Die Corona-Pandemie hat viele Deutsche belastet. Besonders einschneidend wirkten sich die Jahre von 2020 bis 2022 aber auf Abiturientinnen und Abiturienten aus, wie eine Studie verdeutlicht. Demnach nahm bei ihnen die Lebenszufriedenheit dreimal so stark ab wie in der Gesamtbevölkerung.

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Die Corona-Pandemie mit ihren Einschränkungen hat unser Leben verändert. Verschiedene Studien machten bereits deutlich, welche negativen Auswirkungen es auf die Gesellschaft gab. Und auch die Lebenszufriedenheit ist nach der Pandemie gesunken – steigt mittlerweile aber wieder an.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie stellt nun die Frage: Wie stark haben speziell junge Menschen unter der Corona-Pandemie gelitten? Für die Studie, die in der Fachzeitschrift "European Sociological Review" veröffentlicht wurde, untersuchte das Forschungsteam die Lebenszufriedenheit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Bildungsforscher Martin Neugebauer der Freien Universität Berlin und sein Team verglichen unter anderem Angaben von Abiturientinnen und Abiturienten zwischen dem Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 und Anfang 2022.

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Rückgang der Lebenszufriedenheit bei jungen Menschen "besorgniserregend"

Das Ende der Schulzeit und der Übergang in die nachschulische Laufbahn seien selbst unter "normalen" Bedingungen eine schwierige Entwicklungsphase, schreiben die Studienautoren unter Berufung auf andere Untersuchungen. Schon vor der Studie sei die Besorgnis darüber groß gewesen, dass die Pandemie eine zusätzliche Belastung dargestellt habe. Unter anderem aufgrund von wiederholter Quarantäne, sozialer Isolation und der Unterbrechung schulischer und außerschulischer Aktivitäten.

Zur Studie

  • Die Frage in der Untersuchung lautete: "Wie zufrieden sind Sie derzeit mit Ihrem Leben im Allgemeinen?" Die Befragten antworteten auf einer Skala von 0 (völlig unzufrieden) bis 10 (völlig zufrieden).

Das Ergebnis der Untersuchung bestätigt diese Vermutung: Junge Menschen haben stark unter der Pandemie gelitten. Der Rückgang ihrer Lebenszufriedenheit sei sogar etwa dreimal so stark wie in der Gesamtbevölkerung gewesen, heißt es in einer Mitteilung zur Studie. Zum Vergleich: Abiturienten und Abiturientinnen waren auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie im Schnitt rund 0,8 Skalenpunkte unzufriedener. Bei der Gesamtbevölkerung waren es 0,24 Skalenpunkte.

"Ein vergleichbarer Einbruch der Lebenszufriedenheit ist nur bei wenigen anderen einschneidenden Lebensereignissen wie Arbeitslosigkeit oder dem Tod des Ehepartners zu beobachten."

Martin Neubauer, Bildungsforscher

Laut Bildungsforscher Martin Neubauer ist ein derart starker Rückgang der Lebenszufriedenheit, wie er bei jungen Menschen festgestellt wurde, "außergewöhnlich". "Ein vergleichbarer Einbruch der Lebenszufriedenheit ist nur bei wenigen anderen einschneidenden Lebensereignissen wie Arbeitslosigkeit oder dem Tod des Ehepartners zu beobachten", wird er zitiert. In ihrer Studie schreiben die Autoren: "Das Ausmaß des Rückgangs der Lebenszufriedenheit ist besorgniserregend."

Unterschiede zwischen jungen Männern und Frauen gab es kaum, auch Migrationshintergrund oder die elterliche Bildung hatten wenig Einfluss auf die Ergebnisse.

Vor allem Reisebeschränkungen belasteten junge Menschen

Maskenpflicht, Abstand halten, geschlossene Bars und Clubs: Mit der Pandemie gingen Einschränkungen des öffentlichen Lebens einher. Die Studie zeigt, welche davon die 18- bis 19-Jährigen im Winter 2021/22 besonders belastend fanden:

  • Reisebeschränkungen (54 Prozent)
  • Besuchsverbote von Festivals und kulturellen Veranstaltungen (47 Prozent)
  • Schließung von Bars und Clubs (44 Prozent)
  • Schließung von Einzelhandelsgeschäften (41 Prozent)
  • Schließung von Restaurants (39 Prozent)
  • Verbot von Mannschaftssportarten und Schließung von Sporthallen/Fitnessstudios (38 Prozent)
  • Schließung von Schulen und Universitäten (36 Prozent)
  • Maskentragen (29 Prozent)
  • Verbot von Sportveranstaltungen (23 Prozent)

Vergleich von Abiturjahrgängen der Jahre 2014, 2018 und 2021

In ihrer Studie beleuchten die Forschenden die längerfristigen Effekte mithilfe einer Vergleichsgruppe. So konnte das Forschungsteam feststellen, wie sich die Lebenszufriedenheit Jugendlicher ohne Pandemie entwickelt hätte. Bislang habe es kaum Studien gegeben, die sich mit weitreichenden Folgen beschäftigt hätten. "Wir haben diese Lücken geschlossen, indem wir die Entwicklung der Lebenszufriedenheit von Jugendlichen über zwei Pandemiejahre mit der Entwicklung von Jugendlichen in der gleichen Entwicklungsphase, aber ohne Pandemie, verglichen haben", erklärt Neugebauer.

Für die Untersuchung verglich das Forschungsteam drei Paneldatensätze des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von deutschen Abiturjahrgängen der Jahre 2014, 2018 und 2021:

  • 2.698 Abiturientinnen und Abiturienten ab dem Ausbruch der Pandemie im Herbst 2019 (und zwei Jahre danach)
  • 4.834 Abiturientinnen und Abiturienten der Jahre 2014 und 2018

Schülerinnen und Schüler wurden dafür während der beiden letzten Schuljahre bis sechs Monate nach dem Abitur regelmäßig befragt.

Da die Stichprobe für die Studie aus Abiturientinnen und Abiturienten bestand, lässt sich nicht sagen, ob die Ergebnisse auch auf Schülerinnen und Schülern anderer Schulformen zutreffen. "Ob die Pandemie einfach alle jungen Menschen gleich stark betroffen hat, sollte durch zukünftige Forschung geklärt werden", heißt es abschließend. Außerdem will das Forschungsteam untersuchen, ob sich die Situation der jungen Erwachsenen mit Abklingen der Pandemie verbessert hat.

Die bisherigen Ergebnisse seien aber bereits jetzt "entscheidend für zukünftige politische Entscheidungen und die Gestaltung von Maßnahmen in ähnlichen Stresssituationen".

Verwendete Quellen

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