• "Rücksichtslos und gefährlich": Die USA und die NASA erheben schwere Vorwürfe gegen Russland.
  • Bei einem Raketentest soll Moskau einen Satelliten im Weltall zerstört haben – dessen Trümmerteile jetzt zu einer Bedrohung für die Astronauten auf der ISS werden könnten.
  • Russland sieht sich zu Unrecht in der Kritik.

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Die US-Regierung wirft Russland vor, die Sicherheit von Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS durch den Test einer Anti-Satelliten-Rakete gefährdet zu haben. "Wir verurteilen Russlands rücksichtslosen Test", teilte US-Außenminister Antony Blinken am Montagabend (Ortszeit) mit.

Der Beschuss eines russischen Satelliten habe Weltraumschrott hinterlassen, "der das Leben von Astronauten, die Integrität der Internationalen Raumstation und die Interessen aller Nationen gefährdet". Auf der ISS hält sich seit Kurzem auch der deutsche Astronaut Matthias Maurer auf.

Die US-Raumfahrtbehörde NASA schloss sich Blinkens Kritik an. "Ich bin empört über dieses unverantwortliche und destabilisierende Vorgehen", teilte NASA-Chef Bill Nelson mit. Das Vorgehen sei "rücksichtslos und gefährlich und bedroht auch die chinesische Raumstation".

"Entsprechen nicht der Wirklichkeit": Russland weist Vorwürfe zurück

Das Weltraumkommando (Space Command) der US-Streitkräfte teilte mit, der Test vom Montag habe bislang mehr als 1.500 nachverfolgbare Trümmerteile in der erdnahen Umlaufbahn produziert.

Vermutlich würden diese letztlich in Hunderttausende kleinere Trümmer zerfallen und "über Jahre und möglicherweise Jahrzehnte in der Umlaufbahn verbleiben". Dies bedeute "ein erhebliches Risiko für die Besatzung der Internationalen Raumstation und andere bemannte Raumfahrtaktivitäten sowie für die Satelliten mehrerer Länder".

"Russland hat gezeigt, dass es die Sicherheit, den Schutz, die Stabilität und die langfristige Nachhaltigkeit des Weltraums für alle Nationen bewusst missachtet", kritisierte US-General James Dickinson. "Russland entwickelt und setzt Fähigkeiten ein, um den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten und Partnern den Zugang zum Weltraum und dessen Nutzung aktiv zu verweigern."

Russland weist Gefährdungs-Vorwürfe entschieden zurück

Das russische Verteidigungsministerium bestätigte den Testabschuss eines Satelliten. Den Vorwurf einer Gefährdung für Raumfahrer wies Moskau allerdings zurück.

Russlands Militär habe am Montag "erfolgreich einen Test durchgeführt, infolge dessen der ausgediente Raumflugkörper ´Zelina-D` getroffen wurde, der sich seit 1982 im All befindet", heißt es in einer Mitteilung vom Dienstag.

Die Trümmerteile des zerstörten Satelliten "stellten und werden keine Bedrohungen für Raumstationen, Raumflugkörper und Weltraumaktivitäten darstellen", betonte das Ministerium.

Den Vorwurf, Moskau gefährde die friedliche Nutzung des Weltraums, nannte Russlands Außenminister Sergej Lawrow "Heuchelei". Es gebe dafür keinerlei Belege. Stattdessen treibe das Pentagon selbst "auf aktivste Art und Weise" ein Wettrüsten im All voran, kritisierte Lawrow - etwa durch Tests von Angriffswaffen.

ISS muss wegen Weltraumschrott zeitweise geräumt werden

Wegen einer möglichen Kollision mit Weltraumschrott war die ISS am Montag zweimal kurzzeitig geräumt worden. Der Kosmonaut Pjotr Dubrow sagte der russischen Staatsagentur Tass zufolge, die sieben Raumfahrer hätten sich in beiden Fällen in zwei an der Station angedockten Raumschiffen in Sicherheit gebracht.

Maurer wechselte laut der Europäischen Weltraumorganisation ESA in die "Crew Dragon", mit der der Saarländer erst am Freitag vergangener Woche den Außenposten erreicht hatte. Im Falle eines Zusammenstoßes hätte die Besatzung so zur Erde zurückfliegen können.

Auch die NASA teilte mit, die Astronauten und Kosmonauten auf der ISS hätten "Notfallverfahren für die Sicherheit" eingeleitet, nachdem die Flugsicherung sie wegen der Trümmer geweckt hatte. Die Luken zu bestimmten Modulen seien geschlossen worden. Als die ISS die Trümmerwolke durchflog, seien die Astronauten und Kosmonauten in ihre Raumschiffe gewechselt.

Tass berichtete, der Generaldirektor der russischen Raumfahrtbehörde Roscosmos, Dmitri Rogosin, werde an diesem Dienstag in Moskau mit NASA-Vertretern zusammenkommen. Bei dem bereits seit Längerem angesetzten Treffen werde es nun auch um den Vorfall vom Montag gehen.

"Einfach unverzeihbar": Experte kritisiert Russland für Weltraumschrott

Bei den von Russland eingesetzten Antisatellitenwaffen handelt es sich um hochtechnologisierte Raketen, die nur wenige Staaten weltweit besitzen.

Zuletzt hatte im Jahr 2019 Indien einen Test mit einer solchen Waffe vorgenommen und dabei Hunderte Teile an Weltraumschrott produziert. Die USA und andere Mächte hatten den Test damals scharf kritisiert.

Der Harvard-Astronom Jonathan McDowell betonte, dass bereits jetzt zu viel Weltraumschrott existiere. "Absichtlich mehr davon zu erzeugen, ist einfach unverzeihbar", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Nach seiner Einschätzung dürften die ersten Teile aus der durch den russischen Test erzeugten Wolke aus Weltraumschrott in einigen Monaten in die Erdatmosphäre eintreten. Bis der Schrott komplett verschwunden ist, könne es aber bis zu zehn Jahre dauern, sagte der Wissenschaftler. Eine Gefahr darstellen könnten die Trümmerteile für die mehr als 4.500 Satelliten, die sich derzeit in der niedrigen Erdumlaufbahn befinden.

Die Konkurrenz zwischen den Großmächten im Weltraum hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. "Sowohl China als auch Russland integrieren den Weltraum zunehmend in ihre militärischen Kapazitäten", sagte US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines vergangene Woche in Washington.

Trotz ihrer Spannungen in vielen anderen Bereichen kooperieren die USA und Russland aber seit dem Ende des Kalten Krieges eng in der Raumfahrt - vor allem auf der ISS. (dpa/AFP/thp)


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