Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnt vor unterschiedlichen Strompreiszonen in Deutschland. Dabei sind die gar nicht im Gespräch. Die Bundesregierung möchte jedoch die Netzentgelte anpassen – und davon könnte auch Bayern in Zukunft profitieren.
Wenn es um Geld geht, ist es mit der bundesdeutschen Einigkeit schnell vorbei. Zum Beispiel beim Thema Stromkosten. Seit einiger Zeit streiten die 16 Bundesländer über eine Angleichung von Strompreisen. Denn die sind in Nord und Süd, Ost und West, Stadt und Land unterschiedlich hoch. In den vergangenen Tagen ist die Diskussion erneut hochgekocht. Dabei gehen die Begriffe zum Teil durcheinander – kein Wunder, denn das Thema ist kompliziert. Deshalb der Reihe nach.
Netzentgelte steigen durch Ausbau der Erneuerbaren
Unterschiedlich hoch sind in Deutschland die Netzentgelte. Vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich dabei um das Porto für die Nutzung eines Stromnetzes. Die Energieversorger zahlen diese Gebühren an die Betreiber von Stromnetzen und geben diese Gebühren an ihre Kunden weiter. Deshalb schlagen sich Netzentgelte auch im Strompreis der Haushalte nieder: Der Bundesnetzagentur zufolge machen sie im Schnitt 21,5 Prozent davon aus.
Diese Netzentgelte sind bundesweit unterschiedlich hoch. Dem Vergleichsportal Check24 fallen beim Stromverbrauch von 5000 Kilowattstunden (entspricht einer vier- bis fünfköpfigen Familie) in Brandenburg zum Beispiel 588 Euro an. Das ist der höchste Wert. Danach folgen Schleswig-Holstein (587 Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (558 Euro). Die niedrigsten Netzentgelte gibt es in Bremen (310 Euro) und Bayern (385 Euro).
Diese Unterschiede hängen auch mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien zusammen. "Die Investitionen in Windkraft, Solaranlagen, in die Netzinfrastruktur und Ausgleichsmaßnahmen für die wechselhafte Spannung sorgen für höhere Netzkosten, die auf Verbraucherinnen und Verbraucher der Region umgelegt werden", erklärt Edgar Kirk, Sprecher des Vergleichsportals Check24, gegenüber unserer Redaktion.
Im Norden und Osten werden die Erneuerbaren Energien besonders stark ausgebaut. Zugespitzt formuliert: Durch die höheren Netzentgelte werden die dortigen Regionen für diesen Ausbau bestraft.
Bundesnetzagentur soll künftig Netzentgelte festlegen
Die Höhe der Netzentgelte bestimmen bisher die Netzbetreiber. Die Bundesnetzagentur legt nur Höchstgrenzen fest. Das aber soll nicht so bleiben: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass eine "unabhängige Regulierungsbehörde" die Höhe der Netzentgelte regeln muss. Deswegen plant die Bundesregierung eine Gesetzesänderung, die der Bundesnetzagentur diese Aufgabe übertragen würde.
Deren Chef Klaus Müller hat in der vergangenen Woche in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung (Bezahlinhalt) angekündigt, dass er dann einen Vorschlag für eine fairere Gestaltung der Netzentgelte machen will. Er wisse dabei alle Energieminister in den Bundesländern auf seiner Seite, sagte Müller. "Denn es liegt auf der Hand, dass wir den Erneuerbaren-Ausbau belohnen sollten."
Söder warnt vor Strompreiszonen – allerdings ging es darum nicht
Widerspruch kam prompt – von Bayerns Ministerpräsident
Allerdings sind Strompreiszonen und unterschiedliche Netzentgelte nicht identisch. "Das sind zwei getrennte Sachverhalte, die nichts miteinander zu tun haben oder streng voneinander zu trennen sind", sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums am Montag.
Die Einteilung Deutschlands in Strompreiszonen (zum Beispiel in eine nördliche und eine südliche Preiszone) ist eine politische Idee, zu der es aber noch keine konkreten Vorschläge gibt. Sie wurde von den Bundesländern im Norden und Osten ins Spiel gebracht – als Alternative für den Fall, dass sich bei den unterschiedlichen und als unfair wahrgenommenen Netzentgelten nichts ändern sollte.
In anderen Staaten gibt es solche unterschiedlichen Strompreiszonen – in Deutschland aber nicht. An der Strompreisbörse wird ein einheitlicher Großhandelspreis für ganz Deutschland gehandelt. Dieser macht rund 25 Prozent des Endpreises für Haushaltskunden aus. Weder Netzagentur-Chef Müller noch das Bundeswirtschaftsministerium haben bisher gefordert, an dieser Einheitlichkeit etwas zu ändern. Dass es faktisch doch unterschiedliche Strompreise in Deutschland gibt, liegt, wie beschrieben, an den Netzentgelten. Und hier will die Bundesregierung ansetzen.
Hubert Aiwanger: "Ganz andere Baustelle"
Widerspruch erhält Söder auch von ungewohnter Seite: von seinem eigenen Wirtschaftsminister
Bayern steht seit langem in der Kritik, weil der Ausbau der Windkraft dort zuletzt kaum vorangekommen ist. Allerdings wird das aus Sicht von Aiwanger nicht so bleiben. Er rechnet im Freistaat in Zukunft mit dem Bau von Windparks, von weiteren Photovoltaikanlagen, von Umspannwerken und Verteilnetzen. Das würde auch dort die Netzentgelte in die Höhe treiben – wenn es beim bisherigen System bleibt. "Dann wird in der Kommunalpolitik der Ruf kommen: Stoppt den Erneuerbaren-Ausbau, weil wir vor Ort sonst die Gelackmeierten sind", warnte Aiwanger im Deutschlandfunk.
Wie genau die Bundesnetzagentur die Netzentgelte anpassen will, ist noch unklar. Klar ist aber: Findet sich ein System, das Landkreise oder andere Regionen mit starkem Ausbau der Erneuerbaren in Zukunft bei den Netzentgelten entlastet, könnte davon auch Bayern profitieren – wenn der Ausbau dort in Zukunft wirklich schneller vorangeht.
Verwendete Quellen:
- Stellungnahme von Edgar Kirk, Check24
- Bundesnetzagentur: Netzentgelte
- dlf.de: Hohe StrompreiseAiwanger (Freie Wähler): Bund muss Kosten übernehmen
- Noz.de: Sinken die Energiepreise in Norddeutschland? Präsident der Bundesnetzagentur macht Hoffnung
- Sueddeutsche.de: Diskussion über Energiekosten: Söder gegen unterschiedliche Strompreis-Zonen
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.