Der private Konsum wird zur treibenden Kraft für das Wirtschaftswachstum: Im kommenden Jahr könnte das BIP um 1,3 Prozent zulegen. Davon geht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus. Risiken aber bleiben – und sie sind hausgemacht.

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Wenn am heutigen Freitagabend um 21:00 Uhr die Fußball-EM im eigenen Land beginnt, werden Millionen Deutsche mit der DFB-Elf mitfiebern. Doch einen allzu großen wirtschaftlichen Impuls für die Konjunktur bringt das Großereignis wohl nicht. "Die EM hellt sicherlich die Stimmung der Konsumenten auf", sagt Geraldine Dany-Knedlik, Konjunkturchefin des DIW Berlin. Dass der Fußball aber das Wirtschaftswachstum antreibt – davon sei nicht auszugehen.

Es bleibt in diesem Jahr also bei einem Mini-Plus: Die Ökonominnen und Ökonomen des DIW rechnen mit einem Wachstum von 0,3 Prozent. Im nächsten Jahr berappelt sich die Wirtschaft weiter. Dann steht ein Plus von 1,3 Prozent in Aussicht. Das ist die zentrale Einschätzung in der neuen Konjunkturprognose des DIW, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde.

Mehr Geld für Arbeitnehmer stärkt Konsum

Dass der Aufschwung im Laufe des Jahres Fahrt aufnimmt, hat vor allem einen Grund: Der private Konsum – also das, was Verbraucher ausgeben – zieht an und treibt das Wachstum. "Für den privaten Haushalt stehen alle Zeichen auf grün", sagt DIW-Konjunkturexpertin Dany-Knedlik. Das hat mit hohen Tarifabschlüssen zu tun, wodurch viele Arbeitnehmer auch real mehr Geld zur Verfügung haben.

Außerdem sinkt die Inflationsrate, wodurch sich die Preisdynamik abschwächt. Eine sinkende Inflationsrate heißt allerdings nicht, dass die Preise sinken. Es bedeutet lediglich, dass sie nicht mehr ganz so schnell steigen.

Auch der Außenhandel erholt sich. Für die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft ist das sehr wichtig. Weltweit nimmt die Industrieproduktion zu, die Nachfrage nach deutschen Produkten steigt damit. Und: Die Zentralbanken sind dabei, die Zinswende einzuläuten. Sinkende Zinsen bedeuten, dass Unternehmen günstiger Kredite für Investitionen aufnehmen können. Zuletzt hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins abgesenkt.

Risiken für die konjunkturelle Entwicklung sieht das DIW in der Geldpolitik der Frankfurter Währungshüter. Die sei – trotz der letzten Zinssenkung – "weiterhin bremsend", wie DIW-Chef Marcel Fratzscher vor Journalisten sagt. "Wir gehen davon aus, dass die Geldpolitik restriktiv bleibt." Denn: Der aktuelle Zins in der Eurozone (3,75 Prozent) liege über dem "neutralen Zins" – darunter verstehen Ökonomen den Zinssatz, der die Konjunktur weder antreibt noch abbremst. Liegt der Zinssatz über der neutralen Schwelle, dämpft dies das Wachstum.

Auch die Finanzpolitik trägt aus Sicht des DIW nicht dazu bei, die Konjunktur zu stützen – eine Kritik, die sich an die Bundesregierung und allen voran an Finanzminister Christian Lindner (FDP) richtet. "Eine expansive Finanzpolitik wäre notwendig, um den wirtschaftlichen Aufschwung zu unterstützen", sagt Fratzscher. Schon der Haushalt 2024 bremse die Wirtschaft. Die massiven Einsparungen im Bundeshaushalt 2025 dürften dies noch verstärken, so die DIW-Einschätzung.

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Bis zu 50 Milliarden Euro fehlen der Bundesregierung, um den Etat für 2025 zu beschließen. Die Koalition treibt das auf den nächsten Konflikt zu: Während SPD und Grüne am liebsten mehr Kredite aufnehmen würden, pocht die FDP auf Haushaltsdisziplin – und verweist auf die Schuldenbremse, die in der Verfassung verankert ist. Die DIW-Experten sehen das kritisch. "Die Schuldenbremse ist zu einem erheblichen wirtschaftlichen Problem für Deutschland geworden", sagt DIW-Chef Fratzscher.

Deutschland hinkt Euroraum hinterher

Auch innerhalb der Eurozone hinkt die deutsche Volkswirtschaft hinterher. Im Währungsraum liegt das prognostizierte Wachstum in diesem Jahr bei 0,8 Prozent, im nächsten bei 1,5 Prozent – und damit über den Werten der Bundesrepublik.

Für Deutschland kommt erschwerend hinzu, dass das Potenzialwachstum in den kommenden Jahren auf 0,5 Prozent absinkt. Diese Größe beschreibt, welches Wachstum möglich ist, wenn die Wirtschaft normal ausgelastet ist. Ein Grund für das absinkende Potenzialwachstum ist der demografische Wandel; der deutschen Volkswirtschaft gehen die Arbeitskräfte aus. "Das zeigt, wie wichtig Zuwanderung ist", sagt DIW-Ökonom Fratzscher.

Ein Lichtblick ist aus Sicht der Forscherinnen und Forscher der Arbeitsmarkt: Die Beschäftigung bleibe weiter hoch.

Neben dem DIW haben auch andere führende Institute in dieser Woche ihre Konjunkturprognose vorgelegt. Das IfW Kiel rechnet mit einem Wachstum von 0,2 Prozent in diesem Jahr (2025: 1,1 Prozent). Das RWI geht von 0,4 Prozent und 1,5 Prozent Wachstum aus. Die Stoßrichtung aller Ökonomen ist somit klar: Langsam, aber sicher hellt sich die wirtschaftliche Lage auf.

Verwendete Quellen

  • Pressekonferenz des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
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