Laut Nachrichtenagentur Reuters sind chinesische Autohersteller an der Übernahme von VW-Werken in Deutschland interessiert. Besonders im Fokus ist offenbar das Werk Osnabrück.

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Chinesische Unternehmen und Regierungsvertreter haben ein Auge auf deutsche Automobilwerke geworfen, die von einer Schließung bedroht sind. Insbesondere Volkswagen-Standorte wie Dresden und Osnabrück rücken dabei in den Fokus. Dies geht aus Informationen hervor, die die Nachrichtenagentur Reuters von einer mit der chinesischen Regierung vertrauten Quelle erhielt. Der Aufbau einer Produktion in Deutschland würde es chinesischen Herstellern ermöglichen, Importzölle auf Elektroautos zu umgehen und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt zu steigern.

VW-Werke im Umbruch

Volkswagen, Europas größter Automobilhersteller, sieht sich seit einiger Zeit mit wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Sinkende Verkaufszahlen und der wachsende Konkurrenzdruck aus China haben den Konzern zu Kostensenkungen und Standortschließungen gezwungen. Zuletzt einigte sich das Unternehmen mit den Gewerkschaften darauf, die Produktion im Werk Dresden bis 2025 und in Osnabrück bis 2027 einzustellen.

Für das Werk in Osnabrück, in dem derzeit rund 2.300 Mitarbeiter beschäftigt sind, wird eine Nachfolgelösung gesucht. Ein VW-Sprecher betonte laut Reuters: "Das Ziel muss eine tragfähige Lösung sein, die die Interessen des Unternehmens und der Mitarbeiter berücksichtigt." Gerüchten zufolge könnte ein Verkauf an chinesische Investoren eine solche Option sein.

Die Gewerkschaften zeigen sich laut Reuters offen für alternative Lösungen, solange die Standards von Volkswagen gewahrt bleiben. Stephan Soldanski, ein Gewerkschaftsvertreter in Osnabrück, wird von der Nachrichtenagentur zitiert: "Ich könnte mir vorstellen, dass wir für ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner produzieren – aber nur unter dem VW-Logo und nach VW-Standards."

Politisch sensibles Thema

Ein möglicher Einstieg chinesischer Investoren in die deutsche Automobilbranche ist jedoch nicht ohne Brisanz. Die Beziehungen zwischen Deutschland und China haben sich nach Jahren enger wirtschaftlicher Verflechtung abgekühlt. Die Bundesregierung unter Noch-Kanzler Olaf Scholz verfolgte eine diversifiziertere Außenwirtschaftspolitik, um die Abhängigkeit von China zu verringern.

Chinesische Elektrofahrzeug-Hersteller sehen Europa als strategischen Wachstumsmarkt. Unternehmen wie BYD, Leapmotor und Chery Auto suchen aktiv nach Produktionsstätten in Europa. Während einige – wie BYD – auf Länder mit geringeren Arbeitskosten wie Ungarn setzen, prüfen andere auch Standorte in Westeuropa. Für das vor der Schließung stehende Ford-Werk in Saarlouis zeigte gerüchteweise bereits BYD Interesse, doch zu konkreten Verhandlungen ist es nicht gekommen.

Standortsuche in Europa

Bestehende Fabriken wie die von Volkswagen oder Ford sind für Übernahmen durch andere Hersteller attraktiv, da sie Zeit und Kosten beim Aufbau neuer Produktionskapazitäten sparen. Ein weiterer Vorteil ist die bestehende Infrastruktur inklusive ortsansässiger Zulieferer und eine bereits vorhandene Belegschaft, sodass nicht erst Mitarbeiter rekrutiert werden müssen. Ein positives Beispiel hierzu bietet die Übernahme des ehemaligen Smart-Werks im französischen Hambach durch den Geländewagenhersteller Ineos.

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Chinas langfristige Ziele

Die Pläne chinesischer Automobilhersteller gehen über kurzfristige Investitionen hinaus. Der europäische Markt gilt als Test für die Markt-Akzeptanz und als Sprungbrett für weitere internationale Expansionen. Ein erfolgreicher Einstieg in Deutschland könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Ob und wie ein solcher Deal zustande kommt, hängt jedoch maßgeblich von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen ab.  © auto motor und sport

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