"Du ahnst nichts Böses und schon bist du im ZDF": Mit dieser eher ungewöhnlichen Begrüßung empfängt ein grinsender Moderator Steven Gätjen einen Buchhändler namens Dennis: den ersten Kandidaten in einer ziemlich kurios erscheinenden neuen Show der Mainzer. Dann spricht Gätjen die Entschuldigungsformel, die dem Format seinen Namen gibt: "Sorry für alles". Was bitte ist da los?
Dennis (40) wurde genau wie Alisa (21), die zweite nichtsahnende Teilnehmerin an diesem Abend, unter einem Vorwand ins vollbesetzte Fernsehstudio gelockt. Unter den Gästen befinden sich Freunde und Familienangehörige, die allesamt vom Sender eingeweiht wurden und sich nun köstlich daran weiden, wie die beiden unfreiwilligen TV-Show-Protagonisten erst mal relativ nervös die Konfrontation mit dieser skurrilen Situation bewältigen. "Was macht ihr hier?", fragt sich ein sichtlich derangierter Dennis, als er sich umblickt und sieht, wer da unter anderem alles auf den Stühlen sitzt.
Nun wäre das für sich noch keine neue Erfindung - Shows, die aus dem Stand ihre verdutzten Kandidaten rekrutieren, hat man schon gesehen. Neu an "Sorry für alles" ist allerdings all das, sich im Vorfeld abspielt: Dennis und Alisa wurden einst bei einem gefakten Casting, zu dem sie freiwillig als Bewerber gegangen waren, ausgehorcht und dann wochenlang mit der versteckten Kamera hinters Licht geführt.
Mit dem Wissen ihres engsten Umfelds und teils unter Mitwirkung von Prominenten wurden sie durch allerlei seltsame Situationen geschickt. Das dabei entstandene Bildmaterial soll den Clou der Sendung darstellen: Die Einspieler bilden die launige Basis für Quizfragerunden. Schließlich gibt es für die mir nichts dir nichts zu Kandidaten gewordenen Otto Normalverbraucher bis hin zur Traumreise oder einem Hochzeitskleid auch einiges zu gewinnen.
Das Quizprinzip geht so:
Schließlich erlebte Dennis unlängst einen denkwürdigen Abend bei Starkoch
So weit, so bieder, muss man leider sagen. Denn was sich in der Ankündigung äußerst aufregend las, vielleicht wie eine perfide, moderne Variante des Prinzips aus dem Oscar-Preisträgerfilm "Truman Show", ist in Wahrheit nur ziemlich gestreckte TV-Unterhaltung mit reichlich 90er-Jahre-Anstrich - ohne Witz und Glamour und ohne jede Relevanz.
Nichts gegen den Ansatz. Die Idee, eben mal in das Leben nichtsahnender Menschen einzugreifen, ist zwar im Grundsatz durchaus fragwürdig, aber in jedem Fall auch spektakulär. In "Truman Show", dem Blockbuster von 1998, ahnt ein Versicherungsangestellter nichts davon, dass er Teil einer Fernsehserie ist - der Mann lebt seit seiner Geburt in einer Kulisse, umgeben von Schauspielern und versteckten Kameras. Als Zuschauer blieb man nachhaltig verblüfft zurück. Der Film hatte vielen vielleicht erstmals die Augen geöffnet, welche Macht digitale und televisionäre Medien eines Tages womöglich haben könnten. Bei "Sorry für alles" hingegen geht der Effekt nie über kleine Schmunzler hinaus. Was in der Natur der Sache liegt ...
Es handelt sich um eine Fernsehshow, die ihren Kandidaten absolut wohlgesonnen ist, etwas anderes wäre schon rein datenschutzrechtlich vermutlich ein Skandal. Hier sind es also nur einzelne Situationen - erlebt und gefilmt in einem Zeitraum von vier Wochen. Alles ganz harmlos, ohne Ecken, Kanten oder tieferen Sinn. Steven Gätjen erklärte im Vorfeld, "Sorry für alles" krempele das Leben der Betroffenen auf freundliche Art und Weise um. Stimmt genau. Aber jede "Quiz Taxi"-Ausgabe war knackiger. Nicht nur Jim Carrey würde das nicht gefallen.
Dem TV-Experiment räumt das ZDF im Sommer zunächst zwei Chancen ein. Am Mittwoch, 7. August, 20:15 Uhr, ging es los. Die zweite "Sorry für alles"-Ausgabe wird am Mittwoch, 14. August, um 20:15 Uhr, ausgestrahlt. (tsch/Frank Rauscher)
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