• Deutschland soll Flüssiggas aus Katar bekommen. Vertraglich ist das bis mindestens 2041 vereinbart.
  • Wirtschaftsminister Robert Habeck war bereits im Frühjahr nach Katar gereist – damals ohne Erfolg.
  • Wieso klappt es nun doch? Wie groß sind die Liefermengen? Sinken die Gaspreise dadurch für die Verbraucher? Und was bedeutet das für den Umgang mit dem umstrittenen Golfstaat?
  • Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wenn man in den letzten Wochen von Katar hörte, dann meist im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft. Unlängst hat aber auch eine andere Nachricht das Land wieder in den Fokus gerückt: Das Emirat wird Flüssiggas (liquefied natural gas - LNG) an Deutschland liefern. Ab 2026 und für mindestens 15 Jahre.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist seit Beginn des russischen Angriffskrieges händeringend auf der Suche nach alternativen Gaslieferanten, um die russischen Liefermengen zu ersetzen. Vor Kriegsbeginn beliefen sie sich auf etwa 500 Terawattstunden pro Jahr.

Der jetzige Vertrag wurde allerdings nicht mit deutschen Firmen geschlossen, sondern zwischen den Katarern und dem US-amerikanischen Konzern ConocoPhillips. Dieser handelt mit LNG und ist an katarischen Gasfeldern beteiligt, aus denen jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Gas per Schiff nach Deutschland kommen sollen. Die über die Amerikaner eingekaufte Liefermenge beträgt umgerechnet etwa 30 Terawattstunden – rund drei Prozent des jährlichen Verbrauchs in Deutschland und weniger als ein Fünfzehntel der fehlenden Menge.

Habeck war im Frühjahr nach Katar gereist und verstand sich dabei als "Türöffner" für deutsche Konzerne, denn der Staat selbst will kein Gas einkaufen. Laut Medienberichten sollen aktuell auch noch Gespräche direkt zwischen dem Golfstaat und den deutschen Konzernen RWE und Uniper laufen.

Billiger wird es damit nicht

Was bedeutet das Flüssiggas aus Katar für den deutschen Verbraucher? "Billiger wird das Gas dadurch nicht – die Lieferungen beginnen erst 2026", erklärt Energieexperte Volker Quaschning. Für die kommenden beiden Winter, in denen die Mangellage am bedeutendsten sein dürfte, kommt das LNG also zu spät.

"Wenn es jetzt Entlastungen bei den Preisen gibt, dann wegen des Gaspreisdeckels auf 12 Cent pro Kilowattstunde", sagt Quaschning. Langfristig belaste dies aber die künftige Generation: "Das ist eine subventionierte Maßnahme, unsere Kinder werden es ausbaden und zurückzahlen müssen."

Erst, wenn die Knappheit vorbei sei, werde Gas wieder billiger werden. "Es ist nicht absehbar, dass wir noch Gas aus Russland bekommen. Die Gasspeicher sind jetzt voll und wir kommen über den Winter. Aber im nächsten Jahr werden wir sie füllen müssen und anderen Ländern das Gas für viel Geld wegkaufen müssen", sagt er.

Preiserholung frühestens ab 2024

Eine Preiserholung könne man erst in zwei bis drei Jahren erwarten. Allerdings nicht auf Vor-Krisen-Niveau: Allgemein ist LNG im Vergleich zum bislang bezogenen russischen Pipeline-Gas teurer. Beobachter rechnen nach dem Ende der akuten Krise mit etwa doppelt so hohen Preisen wie vor dem Angriffskrieg. Konkret würde das bedeuten, dass sich die Preise etwa bei 12 Cent pro Kilowattstunde einpendeln.

"Die nun bezogene Menge an Gas aus Katar ist relativ klein, es geht vor allem darum, die Gasimporte auf mehrere Schultern zu verteilen", sagt Quaschning weiter. Man wolle eine Abhängigkeitssituation, wie sie in Bezug auf Russland bestand und zum Teil noch bestehe, vermeiden. "Deutschland ist aber auch sehr abhängig von den USA", meint er. Gas aus Katar zu beziehen könnte an andere Länder auch das Signal sein: "Schaut, wir können auch anders" und in diesem Sinne "erzieherisch" für Lieferländer wirken.

Was aber bedeuten die Lieferungen aus Katar für den Umgang mit dem Emirat? Die Menschenrechtssituation in Katar steht immer wieder massiv in der Kritik. "Ich glaube nicht, dass es Konsequenzen für den Umgang mit Katar geben wird", meint Quaschning. Eine Woche vor dem Deal hätte Habeck noch gesagt, er würde als Fußballspieler mit der One-Love-Binde auflaufen. "Die Menschenrechte spielten bei dem Deal keine Rolle, sondern knallharte wirtschaftliche Interessen", meint er.

Die Regierung denke offenbar, dass es der Bevölkerung wichtiger sei, billiges Gas zu bekommen, als moralisch einwandfreie Deals abzuschließen. "Allerdings kann man nicht auf der einen Seite von Klimaschutz und anderer Außenpolitik tönen und dann unkommentiert solche Deals machen", findet Quaschning. Damit hat die Ampel-Koalition aus seiner Sicht viel Glaubwürdigkeit verspielt.

Er gibt aber auch zu: "Es gibt andere Gaslieferanten, aber man muss schon fairerweise sagen, dass Habeck die Länder, die kurzfristig große Mengen liefern können, abgeklappert hat." Langfristig müsse Deutschland aber einen anderen Weg gehen.

Problematisch für den Klimaschutz

Aus strategischer Sicht Deutschlands sei es zwar sinnvoll, so viele Eisen wie möglich im Feuer zu haben, man dürfe aber seine Werte nicht verraten und müsse mehr über den Ausbau von Solar- und Windenergie sprechen. "Was uns aus dem Gas-Dilemma herausholt, sind die erneuerbaren Energien", so Quaschning.

Vor diesem Hintergrund kritisiert er die Verträge scharf: "Der Deal bindet uns vertraglich bis 2041. Eigentlich müssen wir aber in den 2030er-Jahren klimaneutral werden, wenn wir das Pariser Klimaabkommen einhalten wollen." Mit dem Deal manifestiere die Regierung, dass sie offenbar selbst nicht an die Ziele glaube. "Die Nutzung fossiler, klimaschädlicher Energien so abzusichern, dass man da außer mit viel Geld nicht mehr rauskommt, ist problematisch", meint er.

Der Liefervertrag zwischen Katar und den Amerikanern läuft mindestens 15 Jahre - also bis zum Jahr 2041. Bislang hieß es, das Emirat fordere für Investitionen in zusätzliche Gaskapazitäten Lieferverträge über mindestens 20 Jahre. Das wäre über das Jahr 2045, also den Zeitpunkt hinaus, zu dem die Bundesregierung eigentlich klimaneutral wirtschaften will. Eine Nutzung von Erdgas zur Energiegewinnung steht dem entgegen.

Vertrag bindet bis 2041

"Das ist eine Entscheidung, die wir Ende der 2030er-Jahre bitter bereuen werden", prognostiziert Quaschning daher. Es sei nicht verantwortbar, derartige Verträge für einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren zu schließen. Bei kürzeren Laufzeiten würde es natürlich teurer, das sei aber unter Umständen die bessere Alternative. "Bei Russland haben wir auch gedacht, die langen Verträge seien super. Wir haben aus dieser Fehlentscheidung offenbar nicht gelernt", sagt er.

Auch für Yvonne Blos, Expertin für internationale Klimapolitik, sind die Lieferungen aus Katar weder nachhaltig noch politisch wünschenswert. "Die Situation in Katar ist kein Einzelfall", sagt sie. In vielen Ländern, die Öl und Gas exportieren, sei die demokratische und menschenrechtliche Situation alle andere als einwandfrei.

"Die Richtung ist daher klar: Nur ein massiver und schneller Ausbau der erneuerbaren Energien kann unsere Energiesicherheit lang- und mittelfristig sicherstellen, da wir nur so unabhängig von den Interessen autoritärer Staaten wie Katar bei unserer Energieversorgung werden können", meint Blos. Die Gaslieferungen aus Ländern wie Katar dürften nur eine zeitlich befristete Maßnahme sein.

"Sie dürfen keine neuen fossilen Pfadabhängigkeiten kreieren und den so dringenden Ausbau erneuerbarer Energiequellen in Deutschland, Europa und weltweit weiter ausbremsen", warnt sie. Nur mit einem kompletten Ausstieg aus fossilen Energien und einem Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien mit entsprechender dezentraler und diversifizierter Energieversorgung lasse sich eine grundlegende Unabhängigkeit von ausländischen Interessen und Ländern mit fragwürdiger Menschenrechtslage erreichen.

Über die Experten:
Volker Quaschning ist Professor für das Fachgebiet Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin.
Yvonne Blos ist Referentin für internationale Klimapolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
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