In Paris wurde 2015 das Klimaschutzabkommen beschlossen, jetzt einigen sich die Länder im polnischen Kattowitz auf ein gemeinsames Regelwerk. Doch ist der Aufwand für den Klimaschutz überhaupt nötig?
Rund 200 Länder ringen gerade wie zu jedem Jahresende um den internationalen Klimaschutz. Im polnischen Kattowitz (Katowice) sollen sie sich auf ein Regelwerk für das Pariser Klimaschutzabkommen einigen.
In Paris hatten die Länder vereinbart, die Erderwärmung auf weit unter zwei Grad, möglichst sogar auf 1,5 Grad zu begrenzen. Doch was bringt der ganze Aufwand - und ist Klimaschutz überhaupt nötig?
Sind Klimakonferenzen sinnvoll?
BEHAUPTUNG: Bei Klimakonferenzen kommt eh nichts Konkretes raus
BEWERTUNG: Doch – aber es reicht noch nicht.
FAKTEN: Über 180 Länder haben im Zuge des Pariser Klimaabkommens schon ihre nationalen Klimaschutzpläne eingereicht. Viele haben zum ersten Mal überhaupt einen Plan für den heimischen Klimaschutz erstellt. Die Ziele reichen zwar nicht einmal, um die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen.
Doch ohne das Abkommen gäbe es viele der Pläne gar nicht, und die Ziele sollen noch verbessert werden. Zudem helfen reiche Staaten ärmeren beim Umsetzen ihrer Klimabeiträge. Die jährlichen "Klassentreffen" der für Klima zuständigen Minister wie derzeit in Kattowitz erzeugen auch diplomatischen Druck, etwas zu tun.
"Ohne Klimakonferenzen wäre die weltweite Aufmerksamkeit für das Klima nie so groß geworden", sagt Karsten Sach, Chefverhandler der Bundesregierung auf vielen Klimakonferenzen. Er verweist auf den EU-Emissionshandel, der im Zuge des Klimaprotokolls von Kyoto eingeführt wurde – auch wenn viele Experten den noch für sehr verbesserungsfähig halten.
Globale Phänomene ließen sich nur global lösen. "Komplett ohne Klimapolitik würde sich die Erde bis 2100 um 4,1 bis 4,8 Grad Celsius im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erwärmen", sagt Niklas Höhne, der mit weiteren Forschern und Instituten den Climate Action Tracker betreibt.
In dem Projekt berechnen die Experten seit 2009, was diverse Klimaschutzpläne bewirken. Mit der derzeitigen Klimapolitik steuere die Menschheit auf 3,4 Grad zu, bei Umsetzung aller Versprechungen der Länder sogar auf 3,2 Grad.
Das sei immerhin rund ein Grad näher am weltweiten Klimaziel. Allerdings wisse man nicht genau, wie viel Klimaschutz die einzelnen Länder ohne Klimakonferenzen gemacht hätten, schränkt Höhne ein.
Klimaschutz ohne die USA?
BEHAUPTUNG: Ohne die USA kann globaler Klimaschutz nicht gelingen
BEWERTUNG: Es ist noch unklar, welche Auswirkungen die Abkehr der USA vom Pariser Abkommen genau hat.
FAKTEN: Mit dem Pariser Abkommen haben alle Länder der Erde die Notwendigkeit des Klimaschutzes anerkannt. Einzig die USA haben im Juni 2017 angekündigt, wieder auszutreten. Umgehend betonten Deutschland, China und viele andere Länder ausdrücklich, weiterhin zum Abkommen zu stehen.
In den USA entstand die "Climate Alliance" aus 17 US-Staaten, die zum Klimaabkommen stehen und über 40 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Auch Landkreise, Städte, Universitäten und Hunderte US-Unternehmen bekennen sich zum Abkommen.
Wie viel das alles bewirkt und ob nach den USA noch ein weiteres Land austritt, ist schwer absehbar. Jedenfalls sind die USA laut Vertrag derzeit noch dabei, sie dürfen erst am 4. November 2020 aussteigen - am Tag nach der nächsten Präsidenten-Wahl.
Klimaschwankungen sind nichts Neues
BEHAUPTUNG: Wozu denn überhaupt der ganze Verhandlungszirkus? Klimaschwankungen gab es doch schon immer!
BEWERTUNG: Richtig - und einige davon haben in der Erdgeschichte auch zu globalen Artensterben beigetragen.
FAKTEN: Gründe für Klimaschwankungen waren unter anderem: Gewaltige Vulkanausbrüche, eine schwankende Erdumlaufbahn und Änderungen der Sonnenaktivität. Doch die Wirkung des menschengemachten Kohlendioxids (CO2) übertrifft derzeit alle anderen Einflüsse.
Der Mensch produzierte 2016 mindestens 60 Mal mehr CO2 als alle Vulkane in dem Jahr zusammen freisetzten, ermittelte die US-Klimabehörde NOAA. Die Sonne ändert ihre Aktivität in verschiedenen Zyklen von elf oder mehr Jahren.
Der Temperaturanstieg der vergangenen Jahrzehnte lässt sich nach Auskunft des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) weder mit der Sonnenaktivität noch mit einer geänderten Umlaufbahn der Erde erklären. Klimaforscher sind sich weitestgehend einig, dass der derzeitige Temperaturanstieg nur durch die menschengemachten Treibhausgase zu erklären ist, und das wichtigste ist CO2.
Mensch, Natur und Landwirtschaft sind auf ein Klima angewiesen, das keine zu großen Sprünge macht. Etwa 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde müssen versorgt werden. Diese möchten ihre Heimat erhalten und nicht fliehen müssen.
Die Rolle von CO2 beim Klimawandel
BEHAUPTUNG: Die Klimawirkung von CO2 ist doch gar nicht bewiesen
BEWERTUNG: Doch. Forscher haben die Klimawirkung im Labor gemessen, in Modellen berechnet und sogar in der Atmosphäre nachgewiesen.
FAKTEN: Treffen Sonnenstrahlen auf die Erde, dann gibt diese Infrarotstrahlen ins All ab. Ein Teil dieser Wärmestrahlen wird von CO2 und anderen Treibhausgasen aufgehalten und teils zur Erde zurückgeschickt. Diesem Treibhauseffekt verdanken wir Temperaturen, die Leben auf der Erde überhaupt ermöglichen.
Der Mensch verstärkt nun diesen Erwärmungseffekt, indem er die CO2-Menge in der Atmosphäre seit Mitte des 19. Jahrhunderts um 45 Prozent erhöht hat. Die gängigen Klimamodelle machen zwar etwas unterschiedliche Aussagen darüber, wie stark die derzeitige CO2-Menge die Erde erwärmt. Sie lassen aber keinen Zweifel daran, dass CO2 in der Atmosphäre einen deutlichen Effekt hat.
Zudem haben US-Forscher den Effekt von CO2 per Messung belegt: Sie maßen elf Jahre lang an zwei Standorten in Nordamerika Strahlen verschiedener Frequenzen. Beide Messreihen machten die Wirkung der Wärmestrahlen von CO2 gleich zweifach deutlich: Ihr am Boden gemessener Erwärmungseffekt schwankte mit den Jahreszeiten ebenso wie die Menge an CO2 in der Luft.
Diese ist im Winter stets größer als im Sommer. Zudem stieg der Effekt in einem Jahrzehnt bei klarem Himmel entsprechend der CO2-Menge ("Nature", 2015).
Der Mensch als Ursache des Klimawandels
BEHAUPTUNG: Forscher sind uneins über die Rolle des Menschen beim Klimawandel
BEWERTUNG: Stimmt eher nicht. Die meisten Forscher sind sich einig.
FAKTEN: Sechs Studien zu dieser Frage zeigten: 90 bis 100 Prozent der Klimaforscher sind sich einig, dass der Mensch die Hauptursache der aktuellen Erderwärmung ist.
Eine Analyse ergab zudem, dass 97 Prozent von 4000 Studien, die sich in geprüften Fachjournalen direkt mit der Frage nach dem menschengemachten Klimawandel befassten, zu dem Schluss kommen, dass der Mensch die Erde erwärmt ("Environmental Research Letters", 2013).
"Der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem ist klar", schreibt der Weltklimarat (IPCC) in seinem jüngsten Report 2014. Es sei äußerst wahrscheinlich (95 bis 100 Prozent), dass menschengemachte Treibhausgase "Hauptursache der beobachteten Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind".
Von den Forschern, die sich gar nicht mit dem Klima beschäftigen, stimmen weniger dieser Aussage zu. Auch manche Politiker und andere Menschen, die den menschengemachten Klimawandel lautstark bezweifeln, haben sich nie beruflich mit Klimaforschung beschäftigt.
Erderwärmung verläuft nicht linear
BEHAUPTUNG: Der Weltklimarat ist alarmistisch
BEWERTUNG: Nein. Er ist sogar eher vorsichtig.
FAKTEN: Der Weltklimarat hat seine seit 1990 erstellten fünf Berichte nachträglich aufwendig analysiert. Ergebnis: Die Erderwärmung verläuft ebenso wie der Meeresspiegelanstieg innerhalb der breiten IPCC-Vorhersagen.
Den Rückgang des Meereises in der Arktis hat der IPCC sogar deutlich unterschätzt. Es wurde dünner und schrumpfte daher schneller. Dagegen flachte der Anstieg des Treibhausgases Methan stärker ab als angenommen.
Die Erderwärmung verläuft nicht linear, sondern wellenförmig - je nachdem wie viele Vulkane in einem Zeitraum ausbrechen, wie sich die Sonnenaktivität verändert oder welche kurzzeitigen Klimaphänomene (etwa El Niño) vorherrschen. Das sind unvorhersehbare, kleinere Einflüsse.
Daher können die Forscher keine exakten Vorhersagen für kurze Zeiträume machen. Das ändert jedoch nichts an der generellen Tendenz. "Jedes der letzten drei Jahrzehnte war an der Erdoberfläche sukzessive wärmer als alle vorangegangenen Jahrzehnte seit 1850", schrieb der IPCC 2014.
Was ist so schlimm an wärmerem Wetter?
BEHAUPTUNG: Etwas wärmeres Wetter wäre doch ganz nett
BEWERTUNG: Hier und da vielleicht schon. Das lässt sich aber nicht so leicht steuern wie eine Zentralheizung.
FAKTEN: Derzeit steigt die Erdtemperatur mit einer Geschwindigkeit, wie sie die menschliche Zivilisation nie erlebt hat. Das hat sehr unterschiedliche Folgen für hohe Luftströme und das Wetter: Klimabedingte Katastrophen haben nach Daten der Rückversicherung Munich Re zugenommen, nicht aber klimaunabhängige wie Erdbeben.
Ohne ein starkes Abbremsen der Treibhausgase drohen nach Forscherangaben etwa das Auftauen der Permafrostböden oder Freiwerden von Methanhydraten im Meer und damit eine weitere starke Erwärmung.
Die Erderwärmung und auch der Ausstoß winziger Partikel durch Kohlekraftwerke beeinflussen auch Luftströmungen in großer Höhe, was die Wahrscheinlichkeit für Überflutungen, Dürren und auch Hitzewellen erhöht, wie Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und vielen anderen Instituten herausgefunden haben.
Mehr Treibhausgase in der Erdatmosphäre führen auch nicht zwangsläufig überall zu mehr Wärme. "Die Winter im Nordosten der USA, aber auch in Europa und im nördlichen Asien sind im Mittel seit etwa 1990 etwas kälter geworden", sagt Marlene Kretschmer vom PIK. Dennoch steige die globale Mitteltemperatur weiter, die Arktis erwärme sich besonders schnell.
Deutschland auf Platz 6 beim CO2-Ausstoß
BEHAUPTUNG: Deutschlands Einsparungen bringen doch gar nicht so viel
BEWERTUNG: Das kommt auf die Sichtweise an.
FAKTEN: Deutschland steht mit seinem gesamten CO2-Ausstoß auf Platz 6 in der Liste des Forschungsverbunds Global Carbon Project mit mehr als 200 Ländern. Es stößt mit rund einem Prozent der Weltbevölkerung etwa zwei Prozent der weltweiten CO2-Menge aus.
Das klingt zwar wenig. Doch wer meint, auf Deutschland komme es nicht an, müsste dies zumindest auch den über 190 Ländern ab Listenplatz 7 zugestehen. (dpa/dad)
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