Am 31. März ist wieder Zeitumstellung – obwohl sich eine Mehrheit bei einer EU-Umfrage 2018 gegen die Zeitumstellung und für eine dauerhafte Sommerzeit ausgesprochen hat. Expertinnen und Experten halten das jedoch für gar keine gute Idee.

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Tiere, Pflanzen, Pilze und sogar Cyanobakterien haben sie: eine innere Uhr. Doch was Lebewesen im Laufe der Evolution offenbar große Vorteile bescherte, macht uns Menschen im Alltag heute so manches Mal Probleme. Denn unsere innere Uhr passt oft nicht zum sozialen Rhythmus, den wir Menschen uns auferlegt haben. Eine dauerhafte Sommerzeit würde nach Ansicht von Expertinnen und Experten alles noch schlimmer machen. Aber der Reihe nach.

Rund 80 Prozent der Bevölkerung haben einen "sozialen Jetlag"

Die meisten Menschen leben aus sozialen Zwängen heraus permanent entgegen ihrer inneren Uhr. Das heißt, sie müssen früher aufstehen, als gut für sie ist. Wie sie tickt, wird von den Genen bestimmt und ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Nur zehn Prozent sind "Lerchen", also echte Frühaufsteher. Ungefähr 20 Prozent sind dagegen "Eulen", also Langschläfer. "Der Rest befindet sich irgendwo dazwischen", sagt Achim Kramer, Chronobiologe an der Charité Berlin.

Der Experte schätzt, dass bei rund 80 Prozent der Bevölkerung die innere Uhr nicht zur sozialen Uhr passt, die eine Anwesenheit um 7 oder 8 Uhr morgens im Büro oder in der Schule verlangt. Wenn morgens der Wecker klingelt, sind die meisten also innerlich noch auf Schlaf eingestellt. Einfach früher ins Bett zu gehen, ist aber nicht möglich, wenn der Zeiger der inneren Uhr noch nicht auf Schlafen steht.

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So kommt es jeden Tag zu einem kleineren oder größeren Schlafdefizit, das Chronobiologinnen und -biologen auch sozialen Jetlag nennen. Das kann auf Dauer die Leistung einschränken und das Risiko für psychische Erkrankungen oder Diabetes und Adipositas erhöhen. "Je mehr sozialen Jetlag ich habe, desto ungesünder lebe ich", sagt Kramer.

Dauerhafte Sommerzeit? Keine gute Idee

Wird die Uhr im März um eine Stunde vorgestellt, verschlimmert das die Situation. Der Unterschied zwischen innerer Uhr und sozialer Uhr wird dadurch noch größer. Zwar werden wir im Sommer tendenziell früher wach als im Winter. Unsere Innenzeit würde im Sommer also besser zur sozialen Zeit passen - wäre da nicht die Zeitumstellung. "Wir stellen einfach die Uhr vor und sagen, jetzt beginnt alles eine Stunde früher. Dadurch ist der positive Effekt im Sommer einfach wieder weg", sagt Kramer.

Die Abschaffung der Zeitumstellung in der EU steht eigentlich schon seit 2018 auf der Agenda, nachdem sich bei einer europaweiten Umfrage 80 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegen die Zeitumstellung ausgesprochen hatten. Eine Mehrheit von 56 Prozent der Befragten sprach sich zudem für die Einführung einer dauerhaften Sommerzeit aus. Viele wünschen sich längere Abende – aber Expertinnen und Experten halten das für gar keine gute Idee.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Dauerhafte Sommerzeit: Lichtsignal am Morgen fehlt

Bei dauerhafter Sommerzeit würde unser Alltag dauerhaft früher beginnen. Zwar lässt sich die innere Uhr in einem gewissen Rahmen auf "früher" einstellen - dafür ist allerdings Tageslicht nötig, insbesondere am Morgen. Bei ewiger Sommerzeit würde die Sonne zum Beispiel in Hamburg am 22. Dezember aber erst um 9:35 Uhr aufgehen. Das Lichtsignal, das die innere Uhr vor allem am Morgen zur Synchronisierung braucht, kommt im Vergleich zu unserer sozialen Zeit also sehr spät.

"Wenn die Sonne endlich aufgegangen ist, sitzen wir längst in der Schule oder im Büro und kriegen das Licht nicht ab", sagt Kramer. "Das ist auch der Grund, warum sich heute schon viele nach der Zeitumstellung ganz schlecht an die neue Anfangszeit anpassen können."

Eine dauerhafte Sommerzeit würde demnach zu einem dauerhaften sozialen Jetlag führen. Expertinnen und Experten wie Kramer plädieren daher eher für die Einführung einer dauerhaften Winterzeit. "Für Deutschland wäre die mitteleuropäische Normalzeit ideal, also das, was wir heute Winterzeit nennen. Dann steht die Sonne um 12:00 Uhr genau im Zenit", sagt Kramer.

Dass es dann am Abend früher dunkel wird, missfällt vielen Menschen. Die Normalzeit passt aber besser zu unserer Biologie und käme unserem inneren Rhythmus eher entgegen. Das gilt jedoch nicht für alle Länder in Europa.

Spanien zum Beispiel, wo die Sonne viel später aufgeht, müsste wie Portugal in eine andere Zeitzone kommen. "Und zwar in die von England, die mittlere Greenwich-Zeit", sagt Kramer. Geht es also rein nach unserer Biologie, müssten Länder die Zeitzone wechseln.

Wie lässt sich die innere Uhr an die soziale Zeit anpassen?

Aber auch ohne Zeitumstellung und ewige Sommerzeit ist die innere Uhr durcheinander. "Wir gehen oft schlecht mit Licht um und machen die ohnehin schon problematische Situation noch problematischer", sagt Kramer. Tagsüber halten wir uns meist drinnen auf, wo es meist dunkler ist als draußen. Nachts ist es aufgrund der vielen künstlichen Lichtquellen jedoch zu hell. Dadurch ist unsere innere Uhr verschoben.

Wer morgens beim Klingeln des Weckers schlecht aus dem Bett kommt, dem rät Chronobiologe Kramer zu ganz viel Tageslicht, insbesondere am Morgen. "Fahren Sie mit dem Fahrrad zur Arbeit oder steigen Sie eine Station früher aus und gehen Sie die letzten Meter zu Fuß." Entscheidend ist auch die Lichtmenge am Abend.

Wer abends stundenlang vor dem Computerbildschirm sitzt und nicht den Nacht-Modus eingeschaltet hat, bekommt zu viel blaues Licht ab. Dieses blaue Licht wirkt besonders effektiv auf die innere Uhr. "Es signalisiert, dass es Tag ist - wir werden also später müde."

Ein bewussterer Umgang mit Licht kann also helfen, die innere Uhr etwas früher zu stellen. Dadurch lässt sich der soziale Jetlag verringern. Aus einer Eule eine Lerche zu machen, ist allerdings nicht möglich, sagt Kramer. "Man kann die innere Uhr leicht verändern, aber eben nicht in jedem Ausmaß. Wir können uns nicht komplett umstellen."

Über den Gesprächspartner:

  • Prof. Dr. Achim Kramer ist Biochemiker und leitet die Abteilung Chronobiologie an der Charité Berlin.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

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