,Der Bericht zum Abschuss von Flug MH17 über der Ostukraine verdeutlicht die Gefahren, denen Passagiere über Krisengebieten ausgesetzt sind. Wie also haben die Airlines auf die Katastrophe reagiert? Und wo auf der Welt ist der Luftraum am gefährlichsten?
Scheinsicherheit. Diesen Vorwurf musste sich die internationale Luftfahrt schon damals nach dem mutmaßlichen Abschuss des Malaysia-Airlines-Fluges MH17 über der Ostukraine gefallen lassen. Eine Erkenntnis: Die Flugüberwachung ist keine Selbstverständlichkeit. Und weiter: Es gibt bis heute keine einheitliche Regelungen für Flüge über Krisengebiete. Die Fakten alarmieren, geht es doch schließlich um die Sicherheit der Passagiere, um Menschenleben, wie nun der erwiesene Abschuss von Flug MH17 beweist.
3,3 Milliarden Fluggäste weltweit
Alleine 2013 starteten in Deutschland insgesamt drei Millionen Flugzeuge. Der Internationale Luftfahrtverband IATA hatte für 2014 3,3 Milliarden Fluggäste weltweit prognostiziert. Was hat sich für die Sicherheit all dieser Menschen nach der Katastrophe von MH17 am 17. Juli 2014 getan? Schützen die Airlines ihre Passagiere und wenn ja, wie? Eine Spurensuche.
Fakt ist: Jeden Tag fliegen Hunderte Passagierflugzeuge über Krisengebiete. "Jeder Staat hat die volle Souveränität im Luftraum über dem Staatsgebiet", erklärt der Flugsicherheitsexperte Siegfried Niedek auf Nachfrage unseres Portals. Demnach obliegt es dem Staat, ob er seinen Luftraum sperrt. Die Airlines berufen sich in ihrer Gefahrenanalyse weitgehend auf diese doch recht subjektive Einschätzung.
Flugroute ist frei wählbar
"Jede Fluggesellschaft kann die Flugroute frei wählen", erklärt Niedek weiter. Der Präsident des Vereins Luftfahrt-Akademie aus Berlin schildert auf Nachfrage den "speziellen" Fall MH17: "Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte die Ukraine den Luftraum über 31.000 Fuß für den Überflug freigegeben und entsprechend an Eurocontrol (Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt) und die Icao (Internationale Zivilluftfahrtorganisation) gemeldet".
Ein fataler Fehler, wie sich herausstellte. Die australische Qantas Airlines, die Emirates aus Dubai, die koreanischen Airlines Korean Air und Asiana mieden die zwischen der Ukraine und den prorussischen Rebellen umkämpfte Donezk-Region bereits vor dem mutmaßlichen Abschuss. Nach eigenen Angaben leitete Qantas Airlines seine Flüge bereits nach der Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 um. Auch Air Berlin umflog dieses Gebiet eigenen Angaben zufolge frühzeitig.
Air Berlin mied den ukrainischen Luftraum
"Air Berlin hat bereits zu Beginn der Krim-Krise beschlossen, die Flugrouten nicht mehr über den ukrainischen Luftraum zu führen", sagte eine Sprecherin der zweitgrößten deutschen Airline dem "Wall Street Journal Deutschland". Andere Gesellschaften dagegen reagierten erst nach der Katastrophe. Darunter war auch die Lufthansa. Unmittelbar nach dem MH17-Abschuss teilte die Airline mit, sie habe "entschieden, von sofort an den ukrainischen Luftraum weiträumig zu umfliegen". Auf die Frage, weshalb die Lufthansa erst so spät handelte, verwies das Unternehmen Ende Juli 2014 darauf, dass es eine Sperrung des Luftraums der Region bis dahin nicht gegeben habe.
Der Tragödie von MH17 hatte weltweit Konsequenzen. Wenige Tage später verkündeten mehrere US-amerikanische und europäische Fluggesellschaften, für einen begrenzten Zeitraum nicht mehr den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv anzufliegen. In dessen Nähe hatte im Konflikt der israelischen Streitkräfte mit der Hamas eine Rakete eingeschlagen. Die Fluggesellschaft Emirates aus Dubai indes überfliegt den Irak nicht mehr, um der Gefahr eines Raketenabschusses zu entgehen. Der Irak liegt auf dem direkten Weg zwischen Dubai und Europa.
MH17 ein "Schlag in die Magengrube"
Doch der Schrecken, den der Flugzeugabschuss in der Ostukraine verbreitet habe, "war wie ein Schlag in die Magengrube für uns alle", sagte Emirates-Präsident Tim Clark der britischen Zeitung "The Times". Etliche Lufträume werden als gefährlich eingestuft. Die "Washington Post" veröffentlichte nach der MH17-Katastrophe eine entsprechende Landkarte. Aus amerikanischer Perspektive gelten demnach Flugverbote für Libyen, den Irak, Somalia, Nord-Äthiopien und Nordkorea. Als gefährlich wurden zudem die Lufträume über Syrien, Iran, Afghanistan, dem Jemen, Kenia, dem Kongo und Mali eingestuft.
Dabei wird nicht nur der mögliche Beschuss durch Boden-Luft-Raketen berücksichtigt. Auch die Gefahr wird einkalkuliert, dass eine Maschine mitten in einer Krisenregion notlanden muss. Einheitliche Regeln fehlen jedoch auch hier. Deshalb vertrauen viele Unternehmen, Geschäfts- und Privatreiseveranstalter nicht mehr den Airlines. Sie setzen auf Risikoanalysen von Sicherheitsfirmen wie iJet, erklärte Michael McCormick, Geschäftsführer der Global Business Travel Association, dem "Wall Street Journal Deutschland". Gewiefte Passagiere nutzen Flugstrecken-Aufzeichner wie "FlightAware.com" und "Flightradar24.com" - Nachfrage steigend. Beide sammeln die Daten von Flugsicherungsbehörden.
Beinahe-Katastrophe mit "unsichtbarem" Jet
Wer jedoch denkt, dass zumindest der Luftraum über Europa sicher sei, täuscht. Mehr als 27.000 Flüge werden täglich über diesem gezählt. Beinahe wäre es zum Beispiel im Dezember 2014 in Schweden zu einer Katastrophe gekommen, als ein Passagier-Jet nahe Malmö fast mit einem Militärflugzeug kollidierte. Das berichtete die schwedische Tageszeitung "Dagens Nyheter" in ihrer Onlineausgabe.
Demnach bemerkte das schwedische Militär, dass sich ein fremder, mutmaßlich russischer Militärjet auf Kollisionskurs befand. Die Militärs hätten in letzter Minute die Position des "unsichtbaren" Jets an die zivile Luftfahrt durchgegeben, hieß es weiter. "Auf diese Weise haben wir eine Katastrophe vermieden", zitierte das Portal einen Sprecher der Kommandozentrale im nördlichen Luleå. Das European Leadership Network (ELN) hatte 2014 mindestens 45 solcher Zwischenfälle im Zusammenhang mit der jüngsten Ost-Westkonfrontation gezählt.
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