Die invasive Quagga-Muschel verbreitet sich in europäischen Alpenseen. Das hat nicht nur teils fatale Folgen für das jeweilige Ökosystem. In einer neuen Studie warnt ein Forschungsteam vor Schäden in Millionenhöhe.
In Deutschland gibt es rund 900 gebietsfremde Arten. Etwa 90 davon gelten als invasiv. Bedeutet: Sie stellen in ihrer neuen Heimat ein Problem dar. Eine solche Art ist die Quagga-Muschel. Ursprünglich ist sie im Aralsee und dem Schwarzmeerraum zuhause. Mittlerweile ist sie in einigen europäischen Seen zu finden. Und dort vermehrt sie sich rasant: Die Muschel kann Seen bis in große Tiefen besiedeln, wächst an Rohren, Stegen, Booten, aber auch in weichem Substrat.
Die invasive Art breitet sich seit rund zehn Jahren im Bodensee, der an Deutschland, Österreich und die Schweiz grenzt, aus. Auch im Genfersee und Bielersee in der Schweiz hat sich die Quagga-Muschel angesiedelt. Wie diese drei Seen von der Muschel beeinflusst werden und welche Folgen das mit sich bringt, hat ein Forschungsteam im Rahmen des Seewandel-Projekts untersucht. Für das Projekt arbeiten Forschende des Wasserforschungsinstituts Eawag, der Universitäten Genf und Konstanz und anderen Institutionen zusammen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie bei "IOP Science".
Fakten zur Quagga-Muschel
- Wird in Fachkreisen Dreissena rostriformis genannt.
- Stammt aus dem Schwarzmeerraum und dem Aralsee.
- Zeichnet sich durch eine rundlich-dreikantige, kahnartige Form aus, die Farbe ist sehr variabel.
- Wird bis zu 40 Millimeter groß und im Schnitt drei bis fünf Jahre alt.
- Da sie kaum von Vögeln und Fischen gefressen wird und sich schnell und ganzjährig vermehrt, zählt sie zu den erfolgreichsten invasiven Arten in Europa und Nordamerika.
- Kann jegliches Substrat besiedeln und kommt in Tiefen bis zu etwa 240 Metern vor.
Vergleich mit Seen Nordamerikas zeichnet düsteres Bild für Ökosysteme betroffener Alpenseen
Wie wird sich die Quagga-Muschel in europäischen Seen weiter ausbreiten? Dieser Frage ging das Forschungsteam nach, indem es den Bodensee, Genfersee und Bielersee mit vier der fünf Großen Seen Nordamerikas, dem Huron-, Ontario-, Michigan- und Erie-See, verglich. Die Weichtiere besiedelten diese bereits in den späten 1980er-Jahren. Die Ausbreitungsmuster sind mit jenen der tiefen Voralpenseen vergleichbar. "Wir gehen deshalb davon aus, dass die Ausbreitung der Quagga-Muschel in Europa mindestens ähnlich schnell erfolgen wird", sagt Benjamin Kraemer von der Universität Konstanz.
Die Biomasse pro Quadratmeter im Bodensee, Genfersee und Bielersee werde "in den nächsten zwei Jahrzehnten voraussichtlich um das neun- bis zwanzigfache zunehmen", heißt es in einer Mitteilung des Wasserforschungsinstituts Eawag. Vor allem die tieferen Bereiche der Seen würden künftig stärker besiedelt.
Dietmar Straile, Arbeitsgruppenleiter am Konstanzer Limnologischen Institut, war an der Studie beteiligt. Er erklärt: "Eine solche Vermehrung der Quagga-Muscheln kann zu großen Veränderungen im Ökosystem führen, insbesondere zu einer Verlagerung der biologischen Produktivität aus der Freiwasserzone des Sees in die Uferzone, mit einem Rückgang der Algen im Freiwasser und einer Zunahme der Makrophyten und Fadenalgen in Ufernähe."
Folgen davon seien, dass Fischarten wie Felchen weniger Nahrung fänden. Andere Arten, die vor allem im Uferbereich leben und Quagga-Muscheln fressen, hätten wiederum in Zukunft ein größeres Nahrungsangebot. Dadurch könnten sich das Nahrungsnetz wie auch die Fischbestände ändern – was sich auf die Fischerei auswirken könnte. Eine weitere mögliche Veränderung des Ökosystems: Da die Weichtiere Phytoplankton aus dem Wasser filtern, nimmt die Sichttiefe in den Seen zu.
Und: Je mehr sich die Quagga-Muscheln in einem Gewässer verbreiten, desto mehr Muschelschalen lagern sich an den Uferbereichen ab. Die teils spitzen Schalen können Badegästen die Freude am Plantschen verderben.
Das Fatale, wenn Quagga-Muscheln sich einmal ausgebreitet haben: Die Dynamik ist laut dem Forschungsteam nicht mehr zu stoppen. "Das ist leider eine schlechte Nachricht für die tiefen Voralpenseen, die von der Quagga-Muschel bereits betroffen sind", wird der Schweizer Quagga-Muschel-Spezialist Piet Spaak zitiert. Die Folgen könnten lediglich abgemildert werden – etwa bei der Wasserinfrastruktur.
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Quagga-Muscheln beeinflussen Wasserinfrastruktur – Schäden in Millionenhöhe
Die invasive Art wächst unter anderem an Rohren für die Trinkwassergewinnung und verstopft diese dadurch. Das verursacht Probleme bei der Wasserentnahme und bei Heiz- und Kühlanlagen. Auch an Schiffen, Freizeitbooten oder Fischernetzen ist sie zu finden. Die kleinen Larven der Weichtiere gelangen weit in Aufbereitungsanlagen hinein, wo sie im Anschluss heranwachsen. Der Wartungs- und Reinigungsaufwand steigt dadurch deutlich. "Dies führt zu Schäden in Millionenhöhe", warnen die Studienautoren.
Unter anderem könnte aber die Infrastruktur so angepasst werden, dass Muscheln und ihre Larven nicht eindringen können. Die Bodensee-Wasserversorgung plant etwa an einer Anlage am neuen Standort Pfaffental eine hochmoderne Ultrafiltrations-Reinigungsstufe einzubauen. Diese bietet Schutz gegen Larven der Quagga-Muschel.
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Gewässer, in denen die invasive Art noch nicht vorkommt, müssten zudem geschützt werden, fordert das Forschungsteam. "Mit geeigneten Maßnahmen, zum Beispiel der obligatorischen Bootsreinigung und gezielten Informationskampagnen, kann die Ausbreitung in neue Gewässer noch verhindert werden", sagt Spaak.
Kraemer gibt zu bedenken: "Die endgültigen Auswirkungen der Quagga-Muscheln werden davon abhängen, wie sie mit dem Klimawandel und anderen zukünftigen Umweltveränderungen interagieren." In ihrer Studie empfehlen die Forschenden, die Entwicklung der Muscheln und ihre Auswirkungen auf die Umwelt weiterhin zu überwachen.
Verwendete Quellen:
- Mitteilung des Wasserforschungsinstituts Eawag: "Quaggamuschel: Prognose für betroffene Seen"
- iopscience.iop.org: "An abundant future for quagga mussels in deep European lakes"
- Faktenblatt der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee: "Quagga-Muschel im Bodensee"
- Mitteilung der Deutschen Presse-Agentur: "Bodenseewasser könnte deutlich teurer werden"
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