• Der Bundestag entscheidet am 25. März über die Verlängerung der Ausbildungsmission in Afghanistan.
  • Seit 2001 sind dort deutsche Soldatinnen und Soldaten im Einsatz – doch immer noch prägen Konflikte und Anschläge das Land.
  • Ein früherer Soldat berichtet von seinen Erfahrungen.

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Ist alles umsonst gewesen? Die Frage drängt sich auf, wenn ein früherer Soldat über seine Zeit in Afghanistan und seine Sicht auf den Bundeswehr-Einsatz spricht. 2012 war er rund ein halbes Jahr lang als Offizier am Hindukusch stationiert. Doch die Bilanz des Mannes, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte, fällt gemischt aus. Einerseits habe sich die Sicherheitslage in dem von Krieg und Terror gepeinigten Land zwischenzeitlich deutlich verbessert. Andererseits bleibt die Frage, wie nachhaltig der Einsatz ist. "Ich habe mitgenommen: Es wird schwer oder sogar unmöglich, dieses Land auf Dauer zu befrieden."

Kein Auslandseinsatz hat die Bundeswehr so lange und nachhaltig beschäftigt und geprägt wie die beiden Missionen in Afghanistan. 160.000 deutsche Soldaten und Soldatinnen waren der Süddeutschen Zeitung zufolge dort in den vergangenen 20 Jahren stationiert. Am 25. März entscheidet der Bundestag über eine Verlängerung der aktuellen Mission.

Kampf gegen den Terror

Den Ausschlag für den Einsatz geben 2001 die Anschläge vom 11. September in New York und Washington durch Al-Qaida. Die Terrororganisation steht damals unter dem Schutz des in Afghanistan herrschenden radikalislamischen Taliban-Regimes. Unter der Führung der USA gelingt es der Operation "Enduring Freedom" schnell, das Regime in der Hauptstadt Kabul zu stürzen. Die eigentliche Arbeit beginnt damit aber erst: Die Taliban kontrollieren immer noch große Teile des Landes, verüben Anschläge auf die Bevölkerung und die ausländischen Truppen. Die internationale Sicherheitsunterstützungstruppe ISAF soll vom 20. Dezember 2001 an Sicherheit gewährleisten und den Afghanen helfen, Streitkräfte und Verwaltung aufzubauen.

Deutschland übernimmt eine Führungsrolle im Norden, der zunächst als sicherer gilt als der Süden. Trotzdem wird der Einsatz für die Bundeswehr immer schwieriger. 2009 sterben bei einem Luftschlag gegen die Taliban mehr als 140 Menschen, darunter viele Zivilisten. Allein in diesem Jahr kehren dem Ärzteblatt zufolge etwa 200 Soldaten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung aus Afghanistan zurück. Bisher sind insgesamt 59 deutsche Soldaten in dem Land ums Leben gekommen.

"Man wächst mental an diesem Einsatz"

Der zu Beginn erwähnte deutsche Offizier kommt 2012 nach Afghanistan. Er ist für die Beratung afghanischer "Kollegen" zuständig und damit nicht direkt am Kampfeinsatz beteiligt. Trotzdem ist die Angst zunächst ein ständiger Begleiter. Da bekannt ist, dass Selbstmordattentäter immer wieder Anschläge verüben, sei die Situation "gefühlt gefährlich". Doch mit der Zeit sei er ruhiger geworden, erzählt er. "Man wächst mental an diesem Einsatz."

Die Bevölkerungsgruppen im Norden erlebt der Deutsche als relativ offen gegenüber den ausländischen Soldaten. Sie seien weniger misstrauisch als die Paschtunen im Süden des Landes. Im Nebeneinander der verschiedenen Volksgruppen sieht er allerdings auch ein Hindernis für dauerhaften Frieden: "Es gibt wenig Identifikationsfiguren und wenig Verbindendes. Viele Menschen sind sehr ich-bezogen. Das ist aber auch keine Überraschung in einem Land, das so viel Krieg und Mangelernährung erlebt hat."

Obwohl es immer wieder Rückschläge gibt, kehrt in Teile des Landes wieder eine angespannte Normalität ein. Das ist aus Sicht des Offiziers ein wichtiges Ergebnis des Einsatzes: "Er hat immerhin dazu geführt, dass die Sicherheitslage eine Zeit lang relativ stabil war. Die Streitkräfte waren damals sehr robust und durchaus in der Lage, die Aufständischen zu besiegen."

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Immer noch viele Anschläge in Afghanistan

2014 endet der ISAF-Kampfeinsatz. Es folgt die Mission "Resolute Support" (RS), wieder mit Beteiligung der Bundeswehr. Die Teilnehmer sollen die afghanischen Sicherheitskräfte ausbilden und unterstützen. In den kommenden Jahren verschlechtert sich allerdings die Sicherheitslage. 2016 und 2017 ernennen sich ehemalige Taliban-Kämpfer zu Ablegern der Terrormiliz Islamischer Staat und verüben Anschläge auf schiitische Muslime. Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung“ hat die NATO zuletzt pro Tag im Schnitt 80 Anschläge auf Zivilisten und Sicherheitskräfte gezählt.

Auch die Taliban sind nicht geschlagen. Trotzdem schwindet bei den ausländischen Truppenstellern der Rückhalt für den zermürbenden Afghanistan-Einsatz. Die Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump hat im vergangenen Jahr ein Friedensabkommen mit den Taliban ausgehandelt und den Abzug amerikanischer Truppen versprochen. Trumps Nachfolger Joe Biden will das Abkommen allerdings überprüfen.

Ministerin wirbt für Verlängerung

Die deutsche Bundesregierung will den Einsatz noch einmal verlängern. Demnach würden höchstens 1.300 Soldatinnen und Soldaten bis zum 31. Januar 2022 in Afghanistan bleiben. Am 25. März stimmt der Bundestag darüber ab. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer warb im Parlament für die Verlängerung: Seit zwei Jahrzehnten gehe in Erfüllung, was sich die internationale Gemeinschaft einst vorgenommen habe: "Dass von Afghanistan kein staatlich unterstützter Terror mehr ausgehen darf." Nun dürfe man die dortigen Sicherheitskräfte nicht alleinlassen, so die CDU-Politikerin.

Während die Fraktionen der Großen Koalition mehrheitlich hinter dem Einsatz stehen, fordern vor allem Linke und AfD einen Abzug der deutschen Truppen. Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Heike Hänsel, bezeichnet den Einsatz als gescheitert: "Es bedarf endlich konkreter politischer Initiativen, zum Beispiel einer neuen internationalen Afghanistan-Konferenz, um politische Lösungen zu befördern", teilte sie im Februar mit.

Der frühere Offizier dagegen hofft, dass der Einsatz verlängert wird. "Nichts wäre schlimmer, als da jetzt kopflos rauszugehen", sagt er. Deutschland trage Verantwortung für das aufgebaute Vertrauen zu den Partnern vor Ort. "Da jetzt einfach rauszugehen – das verzeiht ein Afghane nicht."

Verwendete Quellen:

  • Bundesministerium der Verteidigung: "Afghanistan-Mandat: Ministerin wirbt im Bundestag für Verlängerung"
  • Deutscher Bundestag: Drucksache 19/26916
  • Linksfraktion.de: "Politische Lösung für Afghanistan, Bundeswehr endlich abziehen"
  • Süddeutsche Zeitung 13./14. Februar 2021: "Am Abzug"
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