Vielerorts sind die Eigenheimpreise rasant gestiegen, in einigen Städten gibt es spekulative Überbewertungen – da sind sich Ökonomen einig. Diese Entwicklung befeuert die Debatte um eine Immobilienblase. Analysten sehen vor allem zwei deutsche Großstädte extrem gefährdet. Und auch das Umland von sogenannten Schwarmstädten gerät in den Sog der Preisspirale.

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Die Immobilienpreise kennen seit Jahren nur eine Richtung: nach oben. Dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) zufolge verteuerten sich auch im dritten Quartal 2018 die Preise für Wohnimmobilien. Deutschlandweit stiegen sie um 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im ersten Quartal 2018 verzeichneten die Analysten sogar die höchste Wachstumsrate seit Beginn der Betrachtung im Jahr 2003.

Zu ähnlichem Ergebnis kommt das empirica institute. Demnach schossen auch im dritten Quartal die Preise von Kaufobjekten weiter nach oben. So stiegen sie bei den Eigentumswohnungen in den sieben wichtigsten deutschen Städten gegenüber dem Vorjahresquartal nochmals um 11,9 Prozent. Betroffen sind München, Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Berlin.

In den sogenannten B-Städten – also Großstädten mit nationaler und regionaler Bedeutung wie Bonn oder Fulda – betrug der Anstieg ganze acht Prozent.

Niedrigzinsen steigern die Nachfrage

Neben der viel zitierten "Flucht in Betongold" treiben vor allem die extrem niedrigen Zinsen und ein Mangel an rentablen Anlage-Alternativen die Nachfrage nach Immobilien nach oben.

Zugleich hält der Neubau mit der Nachfrage nicht Schritt. Gerade in Großstädten wie München werden den Experten zufolge noch immer zu wenige Wohnungen gebaut.

Die Sorge, dass in einigen deutschen Zentren eine Immobilienblase* entstanden sein könnte oder vielen eine droht, ist daher groß. Experten sehen sich an die weltweite Finanzkrise 2008/2009 erinnert. Diese hatte ihren Ausgangspunkt auf dem US-Immobilienmarkt, wo die Preise nach jahrelangem Boom kollabierten.

Entsprechend warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) unlängst vor der potenziellen Gefahr. Der Preisanstieg bei Immobilienpreisen habe in Deutschlands "dynamischsten Städten eine genaue Beobachtung verdient", hieß es in einem IWF-Länderbericht.

Die Schweizer Großbank UBS hat 2018 ein weltweites Ranking angefertigt. Nach dieser Auswertung sind die realen Immobilienpreise in den sieben internationalen großen Städten, die sich im Blasenbereich befinden, seit 2011 um durchschnittlich 50 Prozent gestiegen.

Für Deutschland sieht die Schweizer Bank vor allem zwei Großstädte von einer Immobilienblase gefährdet: München und Frankfurt. München rangiert im weltweiten Vergleich sogar knapp hinter Hongkong auf Platz zwei, Frankfurt auf Platz zehn.

Selbst London und New York sind weniger gefährdet, als die bayerische Landeshauptstadt, wie folgende Grafik zeigt:

Quadratmeterpreise explodieren

In München haben sich die Preise demnach in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Allein im vergangenen Jahr seien Mieten und Hauspreise um neun Prozent gestiegen.

Eine 60 Quadratmeter große Wohnung koste im Schnitt acht Jahresgehälter eines Facharbeiters. Vor zirka zehn Jahren seien es noch vier Jahresgehälter gewesen.

Im internationalen Mieten-Kaufen-Vergleich liegt München auf Platz vier des UBS-Ranking. Demnach dauert es etwa 35 Jahre, um mit einem Mietkauf eine gleichwertige Wohnung zu finanzieren. 2008 waren es 25 Jahre.

Wie die Analysten von empirica schreiben, hat München bei den neugebauten Eigentumswohnungen im dritten Quartal 2018 erstmals die Marke von durchschnittlich 8.000 Euro je Quadratmeter geknackt.

In Frankfurt am Main ist die Lage ähnlich kritisch. Der UBS zufolge sind die Häuser- und Wohnungspreise im vergangenen Jahr um satte 15 Prozent gestiegen. In einigen Stadtteilen hätten sie sich in den letzten zehn Jahren sogar mehr als verdoppelt. Im Schnitt kostet der Quadratmeter für eine Eigentumswohnung 5.300 Euro.

Für Frankfurt, so die UBS-Analysten, gebe es zwar keine akute Blasengefahr – allerdings würden die Ungleichgewichte zunehmen. Die Preise hätten auf Jahressicht um 15 Prozent zugelegt.

Städte-Ranking: München immer vorne

München ist im empirica-Immobilien-Ranking (drittes Quartal 2018) die teuerste Stadt Deutschlands bei den Mieten, bei den Eigentumswohnungen und bei den Ein- und Zweifamilienhäusern.

Allerdings schreiben die Analysten in Bezug auf Ein- und Zweifamilienhäuser auch: "Eigenheime in den teuren Städten sind rar und die wenigen Angebote sehr heterogen; Preistrends dürfen daher nicht überinterpretiert werden."

Weltweit 20 Städte im Blasenbereich

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Lage am Immobilienmarkt ähnlich kritisch wie die Analysten der UBS und empirica.

In einer im Juli diesen Jahres veröffentlichten Studie halten die Experten eine bundesweite Immobilienblase zwar für unwahrscheinlich, allerdings sehen sie "in den großen Städten wie Berlin, München oder Hamburg (…) durchaus Entwicklungen, die auf eine Preisblase schließen lassen", erklärte Konstantin Kholodilin, Ko-Autor der Studie.

Gegen eine deutschlandweite breite Preisblase spricht laut DIW aber vor allem die relativ geringe Verschuldung der Haushalte und die solide Finanzierung. In Großbritannien, Portugal und Schweden halten die Forscher Preisblasen hingegen für wahrscheinlich.

"Die Gefahr, dass wieder Immobilienpreisblasen entstehen, die in eine neue weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise münden können, ist real", sagte DIW-Immobilienökonom Claus Michelsen. Die Regulierung der Finanzmärkte sei nicht so weit fortgeschritten wie nach der globalen Finanzkrise ab 2007 erhofft.

Das Forschungs- und Beratungsinstitut empirica sieht eine Blasengefahr dagegen auch außerhalb der sogenannten Schwarmstädte** wie München. Gesunkene Bruttorenditen in den attraktiven Schwarmstädten würden immer mehr Anleger ins Umland sowie in scheinbar noch unterbewertete Städte treiben, warnt das Unternehmen.

Es sei gefährlich, wenn wachstumsschwache Regionen in den Fokus von Investoren gerieten. Bei platzenden Preisblasen drohten Leerstände – besonders dort, wo Neubauten entstünden.

BaFin will notfalls einschreiten

Auch der Finanzaufsicht BaFin bereitet der generelle Trend Sorgen. "Die Immobilienpreisentwicklung ist beunruhigend", sagte Bafin-Präsident Felix Hufeld dem "Handelsblatt".

Die BaFin wolle einschreiten, sollten die Preise weiter steigen und es zu einem übermäßigen Kreditwachstum kommen, schreibt das "Handelsblatt". Banken könnten dann aufgefordert werden, Extra-Kapitalpuffer für Immobilienrisiken anzulegen.

Hinweise:

In ihrem UBS Global Real Estate Bubble Index analysiert die Bank das Risiko einer Preisblase an fünf Kriterien: Preis-Einkommens-Verhältnis, Preis-Miet-Verhältnis, Veränderungen im Verhältnis von Hypotheken zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), Veränderungen in der Bautätigkeit gemessen am BIP und Stadt-Land-Preisindikator.

Die empirica-Analyse basiert auf mehr als zwei Millionen Inseraten (von mehr als 100 Anzeigenquellen).

Infos:

*Eine Immobilienblase ist eine Art der Spekulationsblase. Spekulative Übertreibungen lassen die Preise für Häuser und Grundstücke überdurchschnittlich steigen. Kommt es schließlich zum Crash, erleiden die Objekte einen drastischen Preisverfall.

**Nach der Definition von Harald Simons ist eine Schwarmstadt eine Stadt mit überdurchschnittlichen Zuwanderungsraten.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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