"Sing meinen Song - das Tauschkonzert" ist eine Show der Superlative. Hier gibt es nur die besten Songs, die besten Sänger, und überhaupt ist alles "großartig". Das Problem ist nur: Nichts davon stimmt.
Man kann sich die Senderkonferenz bei VOX vergangenes Jahr bildlich vorstellen. Wie ein Mitarbeiter, wahrscheinlich so ein junger, wilder, der noch nicht vom jahrelangen Reality- und Castingshow-Alltag zermürbt ist, sich zaghaft meldet und sagt, er habe eine Idee für ein neues Format, so ganz ohne Kochen, Shoppen und Hunde dressieren. Es gehe um Musik.
Und wie ihn die Fernsehbosse auslachen, aber mal machen lassen, damit der Junge schnell in der harten Welt des TV-Geschäfts ankommt. Und wie er sie dann alles eines Besseren belehrt. Denn "Sing meinen Song - das Wunschkonzert" entwickelte sich zum Überraschungserfolg. Eine Show, in der Menschen einfach nur herumsaßen, entspannt miteinander sprachen und die Lieder des jeweils anderen sangen. Das hatte es schon lange nicht mehr im deutschen Fernsehen gegeben. Das Problem war nur: So schön sich dieses Konzept auf dem Papier las, so schrecklich war es anzuschauen.
Das hat sich in der zweiten Staffel von "Sing meinen Song - das Tauschkonzert" nicht geändert. Jeder Musikfan erschauert schon, wenn er die Gästeliste von Xavier Naidoo in diesem Jahr liest: Die Prinzen!
Gesprochen wird nur in Superlativen
Das hält die Teilnehmer aber nicht davon ab, die hier Anwesenden als die Creme de la Creme der deutschen Musikszene zu inszenieren. Gesprochen wird nur in Superlativen: "großartige Musiker", "eine Ehre", "herausragend", "ein Gesangsfels in der Brandung", "eine unfassbar sensationelle Sendung", das sind nur einige der Begriffe, die bereits in den ersten Minuten fallen. Gemeinsam haben sie nur eines: Man kann sie alle getrost verneinen.
Als in der ersten Folge der zweiten Staffel dann zum ersten Mal wirklich Musik ertönt, ist es ausgerechnet der von Dieter Bohlen für Catterfeld geschriebene Hit "Für Dich". Bourani interpretiert ihn nah am Original, schafft es aber, noch eine deutliche Schippe Pathos draufzulegen. Catterfeld verdrückt bereits nach Sekunden die ersten Tränen, der Rest ist "tief berührt".
"Wir räumen mit Vorurteilen auf"
Daniel Wirtz folgt, aber erst, nachdem mehrfach darauf hingewiesen wurde, wie weit diese Art Musik von ihm entfernt sei. Er sei schließlich ein echter Rocker. Zum Beweis ist er von Kopf bis Fuß tätowiert, trägt Trucker-Cap und Vollbart. Wie jeder in Berlin-Mitte, der irgendwas mit Medien macht. Die weichgespülten E-Gitarren in seiner Version des Catterfeld-Songs "Du hast mein Herz gebrochen" klingen dann auch eher, als wolle man nicht riskieren, dass einem der Zuschauer die Schnittchen aus der Hand fallen. Xavier Naidoo sagt dazu: "Wir räumen mit Vorurteilen auf." Stimmt - indem man sie alle bestätigt.
Den Tiefpunkt setzt aber
Hier verlässt keiner die Komfortzone
Das alles wäre gar nicht so schlimm, wenn die Teilnehmer an Naidoos Musiktherapie sich nicht ständig gegenseitig beweihräuchern würden. Wie herausragend das alles hier sei. Eine Versammlung von Ausnahmekünstlern. Die Antwort ist: Es gibt Ausnahmekünstler in Deutschland. In dieser Show findet man sie nicht. Hier verlässt keiner seine Komfortzone. Die Musik ist so erwartet - wie austauschbar. Letzten Endes ist "Sing meinen Song" nur ein weiteres Format mit Prominenten, die etwas verkaufen wollen. Oder ist es Zufall, dass Die Prinzen und Pur nach jahrelanger Abstinenz demnächst auf Tour gehen? Und Daniel Wirtz dringend Publicity braucht, um das nächste Karrierelevel zu erreichen? Natürlich nicht. Musik bleibt im deutschen Fernsehen eine Randerscheinung. "Sing meinen Song" ist der beste Beweis dafür.
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