SPD-Chefin Andrea Nahles wurde zuletzt hart von Gerhard Schröder angegangen. Zum 75. Geburtstag gratuliert sie dem Altkanzler dennoch herzlich und würdigt seine Verdienste um Deutschland. Juso-Chef Kevin Kühnert vermisst dagegen etwas aus der Schröder-Zeit.
Zu seinem 75. Geburtstag an diesem Sonntag hat SPD-Chefin
"Als Du 1998 zum dritten sozialdemokratischen Bundeskanzler Deutschlands gewählt wurdest, ging damit ein Signal des Aufbruchs einher", sagte Nahles am Freitag laut einer Mitteilung an die Adresse Schröders.
Insbesondere habe Schröder den Reformstau aufgelöst, der das Land nach Jahren konservativer Regierung gelähmt habe. Politische Auseinandersetzungen auch mit der eigenen Partei habe Schröder nicht gescheut.
Nahles: "Waren nicht immer einer Meinung"
"Dabei waren wir beide nicht immer einer Meinung", so Nahles. "Dass Du bei alldem das Beste für unser Land im Blick hattest, dafür zollen Dir noch heute viele großen Respekt."
Zuletzt hatte Schröder Nahles in einem Interview heftig kritisiert, ihr "Amateurfehler" vorgeworfen. Wenig Verständnis zeigte der Wegbereiter der Hartz-Reformen für die jüngste sozialpolitische Kurskorrektur der SPD.
Kühnert: "Heute fehlt die Volkstümlichkeit"
Juso-Chef
"Das wurde nicht als Koketterie verstanden, man hatte das Gefühl: Das passt schon. Der fühlt sich bei einer Kabinettssitzung auch nicht viel anders als beim Grillfest", sagte Kühnert der Deutschen Presse-Agentur. Der Politik fehle heute mitunter so eine Volkstümlichkeit.
"Diese gewisse Portion Lockerheit und Jovialität würde ich uns manchmal mehr wünschen", sagte Kühnert. "Und zwar im gleichen Maß, in dem ich uns manche der Entscheidungen aus dieser Zeit weniger gewünscht hätte."
Die Grußbotschaft von Nahles an Schröder im Wortlaut
"Zu Deinem 75. Geburtstag gratuliere ich Dir im Namen der gesamten Partei und auch persönlich sehr herzlich.
Du hast die SPD über Jahre entscheidend geprägt und für unser Land und Europa Großes geleistet. Dein Weg, aus bescheidenen Verhältnissen voller Entbehrung über den zweiten Bildungsweg und der Staatskanzlei in Hannover bis ins Kanzleramt, ist ein durch und durch sozialdemokratischer, der noch heute viele - über die Lager hinweg - inspiriert.
Als Du 1998 zum dritten sozialdemokratischen Bundeskanzler Deutschlands gewählt wurdest, ging damit ein Signal des Aufbruchs einher. Und auch ein Versprechen, Politik für mehr Gerechtigkeit, Fortschritt und gesellschaftliche Vielfalt zu machen.
Unter Deiner sozialdemokratischen Führung ist unser Land in der Welt endgültig erwachsen geworden. Ein wirtschaftlich starkes und modernes Deutschland war enger Partner Frankreichs und Impulsgeber in Europa. Und eine Gesellschaftswende wurde eingeleitet, die die bestehende Vielfalt in der Bevölkerung endlich anerkannte und unter dem Leitbild von Toleranz und Gleichberechtigung stützte.
Unvergessen ist und bleibt, dass Du den Reformstau, der Deutschland nach Jahren konservativer Regierung gelähmt hat, aufgelöst hast. Mit mutigen Veränderungen, um die großen Herausforderungen, vor denen unser Land zur Jahrtausendwende stand, anzugehen.
Unvergessen auch, dass Du Deutschland mit Deinem "Nein" zum Irakkrieg im Jahr 2003 vor militärischen Abenteuern bewahrt hast.
Eine moderne Energiepolitik, die Klima- und Umweltschutzziele mitberücksichtigt, war für Dich kein Widerspruch, sondern Gebot des Handelns.
Trotz erheblicher politischer Widerstände hat die Rot-Grüne Regierung unter Deiner Führung erfolgreich den Einstieg in eine nachhaltige Energiewende unternommen. Grundlegende Weichenstellungen, deren Bedeutung wir gerade heute nicht unterschätzen dürfen.
Deine Leidenschaft für die Sozialdemokratie zu streiten, für eine gerechtere und fortschrittlichere Politik, das zeichnete Dich als Vorsitzenden der SPD aus. Wenn es um die Sache ging, hast Du keine politische Auseinandersetzung gescheut, manchmal auch nicht mit der eigenen Partei. Dabei waren wir beide nicht immer einer Meinung. Dass Du bei alldem das Beste für unser Land im Blick hattest, dafür zollen Dir noch heute viele großen Respekt.
Wir gratulieren heute einem herausragenden Staatsmann und Sozialdemokraten." (hub/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.