Naturkatastrophen wie etwa der zerstörerische Tsunami 2011 vor der Küste Japans lassen Forscher verzweifeln. Denn trotz Frühwarnsysteme ziehen Fachleute eine pessimistische Bilanz: Katastrophen werden aller Wissenschaft zum Trotz wohl niemals vorhersagbar sein.

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Man stelle sich vor, Forscher könnten Vulkanausbrüche oder Erdbeben präzise vorhersagen: Menschen würden rechtzeitig vor einer Katastrophe in Sicherheit gebracht werden, Experten wäre es möglich, die geologischen Veränderungen zu beobachten und daraus wertvolle Schlüsse für die Zukunft zu schließen.

Viele Wissenschaftler behaupten, dass sie mittlerweile genau dazu in der Lage sind. Andere Kollegen sind hingegen weitaus pessimistischer gestimmt. Sie sind davon überzeugt, dass konkrete Vorhersagen von Katastrophen schlichtweg unmöglich sind.

Mehrere Faktoren bestätigen diese Theorie. Denn egal, wie ausgefeilt die Messtechniken bereits sind oder noch sein werden: Die Natur hat ihre ganz eigenen Regeln, die unergründliche, aber schwerwiegende Folgen für die Menschheit haben. Um das genauer verstehen zu können, ist ein Einblick in die Systeme nötig, die uns vor katastrophalen Ereignissen warnen und behüten sollen.

Die Wissenschaft kommt an ihre Grenzen

Frühwarnsysteme wie etwa der Dienst GEOWARN der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich dokumentieren geologische Auffälligkeiten von Erdbebenobservationen und Vulkanwarten auf der ganzen Welt. Hierbei versuchen die Forscher drei wichtige Fragen zu beantworten: Wo kommt es zu eben diesen Auffälligkeiten? Wann treten die Aktivitäten auf? Und welche Ausmaße werden sie annehmen?

Das "Wo" lässt sich aufgrund geologischer Erfahrungswerte recht einfach beantworten. Aktive Vulkane oder auch die Epizentren von Erdbeben liegen häufig an den Rändern sogenannter tektonischer Platten. Diese Platten, die sich auf dem Erdmantel befinden, sorgen durch ihre Bewegung wie etwa das Berühren von Platten dafür, dass es zu Erdbeben oder eben auch Vulkanausbrüchen kommt.

Der Verlauf dieser Platten ist mittlerweile in großen Umrissen erforscht, weshalb sich für viele Regionen ein recht konkretes Risiko bestimmen lässt. Doch eben nicht für alle Regionen. Zudem kann es auch im Innern der Platten zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen kommen, wie etwa in Mitteleuropa. Hier versagen die Statistiken zur Vorhersage.

Wann kommt es zur Katastrophe?

Die Frage nach dem "Wann" beantwortet sich ebenfalls durch Erfahrungswerte, Statistiken und Beobachtungen. Einige tektonische Ereignisse unterliegen einem gewissen Rhythmus. Bei bestimmten Vulkanen, wie zum Beispiel dem Yellowstone-Komplex in den USA, hat die Geschichte gezeigt, dass es etwa alle 600.000 bis 800.000 Jahre zu einer Eruption kommt.

Der letzte Ausbruch in diesem Gebiet liegt nunmehr 600.000 Jahre zurück. Bereits vor zehn Jahren haben Forscher der Geological Society of London bekanntgegeben, dass das derzeit im Vulkan schwelende Magma ausreichen würde, um eine globale Katastrophe zu verursachen.

Hinweise darauf, dass es in absehbarer Zeit zu einem Ausbruch kommen wird, gibt es derzeit nicht – den britischen Forschern zufolge aber ebenso wenig eine Garantie hierfür.

Ein Ausbruchszyklus von mehreren hunderttausend Jahren ist für Wissenschaftler ohnehin mehr Indiz als zuverlässige Quelle. Deshalb wird mittels anderer Methoden versucht, Erdbeben und andere Katastrophen frühzeitig aufzuspüren.

Frühwarnsystemen zum Trotz: Natur bleibt unberechenbar

Die Erdoberfläche steht unter ständiger Überwachung: Mikrofone sollen im Erdinnern Knirschen der Erdkruste registrieren, Laser-, Radar- und GPS-Messungen ermitteln Veränderungen des Gesteins im Zentimeterbereich. Untersuchungen von Wassertemperatur, Grundwasserspiegel und Wasserzusammensetzung können ebenfalls Auskunft darüber geben, ob ein Beben bevorsteht.

Bei hohem Druck des Gesteins verändert sich die Zusammensetzung des Wassers - es wird vermehrt Radon freigesetzt, oder aber auch Lithium, Barium und Bor. Solche Beobachtungen können Erdbeben ankündigen.

Das Internationale Tiefseebohrprogramm (IODP) oder auch das deutsch-indonesische Frühwarnsystem GITEWS sollen anhand von seismischen Wogen und Veränderungen in Wasser und Gestein feststellen, ob ein Erdbeben oder ein Tsunami drohen.

Doch liegt das Epizentrum für Forscher ungünstig oder werden ein Erdstoß oder die veränderte Chemie des Wassers fehlinterpretiert, ist eine Vorhersage wiederum kaum möglich.

Das größte Problem ist jenes, was die Natur trotz aller Anzeichen unergründlich macht: Sogenannte Vorläuferphänomene eines Erdbebens treten mal auf, mal aber auch nicht. Einem kleinen Beben kann ein großes folgen, muss aber nicht. Ebenso kann es zu einem großen Beben kommen, ohne dass ihm ein Vorbeben vorausging.

Es gleicht einer Vorhersage der Lottozahlen. "Bislang sind wir noch nicht soweit, dass man diese Parameter brauchbar für eine konkrete Vorhersage einsetzen kann, um beispielsweise eine Evakuierung durchzuführen", sagt der Potsdamer Geophysiker Birger-Gottfried Lühr in einem Interview mit der "Deutschen Welle" und zieht ein ehrliches wie erschütterndes Fazit: "Erdbebenvorhersagen sind nicht möglich!"

Das Ausmaß einer Katastrophe ist nicht absehbar

Ebenso wenig gibt es zuverlässige Maßeinheiten, die einen Schluss auf das Ausmaß eines Erdbebens oder eines Vulkanausbruchs zulassen. So können bei Herden in geringer Tiefe bereits schwache Beben zur Katastrophe führen.

Bei Vulkanen ist die Zusammensetzung des Magmas entscheidend für die Folgen eines Ausbruchs: Je zähflüssiger das Magma, desto häufiger kommt es danach zu sogenannten Glutlawinen oder auch Schlammströmen.

Egal, wie gut Frühwarnsysteme auch funktionieren und wie präzise Forscher bereits vor einem Unglück Aussagen darüber treffen können: Die Vorwarnzeiten sind stets zu kurz, um dem Menschen wirklich einen Vorteil einbringen zu können.

Lediglich die Natur selbst verfügt über ein Frühwarnsystem, auf das immer Verlass ist. Denn da Erdbebenwellen schneller sind als ein Tsunami, bringt zumindest ein Beben einen kostbaren Zeitgewinn.

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