• Das 9-Euro-Ticket gilt nur bis Ende August.
  • Der Verband der Verkehrsunternehmen hat deshalb eine Nachfolgelösung vorgeschlagen.
  • Diese wäre aber deutlich teurer.

Mehr Wirtschaftsthemen finden Sie hier

In der Debatte um die Zukunft des 9-Euro-Tickets hat sich der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) mit der Forderung nach einer Anschlusslösung für monatlich 69 Euro zu Wort gemeldet. Es sollte weiterhin eine einheitliche Flatrate für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in ganz Deutschland geben, erklärte der VDV zu seiner Idee eines sogenannten Klimatickets. Auch aus Reihen von Grünen und SPD kamen Forderungen nach einer Nachfolgeregelung.

VDV-Geschäftsführer Oliver Wolff forderte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Freitag eine zügige Klärung. "Das muss schnell entschieden werden, wir können nicht bis zum Herbst warten", sagte er. Sein Verband schätzt die Kosten für das von ihm vorgeschlagene 69-Euro-Ticket auf etwa zwei Milliarden Euro im Jahr. Zur Finanzierung brachte Wolff in der "FAZ" die Idee eines staatlichen Sondervermögens wie für die Bundeswehr ins Spiel.

Verkehrsunternehmen schlagen 69-Euro-Ticket vor

In Deutschland gibt es derzeit für drei Monate das 9-Euro-Ticket für alle Fahrten im Nah- und Regionalverkehr. Es ist Bestandteil des ersten Entlastungspakets der Regierung in Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Es läuft Ende August aus. Zur Kompensation von Einnahmeausfällen im Ticketverkauf überweist der Bund den Ländern für diesen Zeitraum 2,5 Milliarden Euro.

Aufgrund der Resonanz der Bürgerinnen und Bürger gilt das 9-Euro-Ticket als Erfolg. Im Juni nutzten bundesweit nach Angaben des VDV 31 Millionen Menschen den günstigen Tarif. Darunter waren zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten normaler Fahrscheine, die den niedrigen Preis automatisch erhalten.

Verschiedene Ideen als Nachfolgelösung für 9-Euro-Ticket

Bereits seit Wochen läuft eine Debatte über eine mögliche Verlängerung des Angebots oder eine ebenfalls verbilligte Nachfolgeregelung. Dazu gibt es unterschiedliche Vorschläge. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen warb kürzlich für ein 29-Euro-Ticket, um durch steigende Preise belastete Haushalte zu entlasten und die geplante Verkehrswende zu unterstützen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach sich jüngst wiederholt für ein dauerhaftes bundesweit gültiges Nahverkehrsticket aus, das die bisherigen regionalen Tarifzonen ablöst. Ob der Bund den Länder dafür dauerhaft Geld zuschießen könnte, ließ der Verkehrsminister aber offen.

Grünen-Chefin Ricarda Lang signalisierte Unterstützung für eine Anschlussregelung. "Es braucht eine Anschlussregelung, die wie vom Bundesverkehrsminister vorgeschlagen möglichst bundeseinheitlich gilt und dabei günstig ist, also auch sozial", sagte sie der "FAZ". Dabei müsse die Bundesregierung allerdings gleichzeitig zwei Ziele erreichen: Sie wolle günstige Tickets anbieten und zugleich in die Infrastruktur investieren.

Sylt und das 9-Euro-Ticket: Partytouristen stürmen die Insel

Bei gutem Wetter und mit dem 9-Euro-Ticket stürmen Partytouristen die beliebte Urlaiubsinsel Sylt. Am Strand ist die Polizei als Party-Crasher unterwegs.

FDP-Vizefraktionschefin: "Tiefgreifende Reformen" nötig

SPD-Vizebundestagsfraktionschef Detlef Müller forderte Wissing und die Länderverkehrsminister auf, bis Herbst einen Vorschlag zur dauerhaften Finanzierung eines günstigen Tickets vorzulegen. "Ob das Anschlussticket dann 39, 49 oder 69 Euro kostet, ist zweitrangig", sagte Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es müsse aber in einem Rahmen liegen, der "psychologisch wirkt" und zum Umstieg vom Auto motiviere. Das Ticket dürfe außerdem keinesfalls Ausbau und Betrieb des Nahverkehrs beeinträchtigen.

FDP-Vizefraktionschefin Carina Konrad sprach am Freitag von einer "Chance" zur Verbesserung des "vernachlässigten ÖPNV". Allerdings müsse die geplante Evaluierung des 9-Euro-Tickets zunächst zeigen, welche Folgelösungen "auch wirklich seriös in Frage kommen", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Spürbare Verbesserungen bräuchten "tiefgreifende Reformen".

Fahrgastverband und Bundesregierung äußern sich zurückhaltend

Zurückhaltend äußerte sich auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Das vom VDV ins Spiel gebrachte 69-Euro-Ticket sei im Grundsatz begrüßenswert, sagte dessen Ehrenvorsitzender Karl-Peter Naumann der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" vom Samstag. Eine Tarifmaßnahme allein reiche aber nicht. Notwendig seien ein deutlicher Ausbau des Nahverkehrsangebots im ländlichen Raum sowie ein verbilligtes Angebot für einzelne Tagestickets.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte den Vorschlag des VDV als zu teuer. Um Haushalte finanziell zu entlasten und wirtschaftliche Anreize für einen Umstieg auf Bus und Bahn zu setzen, dürfe ein Ticket nicht mehr als einen Euro am Tag kosten, erklärte Greenpeace in Hamburg.

Das Verkehrsministerium reagierte ebenfalls zurückhaltend. Ein Sprecher von Ressortchef Volker Wissing sagte am Freitag, es gebe ein verabredetes Verfahren, wonach im Herbst Ergebnisse einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Zukunft und Finanzierung des ÖPNV vorliegen sollen.

Grüne begrüßen Debatte

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), es sei gut, dass die Diskussion voranschreite. "Das Verkehrsministerium ist nun an der Reihe, einen konkreten Vorschlag auf den Tisch zu legen, verbunden mit einem plausiblen Finanzierungsvorschlag. Dann kann rasch eine Entscheidung gefällt werden."

In diesem Zusammenhang befeuerte die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz und Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) erneut die Debatte rund um die Erhöhung der Regionalisierungsmittel. Das sind die Gelder, die der Bund jedes Jahr den Ländern zur Finanzierung des ÖPNV bereit stellt. Der FDP-Politiker Wissing hatte mehrfach deutlich gemacht, er wolle erst über Reformen im Nahverkehr sprechen und dann über Finanzierungsfragen. Die Organisation des ÖPNV liege bei den Ländern.

"Ohne eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel ist davon auszugehen, dass die regulären Ticketpreise im kommenden Jahr stark erhöht werden müssten, weil die stark gestiegenen Energiekosten die Kalkulationen der ÖPNV-Anbieter völlig über den Haufen werfen", sagte Schaefer der "Welt am Sonntag". "Das wollen wir unbedingt vermeiden. Es wäre schlichtweg das falsche Signal, in der Klima- und Energiekrise die Ticketpreise für den ÖPNV zu erhöhen."

Interessenverband "Allianz pro Schiene" für VDV-Vorschlag

SPD-Fraktionsvizechef Detlef Müller plädierte im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ebenfalls für eine Nachfolgeregelung. "Ob ein Anschlussticket dann 39, 49 oder 69 Euro kostet, ist zweitrangig", sagte er. "Es muss aber in einem Rahmen sein, der psychologisch wirkt und sich für Menschen lohnt, ihr Auto stehen zu lassen."

Der Interessenverband "Allianz pro Schiene" befürwortete derweil den Vorschlag des VDV. "Das ist der richtige Ansatz", schrieb Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege auf Twitter. "Eine Flatrate für den Nahverkehr in ganz Deutschland. Wichtig: unmittelbar im Anschluss an das 9-Euro-Ticket und ermäßigte Sozialtickets mitgedacht."

Der Verband Mofair, in dem vor allem die Wettbewerber der Deutschen Bahn organisiert sind, äußerte sich auf Twitter ähnlich wie Naumann. Es müsse nicht nur ein günstiges Ticket, sondern auch eine gute Infrastruktur geben. (AFP/dpa/okb)

Arbeitsminister Heil kündigt deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Sätze an

In der Debatte über weitere Entlastungen wegen der hohen Inflation dringt Arbeitsminister Hubertus Heil darauf, nur Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu unterstützen. "Weil die staatlichen Möglichkeiten nicht unendlich sind, geht es um gezielte Entlastungen", sagte der SPD-Politiker. "Ich sehe keinen Spielraum, Menschen mit hohen Einkommen zu entlasten." (Foto: IMAGO/photothek/IMAGO/Florian Gaertner/photothek.de)


  © AFP

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.