Die Bundeskanzlerin gilt als die mächtigste Frau der Welt. Einmal in ihre Schuhe schlüpfen und in Deutschland das Sagen haben – das klingt verlockend. Doch der Job ist Stress pur, der Tag genau durchgetaktet.
Alltag und Ausnahmezustand, das sei manchmal identisch, hat
Zwischen 7:00 Uhr und 8:00 Uhr beginnt der Arbeitstag. Ein Chauffeur bringt Merkel in einem gepanzerten Audi A8 zum Kanzleramt. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger
Merkels 140-Quadratmeter-Büro liegt im siebten Stock des Kanzleramts. Dort angekommen, überfliegt Merkel die Nachrichtenlage und was an diesem Tag über sie in den Zeitungen steht. Das Material haben einige der etwa 450 Mitarbeiter des Amts in den frühen Morgenstunden für sie vorbereitet.
Gespräche zur Morgenlage
Um 8:30 Uhr trifft sich Merkel mit ihren engsten Vertrauten zur Morgenlage. Dabei sind unter anderem ihre Büroleiterin, der Kanzleramtschef und der Regierungssprecher. Zusammen sprechen sie über aktuelle Fragen, die Presseschau und den Tagesablauf. Das Treffen gilt als geschützter Raum, in dem offen geredet wird. Details dringen nicht nach außen. Um 9:30 Uhr folgt jeden Mittwoch die Kabinettssitzung. Hier kommen alle Minister zusammen und beraten und beschließen unter dem Vorsitz der Kanzlerin die nächsten Vorhaben der Bundesregierung, wie Gesetzentwürfe, Verordnungen oder Initiativen.
Am Vormittag warten weitere Termine auf Angela Merkel: Das kann eine bevorstehende Regierungserklärung sein, die überarbeitet werden muss, oder das Treffen mit einer Mitarbeiterin aus ihrem Wahlkreis oder die Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung, oder, oder, oder. Etwa 40 Termine muss die Kanzlerin pro Woche absolvieren, bei besonderen Ereignissen wie der Eurokrise auch mehr. Dazwischen muss regiert werden, das heißt Beratungen abhalten, Akten studieren, Dokumente unterzeichnen. Mehrere dutzend SMS erhält und versendet sie zudem am Tag.
Empfang von Staatsgästen
Mittags empfängt Merkel ab und an Staatsgäste, vergangene Woche zum Beispiel den Ministerpräsidenten der Republik Moldau. Nach einer Begrüßung mit militärischen Ehren wird gemeinsam gegessen. Das Kanzleramt hat einen eigenen Koch, der zu solchen Anlässen deutsche Küche zubereitet: Ente mit Pflaumensoße oder Königsberger Klopse.
Richtig Pause machen kann die Kanzlerin jedoch nicht. Bei diesen "Arbeitsessen" werden wichtige politische Anliegen besprochen. Danach tritt sie mit ihrem Gast für ein Statement vor die Presse. Nach anderthalb bis zwei Stunden ist der Besuch vorbei. Vor dem nächsten Termin zieht sich Angela Merkel um und lässt sich von ihrer Stylistin noch einmal schminken und frisieren.
Zum Termin mit dem Regierungsflieger
Am Nachmittag geht es weiter mit dem Terminmarathon. Oft sind das Besuche, Empfänge oder Reden irgendwo in Deutschland. Vergangene Woche hat die Kanzlerin zum Beispiel ein Forschungsschiff in Rostock getauft. Bei solch größeren Entfernungen fliegt sie mit einem Hubschrauber, die Reisezeit nutzt sie, um sich auf den Termin vorzubereiten, Unterlagen zu lesen oder Anweisungen an ihre Mitarbeiter zu geben.
Bei Reisen ins Ausland nimmt sie den Regierungsflieger "Konrad Adenauer". Angela Merkel ist viel unterwegs, mehr als 40 Auslandsreisen absolviert sie pro Jahr. 2012 legte sie allein in einem Monat mehr als 55.000 Kilometer zurück.
Feierabend um 22:00 Uhr
Erst zwischen 22:00 Uhr und Mitternacht endet der Arbeitstag der Kanzlerin. Auch die Abendessen sind meist berufliche Treffen, mit ihrem Mann isst sie unter der Woche so gut wie nie. Merkel hat keinen Arbeitsvertrag mit festgelegten Arbeitszeiten oder einem bestimmten Urlaubsanspruch. Sie ist immer im Amt – und damit immer auf Abruf, auch am Wochenende oder wenn sie gerade in Österreich wandern geht. Das Einzige, was festgelegt ist: Sie erhält derzeit rund 21.000 Euro Grundgehalt im Monat. Das klingt viel, ist aber weit weniger als zum Beispiel Topmanager verdienen.
Wenn es gut läuft, liegt die Kanzlerin kurz nach Mitternacht im Bett. Dann bekommt sie sechs bis sieben Stunden Schlaf. Bei Ereignissen wie der Eurokrise oder den Koalitionsverhandlungen sind die Nächte deutlich kürzer. Doch auch dann wartet am nächsten Morgen wieder ein Arbeitsmarathon auf die Kanzlerin.
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