mutti" wollen die Rocker eine neue Designerdroge namens "Paradise" auf den Markt bringen. Daher auch der einfallsreiche Titel.

Staatsanwältin Dubois weiß von den Machenschaften der Biker-Brüder und hat zu diesem Zweck einen V-Mann als "Prospect", also Mitgliedschaftsanwärter, in den Club geschleust. Dessen thailändische "Old Lady", wie Rockerfreundinnen im Fachjargon heißen, ist in Wirklichkeit ein "Old Ladyboy" und steckt auch irgendwie mit drin.

Weil sich irgendwann niemand mehr so richtig auskennt, Zuschauer eingeschlossen, ermittelt Stellbrink wie schon in seinem ersten Fall irgendwann auf eigene Faust. Zu Beginn bekommt er allerdings ein paar Insider-Tipps von seiner Kollegin Lisa Marx. Die fährt schließlich selbst Motorrad und kennt sich deshalb natürlich bestens in der Rocker-Welt aus.

Pluspunkte in der B-Note

Dass "Eine Handvoll Paradies" nicht ganz so schlimm ist wie sein Vorgänger, ist zu einem großen Teil Hauptdarsteller Devid Striesow zu verdanken. Wie schon in seinem ersten Auftritt, spielt er beherzt und gutgelaunt gegen das diesmal etwas weniger lausige Drehbuch an. Und zum Glück steht er im zweiten Anlauf auch nicht komplett alleine da. Neben Striesow fallen auch Thailänder/in Taja (Young-Shin Kim) sowie Bösewicht "Mutti" (Thomas Kautenburger) zumindest halbwegs positiv auf.

Dasselbe gilt immer noch nicht für Sandra Steinbach. Nachdem ihr erster Auftritt als hysterische und erkenntnisresistente Staatsanwältin Dubois bereits einen kleinen Shitstorm im Internet ausgelöst hatte, fällt ihre Rolle hier aber glücklicherweise einen Tick weniger nervtötend aus. Leider aber kein bisschen überzeugender.

Saarland-"Tatort" weiß nicht, was er will

Mit diesem Klamauk-"Tatort" hat man beim SR momentan ein Projekt, das nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Das größte Problem des Saarland-"Tatorts" ist, dass er selbst nicht so recht weiß, was er eigentlich sein will. Immer wenn die Handlung einen ernsteren Verlauf zu nehmen scheint, funken Slapstick-Einlagen störend dazwischen.

Manchmal ist das durchaus witzig, etwa wenn Stellbrink auf seinem knatternden Roller zu einem Konvoi der "Dark Dogs" aufschließt. Manchmal ist es aber auch einfach zu viel des Guten. Schlimmstes Beispiel: Als Stellbrink bei seinen Ermittlungen von einem Rocker k.o. geschlagen wird, sieht er sich selbst in einer Traumsequenz mit Tattoos und Kutte einen Baseballschläger schwingen. Stellbrinks Alptraum fällt an dieser Stelle nur geringfügig erschreckender aus als der des Zuschauers.

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