Seit 25 Jahren ist "Wer wird Millionär?" ein Dauerbrenner im deutschen Fernsehen. Anlässlich des Jubiläums der RTL-Quizshow hat unsere Redaktion mit Eckhard Freise gesprochen. Der Historiker und frühere Professor für Mittelalterliche Geschichte ging Ende 2000 als erster Millionengewinner in die "WWM"-Historie ein.

Ein Interview

Im Interview blickt der 79-Jährige auf seinen großen TV-Moment zurück, nennt die wichtigsten Tugenden, die einen Quizzer auszeichnen – und verrät, wie man ihn sofort zum Schweigen bringt.

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Herr Freise oder möchten Sie lieber mit Prof. Dr. phil. Freise angesprochen werden?

Eckhard Freise: Um Gottes willen – bitte nicht! Ich möchte ganz gerne mit meinem bürgerlichen Namen angesprochen werden, da der Professorentitel einschüchtert. Dieser Titel gehörte an die Tür meines Dienstzimmers und in meinen Briefkopf, wenn ich fachlich angesprochen werde. Außerhalb dieses Zimmers hat der Titel eigentlich nichts zu suchen. Auch auf den akademischen Doktorgrad sollte man meines Erachtens nicht bestehen.

Was die Fernsehsendung "Quizduell-Olmyp" angeht, ist es etwas anderes: Dort hat man mich zum "Quizprofessor" ernannt. Darauf habe ich keinen Einfluss und kann damit leben.

Sobald jemand "Giovanni" sagt, hört der "Quizprofessor" auf zu reden

Übrigens: Sollte ich zu viel reden, unterbrechen Sie mich bitte einfach mit dem Triggerwort "Giovanni". Das habe ich mit meinen "Quizolymp"-Kollegen eingerichtet. Sobald jemand "Giovanni" sagt, höre ich sofort auf zu reden.

Gut zu wissen, aber warum "Giovanni"?

Der frühere Reformpapst, Johannes XXIII. (1881-1963), stand einst vor einem Spiegel und sagte zu seinem Gegenüber: "Giovanni, nimm' dich nicht zu wichtig."

Eine andere Erklärung geht auf die berühmte Wutrede des Fußballtrainers Giovanni Trapattoni zurück, die ja bekanntlich mit den Worten "Ich habe fertig" endete.

Sie selbst bezeichnen sich hin und wieder als "Der Alte vom Quizberge". Was steckt dahinter?

"Der Alte vom Quizberge" steht für meine Form der Selbstironie, die jeden Quizspieler auszeichnen sollte. Ein Quizzer sollte zwei Tugenden mitbringen: Die eine Tugend kommt aus dem Altgriechischen und heißt "Ataraxia" (deutsch: "Unerschütterlichkeit"). Natürlich hält man das nicht durch, aber wenn man es sich vornimmt, kann man schon einiges erreichen.

Die zweite Tugend ist die Herabsetzung seiner selbst (altgriechisch: "Eironeia"). Anders ausgedrückt: Man sollte sich selbst nicht zu wichtig nehmen.

Erster "WWM"-Millionär blickt zurück: "Mir ging es nicht ums Geld"

Wie wichtig war Ihnen das Geld, das Sie im Dezember 2000 bei "Wer wird Millionär?" gewonnen haben? Sie sind – damals noch zu DM-Zeiten – als erster Millionär in die Geschichte dieser TV-Show eingegangen.

Mir ging es nicht ums Geld, meinem Sohn aber schon, weil er einen neuen Computer brauchte (lacht). Ich wollte ihm lediglich das ganze Drumherum dieser Fernsehsendung zeigen, nachdem ich gegen ihn eine Wette verloren hatte.

Als ich dann im Studio saß, empfand ich die Geldsummen zunächst als surreal. Für mich waren es lediglich Gewinnstufen. Spielgeld also, fast so wie bei "Monopoly". Das fällt dann in die Rubrik "Unerschütterlichkeit". Später sagte mir mein Sohn einmal, dass er mit seinen damals 14 Jahren nie geahnt hätte, wie eine solch kleine Entscheidung ein komplettes Leben umkrempeln würde.

Hatte er recht? Wurde Ihr komplettes Leben umgekrempelt?

Aus meiner Sicht nicht. Wir sind so geblieben, wie wir vorher schon waren. Aber natürlich ist mir bewusst, dass ein so hoher Gewinn manch einen aus der Bahn werfen kann. Bei uns war das aber nicht der Fall.

Ich habe bis 2011 meine ordentliche Professur wahrgenommen und im Anschluss noch drei weitere Jahre lang Kurse über Allgemeinbildung an der Uni Wuppertal gegeben. In dieser Zeit hat mich jemand dazu aufgefordert, eine eigene TV-Sendung zu machen. Das war aber kein Thema, weil eine eigene Sendung für mich wie der berühmte Mühlstein bei "Hans im Glück" gewesen wäre: Wenn man da hinterherspränge, würde man ersaufen.

Mit Ihrem Gewinn haben Sie bewiesen, dass man bei "Wer wird Millionär?" tatsächlich Millionär werden kann. Sind Ihnen Günther Jauch und Co. bis heute dankbar dafür?

Zunächst einmal schätze ich Günther Jauch sehr, er hat eine unglaublich hohe Sozialintelligenz. Als ich damals im Studio ankam, wirkten viele Leute hinter den Kulissen sehr nervös. Man muss dazu sagen: Gegenüber vom TV-Studio stand der mit Stacheldraht abgezäunte "Big Brother"-Container – damals ein Erfolgsformat. Einige äußerten mir gegenüber die Sorge, dass "Wer wird Millionär?" eingestellt werden könnte.

Ich habe dann eine Prognose abgegeben und gesagt: "Ihr seid noch mindestens zehn Jahre lang auf Sendung, während der 'Big Brother'-Container gegenüber schon bald wieder abgerissen wird." Ich war mir sicher, dass die Million zeitnah fallen würde. Dass ich derjenige sein würde, dem das gelingen sollte, war hingegen reiner Zufall.

"Wer wird Millionär?" wird seit nunmehr 25 Jahren ausgestrahlt, das "Dschungelcamp" ist mittlerweile dazu- und "Big Brother" wieder zurückgekommen. Wie häufig wurden Sie bereits angefragt?

Offizielle Anfragen der Sender hat es bisher nicht gegeben, Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen sowie Leuten aus der Medienbranche aber schon.

Immer wenn ich gefragt werde, ob ich ins "Dschungelcamp" gehen würde, antworte ich: "Na, klar würde ich in den Dschungel gehen, aber nur wenn Angela Merkel und Günther Jauch mitgehen." Das bezeichnet man im Übrigen als ein verklausuliertes Nein.

"Im Prinzip war Schiller der erste Quiz-Moderator Deutschlands"

Bedauern Sie manchmal, dass Sie die Öffentlichkeit eher mit Quizshows in Verbindung bringt als mit Ihrer Arbeit als Professor?

Beides ist legitim. Die Tatsache, dass ich mit Quiz in Verbindung gebracht werde, ist nicht zu löschen. Und das ist auch nicht schlimm. In anderen Ländern, etwa in Indien, sind Quiz-Millionäre Volkshelden. An dieser Stelle verweise ich auf den Oscar-prämierten Film "Slumdog Millionär". Quiz ist eigentlich die gut gelaunte Parodie der Gesellschaft auf ihr eigenes Wissen.

Dazu habe ich eine kleine Anekdote: Friedrich Schiller war Intendant am Nationaltheater in Mannheim und spielte dort seine eigenen Stücke. Da in den Pausen bekanntlich immer die Gefahr besteht, dass das Publikum wegrennt, ließ er zur Überbrückung Scherz- und Wissensfragen vorlesen. Es gab sogar kleine Gewinne für richtig beantwortete Fragen. Im Prinzip war Schiller demnach der erste Quiz-Moderator Deutschlands.

Knapp ein Jahr nach Ihrem Millionengewinn wurde Ihnen ein Intelligenzquotient von 132 bescheinigt. Macht Ihnen das selber ein bisschen Angst?

Nein, zumal ich das gerne richtig einordnen möchte: Es war eine Fernsehsendung ("Der große IQ-Test"; Anm. d. Red.). In einem regulären Mensa-IQ-Test kann man sich die Zeit selber einteilen, im Fernsehen hingegen läuft die Uhr ab. Über einige Fragen hätte ich gerne länger nachgedacht.

Aber spricht diese Tatsache nicht umso mehr für Sie?

Einigen wir uns darauf: 132 ist in Ordnung. Sonja Zietlow ist zum Beispiel genauso schlau, auch Dirk Bach kam meines Wissens mal auf 130. Bei einem IQ-Test schwingt aber immer die Frage mit, wie gut man geschlafen, gegessen und sich in dem Moment gefühlt hat. Es gibt da große Schwankungen.

Bei welchen Themengebieten tun Sie sich schwer?

Ich bin ein Kandidat des älteren Wissens, werde noch in diesem Jahr 80. Da kommt natürlich so einiges an Wissen herum. Kommen jedoch Fragen zu Lifestyle, Mode und Co. auf, kann ich nur versuchen, intelligent zu raten.

Sind Sie ein guter oder ein schlechter Verlierer?

Ich glaube, dass ich ein guter Verlierer bin. Im "Quizduell-Olmyp" kommt es nicht selten vor, dass ich verliere – teilweise altersbedingt, denn die Löcher auf der Gedächtnis-Festplatte sind erkennbar.

Wenn man in fünf bis zehn Sekunden eine Frage beantworten muss, fehlt die denkerische Vorlaufzeit. Natürlich kann ich immer etwas herleiten, manchmal grandios falsch und manchmal grandios unterhaltsam. Ich muss dazu sagen, dass ich im Sinne des Quiz-Liebhabers ein Amateur bin. Ich bin kein Mitglied im deutschen Quizverein, denn die betreiben das sportiv.

Bei "Wer wird Millionär?" haben Sie damals gewusst, dass Tenzing Norgay 1953 neben Edmund Hillary auf dem Gipfel des Mount Everest stand. Heute sitzen Sie im TV regelmäßig auf dem "Quizduell-Olymp". Wo kann es für Sie noch hingehen – nicht zuletzt mit Blick auf Ihren runden Geburtstag im November?

Im menschlichen Leben gibt es einen Aufstieg und einen Abstieg. Letzterer ist der beschwerlichere Teil. Sich auf diesem Weg seine heitere Gelassenheit zu bewahren, ist die Herausforderung, der auch ich mich stelle.

Meine Physiotherapeutin hat kürzlich zu mir gesagt: "So, Herr Freise, jetzt müssen wir Sie auf die 90 vorbereiten." Was die runden Geburtstage angeht: Eigentlich bin ich dagegen, solche Tage aufwendig zu feiern. Die Familie macht es aber trotzdem – und dem muss ich mich fügen.

"Vielfaltsbesen" statt "Einfaltspinsel": Wie Freise auf einen Shitstorm reagierte

Sie sind es gewohnt, Fragen zu beantworten. Welche Frage dürfte man Ihnen nie stellen?

Grundsätzlich hat jede Frage ihre Berechtigung – auch wenn sie noch so gemein oder hinterlistig ist. Spontan fällt mir keine Frage ein, die ich in meinem Leben kategorisch abgelehnt habe. Vielleicht bin ich auch zu harmlos, sodass mir nie gemeine Fragen gestellt worden sind.

Ich bin aber mal in einer Live-Sendung von Sandra Maischberger ein bisschen provoziert worden und habe zum Thema "Opern" gesagt: "Ich hasse Wagner." Das hat mir einen riesigen Shitstorm eingebracht. Empörte "Wagnerianer" haben mich daraufhin als "Einfaltspinsel" bezeichnet. Ich habe entgegnet, dass ich ein "Vielfaltsbesen" sei.

Giovanni!

Normalerweise würde ich jetzt aufhören zu reden, aber diese Anekdote hat eine Pointe. In der besagten "Maischberger"-Sendung saß nämlich auch Jörg Pilawa (ehemaliger "Quizduell"-Moderator; Anm. d. Red.). Drei Tage später rief er mich an und fragte mich, ob ich bei einem neuen Quizformat namens "Die drei Stufen" mitmachen würde. Die Kandidatinnen und Kandidaten sollten mit der Beantwortung von Fragen Stufen hinaufklettern. Irgendwann sagte ich: "Ich komme mir hier vor wie auf dem Olymp." Irgendwie ist das hängengeblieben.

Über den Gesprächspartner:

  • Eckhard Freise ist ein deutscher Historiker und Quizspieler, der im Dezember 2000 als erster Millionengewinner der RTL-Sendung "Wer wird Millionär?" Geschichte geschrieben hat. Der in Erfurt geborene und in Münster lebende 79-Jährige promovierte 1979 und lehrte bis zu seinem Ruhestand als Professor Mittelalterliche Geschichte am Historischen Seminar der Bergischen Universität Wuppertal. Seit März 2016 ist Freise fester Bestandteil der mittlerweile von Esther Sedlaczek moderierten ARD-Sendung "Quizduell-Olymp".
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