Hobby Horsing erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Doch die Sportlerinnen und Sportler müssen in den sozialen Medien viel Häme ertragen. Was dabei häufig nicht gesehen wird: Hobby Horsing ist eine facettenreiche und auch anspruchsvolle Sportart, die vor allem Mädchen für Bewegung begeistert.

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Viele verbinden das Steckenpferd vor allem mit ihrer Kindheit - und wohl auch mit schönen Erinnerungen. Doch irgendwann stand es in der Ecke, wurde vom Fahrrad oder der Playstation ersetzt. Womöglich ist der Anblick für einige deshalb recht skurril: Kinder, Teenager und auch Erwachsene, die mit einem Steckenpferd zwischen den Beinen über Hindernisse springen oder Dressur reiten.

Das Steckenpferd-Reiten, mittlerweile besser bekannt als Hobby Horsing, erlebt als Sportart einen Boom. Doch vor allem in den sozialen Netzwerken müssen sich die Sportlerinnen und Sportler mit Spott und Häme herumschlagen.

Hobby Horsing immer beliebter

Vor allem in Finnland hat sich Hobby Horsing bereits etabliert, mittlerweile schwappt der Trend auch in andere Länder über. Durch die Gründung des Deutschen Hobby Horsing Verbands, kurz DtHHV, und das veröffentlichte Regelwerk sei der Sport auch hierzulande als ernstzunehmende Sportart etabliert worden, sagt Andreas Karasek vom DtHHV. In Deutschland gab es außerdem in diesem Jahr in Frankfurt am Main zum ersten Mal eine deutsche Meisterschaft im Hobby Horsing.

"Wir sind überzeugt, dass sich der Sport in den kommenden Jahren weiter etablieren wird", so Karasek. Die Zahlen geben ihm recht: Auf der Community-Plattform "Hobby Horsing Germany" steigen die Aufrufzahlen Monat für Monat. 2024 gab es mit über 150 Ausschreibungen für Hobby-Horsing-Turniere mehr Veranstaltungen als je zuvor. Laut Karasek gibt es in Deutschland rund 5.000 aktive Hobby Horser und über 200 Vereine mit entsprechenden Angeboten. Und auch die Tierschutzorganisation Peta lobt es als tierfreundliche Wahl zum traditionellen Reiten.

Mischung aus Leichtathletik, Reiten und Tanzsport

Aber wie funktioniert Hobby Horsing überhaupt? Mit ihrem Steckenpferd zwischen den Beinen stellen die Sportlerinnen und Sportler Elemente aus dem Reitsport nach. Zum Beispiel springen sie wie beim Springreiten über Hindernisse und laufen einen Parcours oder sie führen eine Dressur vor. Alles wie im echten Reitsport also.

"Es handelt sich um eine anspruchsvolle Sportart, die nahezu sämtliche sportmotorische Fähigkeiten fordert, von Kondition über Kraft- und Muskelaufbau bis hin zu Beweglichkeit."

Andreas Karasek vom DtHHV

Was zunächst den Eindruck einer kindlichen Freizeitbeschäftigung macht, ist durchaus anspruchsvoll. Wie ein Bericht der "Hessenschau" zeigt, sprangen die Teilnehmenden bei der ersten Deutschen Meisterschaft in diesem Jahr über Hürden, die teils höher als 1,30 Metern waren.

"Vor der Meisterschaft habe ich sehr viel trainiert, war sehr oft im Fitnessstudio, weil man braucht auch sehr viel Kraft", erzählt etwa Vanessa Warncke, Punktrichterin und Teilnehmerin, dem Regionalmagazin des Hessischen Rundfunks. Und Karasek unterstreicht: "Es handelt sich um eine anspruchsvolle Sportart, die nahezu sämtliche sportmotorische Fähigkeiten fordert, von Kondition über Kraft- und Muskelaufbau bis hin zu Beweglichkeit."

Das zeigt auch das Regelwerk. Die Jury bewertet bei Wettkämpfen unter anderem die Gangarten Schritt, Trab und Galopp. Dabei kommt es auf den Rhythmus an, die Gleichmäßigkeit, die Leichtigkeit, Ausdauer und auf eine aufrechte, gestreckte Körperhaltung. Und es gibt noch mehr Kriterien, etwa die Linienführung, die Beinbewegung mit gestreckter Fußspitze oder die Zügelhaltung.

"Hobby Horsing unterscheidet sich von herkömmlichen Sportarten durch das gesamte Konzept, das insbesondere Mädchen anspricht. Zusammengefasst ist es eine Mischung aus Leichtathletik, Reiten und Tanzsport, die viel Raum für Kreativität und Fantasie lässt", sagt Karasek. Denn bei der Sportart spielt das Steckenpferd eine große Rolle: "Die jüngeren Kinder verleihen ihren Pferden eigene Charakterzüge und tauchen in eine Art Rollenspiel ein – oft ohne zu merken, dass sie aktiv Sport betreiben."

Spott und Häme in den sozialen Netzwerken

Auf Social Media zeigen Hobby Horser ihr Training und tauschen sich mit anderen Sportlerinnen und Sportlern aus. Sie präsentieren in Videos ihre Steckenpferd-Sammlungen samt Zubehör wie Zügel oder Trensen. Die Community ist groß, manche Clips bei TikTok werden 100.000-fach gelikt. Die Hobby Horser – der Großteil Frauen - tauschen sich in Kommentaren über ihre Leidenschaft aus und schenken einander lobende Worte. Das Glück der Erde liegt für sie auf dem Rücken ihrer Steckenpferde.

Außerhalb dieser Gemeinschaft sieht es meist anders aus. Viele belächeln die Sportart, einige machen sich über die Hobby Horser lustig. Ein Blick in die Kommentare bei YouTube und TikTok zeigt, womit es die Sportlerinnen und Sportler zu tun haben. Es sei wahnsinnig, dass es wirklich Leute gebe, die sowas ernsthaft betreiben, schreibt etwa ein User. Ein anderer meint, sein "Fremdschamfaktor" sei "im höchsten Bereich". Hass und Häme überschatten die positiven Rückmeldungen.

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Verbandschef Karasek weiß um die negativen Reaktionen auf Social Media. Oft versteckten sich Kritikerinnen und Kritiker hinter anonymen Profilen und machten diejenige nieder, die Freude an der Sportart haben, erzählt er. "Ich finde es geschmacklos und bedauernswert, dass Menschen diese Plattform nutzen, um Hasskommentare zu verbreiten. Erschreckend ist dabei, dass die Nörgler oft nicht zwischen Kindern und Erwachsenen unterscheiden." Er hofft jedoch: "Mit besserer Information über den Sport könnten viele eine andere Sichtweise gewinnen."

Von vielen negativen Kommentaren im Internet berichtet auch Hobby Horserin Warncke in der "Hessenschau". Und auch beim Ausreiten würden die Kinder "ganz oft belächelt". Allerdings sieht sie etwas Positives dabei: Die Kinder würden dadurch stark und mutig werden, "weil sie für ihren Sport einstehen". Klar ist jedenfalls: Das Steckenpferd ist für viele Kinder eine günstige und leichter zugängliche Alternative zum echten Pferd.

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