• Die Bundesregierung geht davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr um 0,4 Prozent schrumpft.
  • "Es sind ernste Zeiten", sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Vorstellung der Herbstprognose.
  • Gleichzeitig wirbt der Grünen-Politiker für Zuversicht – und sagt für 2024 wieder ein Wachstum voraus.
  • Ein großer Unsicherheitsfaktor bleibt die Energieversorgung im Winter.

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Ein Bundeswirtschaftsminister ist normalerweise der inoffizielle Optimismusbeauftragte der Regierung. Weil Wirtschaft immer viel mit Stimmung zu tun hat, ist es seine Aufgabe, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern Zuversicht zu vermitteln.

Robert Habeck fällt das derzeit naturgemäß schwer: "Es sind ernste Zeiten", sagt der Bundeswirtschaftsminister mit betretener Mine, als er am Mittwoch in der Bundespressekonferenz die sogenannte Herbstprojektion vorstellt, also die Prognose der Bundesregierung für die wirtschaftliche Entwicklung. "Wir befinden uns in einer schweren Energiekrise", sagt Habeck. Und diese Krise drohe, sich zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise auszuwachsen.

Hauptgrund ist aus Sicht des Grünen-Politikers der Stopp russischer Gaslieferungen an Deutschland. Der russische Präsident Wladimir Putin verfolge damit ein Ziel: das wirtschaftliche Fundament in Europa brüchig zu machen und damit auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bedrohen.

Das steht in der Herbstprognose der Bundesregierung

  • Für das laufende Jahr 2022 geht die Bundesregierung von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 1,4 Prozent aus. Im Frühjahr hatte sie noch ein Plus von 2,2 Prozent erwartet.
  • Für 2023 rechnet die Regierung dagegen mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent.
  • 2024 sagt die Bundesregierung schließlich wieder ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent voraus.
  • In diesem Jahr erwartet die Bundesregierung eine Inflation von 8,0 Prozent, im Jahr 2023 von 7,0 Prozent.

Die trüben Aussichten decken sich mit anderen Prognosen der vergangenen Tage und Wochen. Der Internationale Währungsfonds erwartet in seiner globalen Wachstumsvorhersage, dass die deutsche Wirtschaft 2023 um 0,3 Prozent schrumpft – während die meisten anderen europäischen Staaten noch ein dünnes Wachstum erzielen können. Die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen wie die Bundesregierung mit einem Rückgang um 0,4 Prozent und sagen einen längerfristigen "Wohlstandsverlust" voraus.

In den vergangenen Jahren hatte Deutschland noch heftigere Einbrüche zu verkraften: In der weltweiten Finanzkrise sowie im ersten Jahr der Corona-Pandemie war die nationale Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent (2009) und um 4,9 Prozent (2020) eingebrochen. Das geht aus Zahlen der Weltbank hervor.

Habeck: "Lage könnte noch schlechter sein"

Nachdem Habeck die Dramatik der Lage geschildert hat, wirbt er doch für Optimismus: "Die Zahlen sind schlecht. Sie hätten aber schlechter sein können, wenn Politik nicht agiert." Zu Beginn des Jahres hätten Experten für den Fall eines russischen Energie-Lieferstopps noch einen Rückgang um drei bis neun Prozent vorausgesagt.

Habeck verweist auf die Entlastungspakete der Bundesregierung. Man habe es damit geschafft, die Wirtschaft "einigermaßen zu stabilisieren". 200 Milliarden Euro will die Bundesregierung jetzt noch ausgeben, um die Gaspreise für Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbraucher zu senken. "Diese Pakete werden eine Wirkung entfalten, auch zur Dämpfung der Inflation", glaubt Habeck.

Dieses Lob teilt bekanntlich nicht jeder. Der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher findet die Vorschläge der Expertenkommission für die sogenannte Gaspreisbremse sozial unausgewogen. Der CDU-Politiker Andreas Jung warf der Bundesregierung am Mittwoch im Bundestag vor, sie habe zu spät gehandelt und nicht an kleine Betriebe wie Bäcker und Handwerker gedacht.

Nach den Einbrüchen der Finanz- und Coronakrise hatte 2010 und 2021 jeweils ein deutliches Wirtschaftswachstum eingesetzt. Darauf hofft nun auch die Bundesregierung. Wie erwähnt geht Habecks Ministerium 2024 wieder von einem Wirtschaftswachstum um 2,3 Prozent aus. "Der Arbeitsmarkt wird sich als robust erweisen. Die Erwerbstätigkeit wird weiter steigen", sagt er. Wo Menschen doch ein Jobverlust drohe, wolle die Regierung mit dem Kurzarbeitergeld Entlassungen vermeiden.

Die kritische Frage: Reicht das Gas für den Winter?

Ein Unsicherheitsfaktor ist nach Einschätzung vieler Expertinnen und Experten aber der Energievorrat. Die Gasspeicher sind inzwischen zwar zu fast 95 Prozent gefüllt. Dieser Puffer ermöglicht es Habeck zufolge inzwischen, die Einkaufspreise leicht zu drücken. "Wir kaufen nicht mehr zu jedem Preis ein."

EU hält Blackouts für möglich - so gut ist Europa gerüstet

Angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Energiekrise hält die EU-Kommission Stromausfälle und andere Notlage innerhalb der EU für möglich. Wäre eine große Zahl an Ländern gleichzeitig betroffen, hat die EU-Kommission strategische Reserven angelegt.

Falls im Laufe des Winters eine Gasmangellage eintritt und Unternehmen die Versorgung abgeschnitten werden muss, könnte der Einbruch der Wirtschaftsleistung allerdings noch deutlich größer ausfallen. "Die Gefahr ist bei Weitem noch nicht gebannt", sagt auch Habeck. Deswegen verweist er auf den Aufruf der Bundesnetzagentur zum Energiesparen: "Wir brauchen Einsparungen", sagt der Minister und betont: "Wir können nicht alles auf die Industrie verlagern."

Gemeint sind also auch die Haushalte. Allerdings verkneift sich Habeck an diesem Tag weitere Aufrufe zum Energiesparen. Wenn so etwas von einem gutverdienenden Minister komme, der nur selten zu Hause sei, könne das schnell "schief ankommen" - diese Erfahrung hat Habeck in diesem Jahr bereits gemacht.

Der Vizekanzler setzt darauf, dass es öffentliche Aufrufe zum Energiesparen nicht braucht, weil den Menschen der Ernst der Lage bewusst ist: "Ich bin mir sicher, dass die Bereitschaft bei der großen Mehrheit der Haushalte existiert."

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenz Herbstprojektion in der Bundespressekonferenz
  • Internationaler Währungsfonds: World Economic Outlook Report October 2022
  • Weltbank; GDP growth (annual %) Germany
  • Twitter-Account von CDU/CSU
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