- Suzanna Randall will mit der Initiative "Die Astronautin" ins All.
- Die Astrophysikerin wäre dann die erste deutsche Frau im Welttraum.
- Warum sie diesen Weg eingeschlagen hat und wie man in Zeiten von Corona Raumfahrerin wird, hat sie uns im Interview erzählt.
Elf Astronauten hat Deutschland bislang ins All geschickt - und sie haben alle eines gemeinsam: Es waren alles Männer. Das muss sich ändern, findet die Astrophysikerin Suzanna Randall. Sie möchte mit der Initiative "Die Astronautin" die erste deutsche Frau im Weltraum werden. Wir haben uns mit ihr über diesen Traum unterhalten - und darüber, wie man in Zeiten von Corona Raumfahrerin wird.
Frau Randall, Sie wollen mit der Initiative "Die Astronautin" die erste deutsche Frau im Weltraum werden. Warum?
Suzanna Randall: (lacht) Meine Antwort auf diese Frage lautet immer: Warum nicht? Es ist tatsächlich schon immer ein Kindheitstraum von mir gewesen, Astronautin zu werden. Ich glaube, diesen Traum haben viele Kinder. Da war schon immer diese wahnsinnige Faszination von diesem Unbekannten, diesem Schweben und dem "die Erde als Planeten sehen" - das war schon immer etwas, was ich als tiefen Wunsch in mir hatte. Das ist das eine.
"Wir sind noch nicht wirklich bei der Gleichberechtigung angekommen"
Und das andere?
Je älter ich werde und je länger ich in Deutschland lebe und arbeite, desto mehr sehe ich, dass wir noch nicht wirklich bei der Gleichberechtigung angekommen sind. Auch wenn sich natürlich schon vieles zum Positiven verändert hat. Deswegen habe ich mich speziell für die Initiative "Die Astronautin" entschieden, um Frauen und Mädchen zu stärken und für die Wissenschaft und Technik zu begeistern.
Sie haben also auch keine Erklärung dafür, warum es bislang elf deutsche Männer ins All geschafft haben, aber noch keine deutsche Frau?
(lacht) Ich glaube, eine simple Erklärung gibt es nicht. Es ist aber schon erstaunlich, dass Deutschland so weit in dieser Angelegenheit hinterher ist. Wir sind hier das absolute Schlusslicht. Zwar sind oder waren weltweit nur ungefähr knapp über 10 Prozent der Astronauten weiblich. Aber jedes andere Land, das eine ähnliche Zahl von Astronauten hochgeschickt hat, hatte schon mehr Frauen im All.
"Deutschland ist noch sehr traditionell geprägt, was das Verständnis der Frau angeht"
Warum ist das so?
Es ist sicher so, dass Frauen in Deutschland in der Wissenschaft und in den technischen Berufen stärker unterrepräsentiert sind als in vielen anderen Ländern. Deutschland ist hier immer noch sehr traditionell geprägt, was das Verständnis der Frau angeht, und auch, wofür sich Mädchen zu interessieren haben. Das ist etwas, was sich nur sehr langsam auch in den Köpfen ändert. Und anscheinend ist Deutschland auch nicht in der Lage, da proaktiv etwas zu tun.
Wie meinen Sie das?
Es ist ja nicht nur in der astronautischen Raumfahrt so, sondern auch in den Konzernen und in den Führungsetagen, dass Frauen immer noch wahnsinnig unterrepräsentiert sind. Andere Länder, das sieht man gerade in Skandinavien, sind da sehr viel weiter, was beispielsweise Quoten angeht. Diese sorgen dafür, dass Frauen überall repräsentiert sind – und das klappt in Deutschland, trotz
"Dieses explizit Weibliche / explizit Männliche finde ich schwierig. Wir brauchen - alle"
Wie erleben Sie das als Wissenschaftlerin? Ist die Wissenschaftsgemeinde momentan zu sehr männlich geprägt und fehlt daher eine explizit weibliche Perspektive in der Forschung?
Dieses explizit Weibliche / explizit Männliche finde ich schwierig. Ich denke einfach wir brauchen – alle. Alle interessierten, begeisterten, talentierten Menschen, egal ob das jetzt Männer oder Frauen sind. Es ist einfach so: Wenn wir – und das geschieht nicht bewusst, sondern das ist einfach sozial so geprägt – am Ende aus diesen sogenannten "Männerberufen" die Frauen ausklammern, dann haben wir eben nicht unbedingt die besten Leute zur Verfügung, weil wir einfach die Hälfte der Gesellschaft komplett außen vor lassen. Mir ist auch klar, dass sich schon sehr viel in den letzten 50 Jahren getan hat. Inzwischen ist es kein Schockfaktor mehr, wenn eine Frau sagt "Ich bin Ingenieurin". Aber es sind einfach noch viel zu wenige Frauen sichtbar, und es gibt auch noch einfach viel zu wenige in entsprechenden Positionen.
Apropos Sichtbarkeit: Sie sind oft im Fernsehen zu sehen, machen auch viel für das Kinderprogramm. Jetzt ist ein Kinderbuch mit Ihnen erschienen, welches Ihren Weg ins All beschreibt. Wie wichtig ist es, Kinder für wissenschaftliche Themen zu begeistern?
Ich finde es unglaublich wichtig, dass sich vor allem junge Menschen für Wissenschaft interessieren. Wie wichtig, das erleben wir jetzt auch gerade in Zeiten von Corona, würde ich sagen. Einerseits erlebt die Wissenschaft gerade einen Boom, weil den Menschen klar wird, wir brauchen beispielsweise Impfungen, damit wir normal weiterleben können. Andererseits steht die Wissenschaft auch gerade stark in der Kritik, weil die belastbaren Corona-Erkenntnisse vielen Menschen zu lange dauern. Oder es fehlt an Verständnis: Die Leute schauen sich Statistiken an, ohne die Daten zu interpretieren oder zu hinterfragen. Das finde ich gerade jetzt sehr gefährlich.
"Es ist verstörend, dass Verschwörungstheorien wieder Zulauf bekommen"
Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern?
Ich sage jetzt nicht, dass alle Kinder in die Physik gehen sollen. Es geht mehr darum, dieses grundsätzliche wissenschaftliche Verständnis zu entwickeln, wie Wissenschaft generell funktioniert. Dann kann sich die nächste Generation selbst kritisch mit solchen Fragen und Themen auseinandersetzen. Denn das ist etwas, das merkt man, das in der Gesellschaft gerade total fehlt. Ich finde es zum Beispiel verstörend, dass, in einem Land wie Deutschland, diese abstrusen Verschwörungstheorien jetzt wieder Zulauf bekommen. Und dem kann man, denke ich, schon in der Schule mehr entgegensetzen – mit kritischem Denken und Hinterfragen. Das ist am Ende auch Wissenschaft.
Bildung steht für viele in Zeiten von Corona gerade mit Homeschooling auf der Kippe. Inzwischen fällt auch immer wieder der Begriff der "verlorenen Generation". Machen Sie sich da Sorgen?
Einerseits leidet natürlich gerade jetzt die Bildung. Aber mit ein bisschen Glück wird diese Pandemie nur grob ein Jahr Einfluss auf unser Leben gehabt haben. Ich denke, das ist zu wenig, um eine Generation wirklich komplett abschreiben zu müssen, auch wenn das natürlich mit dem Homeschooling nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Andererseits denke ich, dass man das auch als Chance verstehen kann. Die Kinder sind jetzt zwar mit einer sehr ungewöhnlichen Situation konfrontiert, doch vielleicht kann das auch zu einem kritischen Nachdenken, diesem Diskurs anregen.
"Am Bildungssystem kann man generell noch etwas schrauben"
Sehen Sie in Sachen Fernunterricht kein Versäumnis der Politik?
Es ist immer einfach, auf die Politik draufzuhauen und zu sagen: "Hey, die hätten sich besser vorbereiten müssen". Aber am Ende müssen wir mit der Situation, wie sie jetzt ist, leben. Es ist momentan halt eine besondere Zeit, und ich glaube, wir versuchen damit umzugehen, so gut es geht. Und wenn ich daran denke, was ich wirklich in einem Schuljahr gelernt habe … (lacht) Ja, da kann man am Bildungssystem generell noch etwas schrauben.
Weil wir es gerade von Corona und Homeschooling hatten: Wie wird man denn Astronautin in Coronazeiten?
Gerade gar nicht. Corona war auch für uns ein Rieseneinschlag. Vor der Pandemie waren wir eigentlich gut unterwegs, hatten die Finanzierung für unser Projekt – der Flug wird etwa 50 Millionen US-Dollar kosten – zwar noch nicht gesichert, aber wir waren in vielen Gesprächen. Es war alles sehr vielversprechend, gerade mit der Bundesregierung, der bayerischen Regierung, mit hochrangigen PolitikerInnen … und dann kam Corona. Und plötzlich und verständlicherweise hatte dann keiner mehr Zeit für uns. Wie wird man also in Coronazeiten Astronautin? Ich würde sagen, mit viel Geduld, wenn ich es herunterbrechen müsste. Immerhin haben wir das Basistraining jetzt im November abgeschlossen.
"Im Basistraining lernt man, in Stresssituation nicht in Panik zu verfallen"
Was lernen Sie in so einem Basistraining genau?
Das Basistraining ist grundsätzlich. Trainiert werden dabei die Basisfähigkeiten, die man eben als Astronautin so braucht. Ich habe beispielsweise einen Flugschein gemacht, einfach um diese Kompetenz zu erwerben, dass man auch in Stresssituationen, im konkreten Fall bei einem Motorausfall, ruhig die Checklisten abarbeitet, konzentriert bei der Sache bleibt und nicht in Panik verfällt. Auch ein Tauchtraining habe ich gemacht und Parabelflüge, also alles Sachen, die man dann auf die Mission später anwenden kann – und ganz viel Theorie, welche ich in der Coronazeit jetzt sehr gut aufholen konnte.
Und was ist mit konkreten Übungen für den späteren Allflug?
Das ist dann das missionsspezifische Training, dafür müssen wir dann in die USA zu SpaceX. Dieses Training müssen wir dann wirklich an der Kapsel absolvieren. Dafür fehlt uns momentan noch die Finanzierung, was durch Corona noch erschwert wird. Deswegen machen wir jetzt sozusagen eine Pause, konzentrieren uns auf andere Projekte und warten, dass sich die politische und finanzielle Situation ein bisschen bessert.
Ihre Astronautenausbildung erfolgt nebenberuflich. Wie muss ich mir das vorstellen? Sie sind vormittags im Büro und dann nachmittags …
Die Flugausbildung war teilweise so, die habe ich hier lokal in der Nähe von München gemacht. Und da war es schon so, dass ich vormittags oder nachmittags in der Flugschule war. Aber der Großteil der Ausbildung lief in Blöcken ab. Dafür haben wir uns wirklich ein, zwei Wochen am Stück freigenommen und dann konzentriert die Ausbildung gemacht.
"Mein Arbeitgeber unterstützt mich sehr. Sonst wäre das nicht möglich"
ESA-Astronauten sind ja Vollzeit-Astronauten. Ist das Ihnen gegenüber nicht unfair?
(lacht) Natürlich wäre es einfacher, wenn wir 100 Prozent unserer Arbeitszeit für das Training hätten. Auf der anderen Seite müssen wir halt mit dem arbeiten, was da ist. Ich habe das Riesenglück, dass mich mein Arbeitgeber extrem unterstützt und mir auch den Freiraum lässt, dass ich bis zu 50 Prozent meiner Arbeitszeit für "Die Astronautin" aufwenden kann. Sonst wäre das nicht möglich.
Wann sollen sie ins All starten?
Ursprünglich angedacht war ein Start im Herbst 2021. SpaceX wird im letzten Teil dieses Jahres die erste kommerzielle Mission fliegen. Das wäre eine Möglichkeit gewesen, wenn wir die Finanzierung gehabt hätten. Aber da wir sie noch nicht haben … nicht vor nächstem Jahr.
Was sollen Sie im All erforschen, wenn Sie dann starten?
Wir wollen uns vor allen Dingen auf physiologische Experimente konzentrieren. Da geht es darum: Wie reagiert der Körper der Frau, mein Körper in diesem Fall, auf Schwerelosigkeit? Weiter haben wir jetzt eine Kollaboration mit dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR). Da geht es darum, wie sich die Sehkraft im Weltraum verändert. Es ist beispielsweise so, dass sich die Sehkraft bei Männern im All verschlechtert und bei Frauen nicht. Aber es gibt noch nicht genug Daten von Frauen. Diese wollen wir sammeln. Ein anderes Projekt, wo wir gerade noch in der Planung sind, ist eine Untersuchung zum Hormonhaushalt der Frau im Weltraum, was ich auch sehr spannend finde. Da arbeiten wir mit einer lokalen Professorin hier in München zusammen.
"Ich hoffe vor allen Dingen, diese Vorbildfunktion irgendwo ausfüllen zu können"
Was hoffen Sie, am Schluss mit ihrer Mission erreicht zu haben?
Für mich sind zwei Dinge wichtig an unserer Mission: Ich hoffe vor allen Dingen, diese Vorbildfunktion irgendwo ausfüllen zu können, dass man als Frau eben auch alles erreichen kann, auch in Deutschland. Daneben sind wir eine private Initiative und in Deutschland das erste astronautische Start-up, das Menschen in den Weltraum schicken möchte – also losgelöst von den staatlichen Strukturen. Ich fände es einfach cool zu zeigen, dass man mit einem Start-up und ein wenig "out of the box"-Denken auch hierzulande was richtig Großes auf die Beine stellen kann.
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