- Noch nie dauerte ein Treffen der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Kanzlerin so lange wie am Montag.
- Noch nie wurden die Beschlüsse so kritisch gesehen.
- Während die einen Alternativlosigkeit aufgrund vergangener Versäumnisse konstatieren, werfen andere den handelnden Personen aus Kanzleramt und den Bundesländern Versagen vor.
"Guten Morgen! Wir haben heute intensiv gearbeitet" – mit diesen Worten leitete
Gemeinsam mit Berlins Regierendem Bürgermeister
Vorangegangen waren ausgiebige Diskussionen, Streitigkeiten, an die Medien durchgestochene Beschlussentwürfe und auch mehrstündige Unterbrechungen, in denen der komplette Corona-Gipfel vor dem Scheitern stand.
Herausgekommen sind sieben Seiten Gedrucktes, schwarz auf weiß, Lagebeschreibung inklusive, die Maßnahmen unterteilt in zwölf Einzelpunkte – und für jeden abrufbar auf der Webseite der Bundesregierung (PDF).
Doch hält das Dokument, was es verspricht? Haben sich Angela Merkel und Co. wirklich zu Maßnahmen durchgerungen, die geeignet sind, um der Corona-Pandemie endlich Herr zu werden? Die wichtigsten Punkte im Überblick – und in der Kritik:
Verlängerung des aktuellen Lockdowns bis zum 18. April
Die Corona-Infektionszahlen steigen weiter exponentiell an, Intensivstationen in den Kliniken verzeichnen steigende Belegungen, die ansteckenderen Coronavirus-Mutationen breiten sich immer weiter aus – da blieb der Runde eigentlich keine andere Alternative.
"Wir haben das Virus noch nicht besiegen können, es lässt nicht locker", konstatierte Kanzlerin Merkel, Deutschland sei in einer "sehr ernsten Lage". Damit gilt auch weiterhin die Anfang März beschlossene Notbremse, die bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern greifen soll.
Städtetagspräsident Burkhard Jung nannte die Verlängerung des Lockdowns bis zum 18. April bitter. "Aber sie war jetzt nicht zu vermeiden, weil Bund und Länder Anfang März zu viel Hoffnung auf Öffnungen geweckt haben", sagte der Leipziger Oberbürgermeister am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Der Anstieg der Infektionen sei absehbar gewesen. Die Teststrategie hätte "vernünftig" vorbereitet werden müssen.
Der Linksfraktionsvorsitzende
"Die Kanzlerin und ihre Minister sollten sich bei den Bürgern entschuldigen, um für neues Vertrauen in die Maßnahmen zu werben." Bartsch zählte eine ganze Reihe von Bereichen auf, in denen die Regierung seiner Meinung nach schlechte Arbeit leiste: " Impfen, Testen, Digitalisierung: Das Land spielt weit unter seinen Möglichkeiten."
Blitz-Lockdown und "erweiterte Ruhezeit" über Ostern
In der Zeit vom 1. April (Gründonnerstag) bis zum 5. April (Ostermontag) gilt ein Verbot von Ansammlungen im öffentlichen Raum. Im Beschlusspapier ist von einer "erweiterten Ruhezeit zu Ostern" die Rede. Geöffnete Außengastronomie wird geschlossen. Geschäfte müssen ebenfalls geschlossen bleiben, nur der "Lebensmitteleinzelhandel im engen Sinne" darf am Karsamstag (3. April) öffnen.
Religionsgemeinschaften werden gebeten, in dieser Zeit nur virtuelle Gottesdienste durchzuführen. Impf- und Testzentren bleiben geöffnet. Eventuelle Öffnungsschritte nach dem am 3. März vereinbarten Fahrplan sollen frühestens am 6. April greifen. Mit dieser Maßnahme hoffe man, "ein bisschen eine Bremsung hinzukriegen", so Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) im ZDF-"Morgenmagazin".
Der Epidemie-Experte Dirk Brockmann von der Berliner Humboldt-Universität hält die Oster-Einschränkungen grundsätzlich für sinnvoll. "Das könnte einen sehr positiven Effekt haben", sagte Brockmann am Dienstag im Deutschlandfunk. "Alles, was Kontakte reduziert, bringt was", hob er hervor. Zumindest sei der Oster-Lockdown "besser als gar nichts".
Ob er allerdings ausreichen würde, um die Infektionsdynamik zu bremsen, "das wird sich dann zeigen", äußerte sich Brockmann zurückhaltend. "Wir sind mitten in der dritten Welle", mahnte er, "die Intensivstationen werden immer voller, auch mit jüngeren Menschen".
Die katholische Kirche will außerdem offenbar nicht der Bitte von Bund und Ländern nachkommen, zu Ostern Gottesdienste nur virtuell abzuhalten. "Zu Weihnachten haben wir gezeigt, wie wir mit Vorsicht Messe feiern können. Darauf wollen wir Ostern nicht verzichten", schrieb der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am Dienstag bei Twitter. Ostern sei das wichtigste Fest für die katholische Kirche, Gottesdienste seien "kein Beiwerk", so Bätzing. Von den Beschlüssen des Corona-Gipfels seien die Bischöfe "überrascht" worden.
Stattdessen sollten die Menschen "unverändert weiter zur Arbeit, aber ihre Osterfeiertage möglichst ohne Kontakt zur Außenwelt verbringen". Das sei "als ‚Wellenbrecher‘ untauglich und unausgewogen", zumal in einer Zeit, "in der das Vertrauen der Menschen in die Politik weiter schwindet".
Reisen in den Osterferien
Bund und Länder appellieren "eindringlich", auf nicht zwingend notwendige Reisen im In- und Ausland zu verzichten. Für Rückkehrer aus ausländischen Gebieten mit hohen Infektionszahlen oder mit einer starken Verbreitung von Virusvarianten gibt es schon eine Quarantänepflicht.
Da insbesondere bei beliebten Reisezielen wie der Deutschen liebste Urlaubsinsel Mallorca mit einer leichten Verbreitung von Covid-19-Varianten zu rechnen sei, "erwarten" Bund und Länder von allen Fluglinien "konsequente Tests von Crews und Passagieren vor dem Rückflug und keine weitere Ausweitung der Flüge während der Osterferien.
Die Bundesregierung will zudem einen Test vor dem Abflug für die Einreise nach Deutschland vorschreiben - dafür müsste aber der Bundestag einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes zustimmen.
Wie die Testung konkret umgesetzt werden soll, ist bei den Airlines aber noch unklar. "Wir prüfen im Moment die Ausgestaltung", hieß es am Dienstag bei der Fluggesellschaft Condor. Tests statt Quarantäneregelungen seien aber "grundsätzlich der richtige Weg" und auch positiv für die Reisebranche.
Offen ist, wer für die anfallenden Kosten aufkommt und was mit positiv getesteten Urlauberinnen und Urlaubern passiert. Derzeit laufen dazu Gespräche in alle Richtungen.
FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete die Beschlüsse als "zu scharf" und "zu wenig innovativ". Es sei "eine erschütternde Konzeptlosigkeit, dass das Prinzip 'Wir bleiben zu Hause' auch nach mehr als einem Jahr immer noch die zentrale Antwort auf die Pandemie ist", sagte Lindner am Dienstag dem Radiosender WDR 5.
Ausweitung der Testungen an Schulen und Kitas
"Die Testungen von Beschäftigten im Bildungsbereich und von Schülerinnen und Schülern werden weiter ausgebaut, es werden baldmöglichst zwei Testungen pro Woche angestrebt. Auch im Kitabereich werden die Beschäftigten baldmöglichst zweimal pro Woche in entsprechenden Verfahren getestet." – die Formulierung im Beschlusspapier klingt schwammig. "Baldmöglichst" werden also zusätzliche Tests "angestrebt". Zudem solle das Ganze auch erst nach Ostern umgesetzt werden – und zwar, klar: Bildung ist Ländersache, von den Behörden vor Ort.
Die Lehrergewerkschaft VBE wirft der MPK-Runde Totalversagen beim Umgang mit der Corona-Pandemie in der Bildung vor. In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung verwies der Verband Bildung und Erziehung (VBE) auf unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Ländern. "Während zum Beispiel in Sachsen und Bayern die Schultore ab einer Inzidenz von 100 zubleiben, werden sie in Thüringen erst ab einem Richtwert von 200 geschlossen", hieß es.
Eigentlich habe man vom Corona-Gipfel den Beschluss einer konkreten Zahl erwartet, erklärte der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. "Es hinterlässt mich fassungslos, wie die Entwicklung der Neuinfektionszahlen bei Kindern einfach ignoriert wird."
Es sei ein Irrweg in den zurückliegenden Wochen gewesen, mit nur einem Test das tatsächliche Infektionsgeschehen erfassen zu wollen, kritisierte der VBE-Chef weiter. Die nun geplanten zweimaligen Tests pro Woche seien die Mindestanforderung. "Fakt ist aber auch: Das Testen ist momentan nicht mal überall einmal in der Woche gegeben und das Impfen kommt nur schleppend voran."
Scheint, als habe die Taskforce Testlogistik unter Steuerung von Verkehrsminister Andreas Scheuer und Gesundheitsminister Jens Spahn noch jede Menge offene Baustellen abzuarbeiten.
Appelle an die Unternehmen
Arbeitgeber sollen ihren Mitarbeitern weiterhin Homeoffice ermöglichen. Wo das nicht geht, sollen sie regelmäßige Tests anbieten, "mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche". Anfang April sollen die Wirtschaftsverbände Bericht erstatten, wie viele Unternehmen sich beteiligen. Die Bundesregierung will dann mögliche schärfere Arbeitsschutzvorschriften prüfen.
Bis dahin setzt die Politik also weiter auf das Prinzip Freiwilligkeit, es gibt keine verbindlichen Ansagen an die Wirtschaft. Wohl nicht nur Linke-Chefin Wissler fragt sich daher: "Wann werden endlich die Arbeitgeber und Betriebe in die Pflicht genommen, etwa mit verpflichtenden Tests und Home-Office-Regelungen?"
Verwendete Quellen
- Agenturmaterial von dpa und afp
- Homepage der Bundesregierung
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