• Dass sich auch Geimpfte anstecken und das Virus weitergeben können, ist Fakt.
  • Auch in Ländern mit einer recht hohen Impfquote können die Fallzahlen folglich ganz schön hochgehen.
  • Daraus zu schließen, dass die Impfungen nichts bringen, ist aber falsch; es werden definitiv weniger Menschen (schwer) krank.

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Eine Impfquote von 100 Prozent und trotzdem eine Inzidenz an die 1.000? Vor einiger Zeit sorgte diese Meldung aus Gibraltar für Aufsehen. Impfskeptiker sahen sich bestätigt: Die Impfung wirkt also gar nicht!

Mittlerweile wurde das Phänomen erklärt - unter anderem damit, dass dort viel getestet wurde, es viel Grenzverkehr gibt und die Impfquote in der dort tatsächlich lebenden Bevölkerung eher bei 90 als bei 100 Prozent liegt. Vor allem aber zeigt das Beispiel genau das Gegenteil dessen, was die Impfgegner unterstellen: nämlich, dass die Impfungen sehr wohl wirken.

Denn selbst zu Zeiten, in denen die diesjährige Herbst-Welle hoch war, mit einer Inzidenz von an die 1.000 Mitte November, gab es nur sehr wenige Menschen, die dort wegen COVID-19 ins Krankenhaus oder gar auf die Intensivstation mussten. Laut einer Mitteilung der Regierung von Gibraltar waren damals fünf Personen im Krankenhaus und eine auf der Intensivstation.

Eine Statistik von Reuters zeigt zudem, dass es bei der aktuellen Welle trotz der hohen Inzidenz nur sehr wenige Todesopfer gab. Viel weniger als beispielsweise bei der Welle im Januar dieses Jahres, als es noch keine beziehungsweise kaum Impfungen gab .

Entscheidend ist die Frage: Wie schwer erkranken die Menschen?

Ein weiteres Beispiel, das nach Meinung von Impfgegnern gezeigt hat, dass Impfungen nichts bringen, ist Dänemark. Dort steigt die Inzidenz wie in Deutschland seit Ende Oktober wieder stark an, obwohl die Impfquote mit 76 Prozent der Gesamtbevölkerung schon deutlich höher ist als hierzulande mit 69 Prozent.

Nun ist schon länger bekannt, dass Geimpfte sich anstecken und das Virus weitergeben können. Entscheidender als die schiere Inzidenz ist aber, ob Menschen von dem Virus schwer krank werden. Und da sprechen die Zahlen für sich - und eindeutig für die Impfung.

Polen hat mehr als fünfmal so viele Todesfälle wie Portugal

Betrachtet man zum Beispiel Portugal, das mit 89 Prozent eine der höchsten Impfquoten überhaupt hat, fällt auf, dass zwar auch dort die Inzidenzen zuletzt wieder gestiegen sind. Allerdings sind sie auf einem niedrigeren Niveau gestiegen (auf rund 240) und die Zahl der Menschen, die dort ins Krankenhaus müssen, ist niedriger als hierzulande.

Laut "Our World in Data", einer Statistik-Plattform der Universität Oxford, wurden zuletzt in Portugal 708 Menschen (Stand: 27. November) mit COVID-19 im Krankenhaus behandelt. Auf 100.000 Einwohner ist das eine Quote von 6,9. Das ist weniger als in Deutschland mit einer Quote von 7,4 - und das, obwohl in Portugal relativ gesehen deutlich mehr ältere Menschen leben.

Noch deutlicher wird der Unterschied bei der Zahl der Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen. Hier liegt die Quote in Portugal bei 1,0 und in Deutschland bei 5,2.

In Polen mit einer sehr niedrigen Impfquote von 55 Prozent sind die Zahlen noch viel höher. Die 100.000-Einwohner-Quote der Krankenhausfälle liegt dort bei knapp 53. Die Zahl der Menschen auf Intensivstationen ist bei "Our World in Data" nicht ausgewiesen, allerdings die Zahl der Todesfälle pro eine Million Einwohner.

Sie liegt laut "Our World in Data" aktuell (Stand: 6. Dezember) dreimal so hoch wie in Deutschland und mehr als fünfmal so hoch wie in Dänemark und Portugal. Was auch heißt: Im Vergleich mit Dänemark und Portugal hat Deutschland fast doppelt so viele COVID-Tote zu beklagen.

Statistiker der LMU haben die Risiken von Ungeimpften und Geimpften berechnet

Die Zahl der Impfskeptiker ist in Polen offenbar noch viel größer als in Deutschland und die Todesrate mit am höchsten auf der Welt. Aber um die Wirksamkeit der Impfung zu sehen, muss man gar nicht über Deutschland hinaus blicken. Denn erst kürzlich haben Statistiker der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) anhand von Zahlen aus Deutschlands Krankenhäusern gezeigt, wie sehr es hilft, geimpft zu sein.

Der Bericht der Forscher um Göran Kauermann beginnt mit den Worten: "Aktuell wird über die Wirkung der COVID-19-Impfung viel diskutiert, da die augenscheinlich hohe Anzahl von geimpften Patient:innen in Krankenhäusern, die wegen COVID-19 behandelt werden müssen, stark gestiegen ist." Mit einer Formel, die auch die Gesamt-Impfquote der Bevölkerung mit einbezieht und nicht allein schaut, wie viele Geimpfte und Ungeimpfte wegen COVID-19 in den Krankenhäusern liegen, haben sie das Risiko einer schweren Erkrankung berechnet.

Risiko, auf der Intensivstation zu landen, für Ungeimpfte bis zu 20-mal höher

Demnach ist das Risiko für 18- bis 59-Jährige, mit COVID-19 im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, für Ungeimpfte neunmal höher als für Geimpfte. Bei den über 60-Jährigen ist es siebenmal höher. Das Risiko, mit der Erkrankung auf einer Intensivstation zu landen, ist bei 18- bis 59-Jährigen ungeimpft 20-mal höher, bei über 60-Jährigen fast zehnmal.

Nach ihren Daten gebe es "einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Impfquote auf die Hospitalisierungen", wie die Autoren weiter schreiben. Zu sehen ist das anhand von Zahlen aus den Bundesländern: "Die höchsten Belegungen (der Intensivstationen, Anm. d. Red.) weisen die Bundesländer Sachsen, Thüringen und Bayern auf, bei gleichzeitig sehr niedrigen Impfquoten."

Wegen Omikron: Drosten dämpft Hoffnungen auf Ende der Pandemie im Frühjahr

Die neue Omikron-Variante des Coronavirus breitet sich derzeit weltweit aus. Daher geht der Virologe Christian Drosten davon aus, dass sich dei Pandemie noch länger hinziehen könnte. Zudem erwartet Drosten, dass die Variante eine Anpassung der vorhandenen Impfstoffe nötig machen werde.

Derzeit sind die meisten Impfungen Booster-Dosen

Trotz der Inzidenzen und steil nach oben gehenden Krankenhauskurven hat die Impfkurve bislang aber nicht deutlich angezogen. Zwar wurden seit Mitte November pro Tag deutlich mehr Impfdosen verabreicht als davor. Von den laut "impfdashboard.de" rund 614.000 Dosen, die beispielsweise am 6. Dezember gespritzt wurden, waren aber der allergrößte Teil (rund 523.000) Booster-Impfungen.

Zieht man die Null- bis Vierjährigen, für die es noch keinen Impfstoff gibt, und die Fünf- bis Zwölfjährigen, deren Impfkampagne gerade erst losgeht, ab, bleiben immer noch mehr als 14 Millionen Menschen, die sich aktuell impfen lassen könnten, aber es nicht tun. Was auch immer ihre Gründe sein mögen: An Gibraltar und Dänemark liegt es jedenfalls nicht.

Verwendete Quellen:

  • Our World in Data: Hospitalisierungen durch COVID-19, Todesfälle durch COVID-19
  • CODAG-Bericht vom 19. November 2021 der LMU München
  • Reuters.de: COVID-19-Tracker
  • Statista.de: Altersstruktur in Portugal
  • Statista.de: Altersstruktur in Deutschland
  • Mitteilung der Regierung von Gibraltar vom 12. November 2021
  • Website der dänischen Regierung: COVID-19 surveillance
  • Robert Koch-Institut: Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiter übertragen?
  • Impfdashboard des Bundesgesundheitsministeriums
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