Er ist der Kopf hinter den brutalen Glaubenskriegern des IS: Abu Bakr al-Baghdadi. Aber bislang wusste man kaum etwas über den Mann, der bislang nur ein einziges Mal öffentlich auftrat. Nun erzählt ein Bericht bei "Anne Will" seine Geschichte - und enthüllt brisante Details.
Seine Stimme klang so schön, so dunkel, wenn er Verse aus dem Koran vortrug. Und er spielte gern Fußball. Das ist es, woran sich diejenigen erinnern, die Abu Bakr al-Baghdadi noch als Kind kennen. Den Mann, der heute als selbsternannter Kalif und Oberhaupt des "Islamischen Staates" Angst und Schrecken verbreitet. Den Mann, der bislang als Phantom galt, weil es nur ein einziges Video von ihm gibt. Doch nun hat ein Reporterteam der ARD und der Süddeutschen Zeitung seinen Werdegang recherchiert. In einem Beitrag im "Weltspiegel", ausgestrahlt gestern im Rahmen von "
Die Geschichte beginnt in Samarra im Irak, 15 Kilometer von den Kämpfen zwischen dem IS und der irakischen Armee entfernt. Vor 44 Jahren wurde al-Baghdadi hier geboren, unter seinem bürgerlichen Namen Ibrahim Awad Ibrahim al-Badri. Hinweise darauf, dass er wirklich vom Propheten abstammt, wie er gern behauptet, gibt es keine. Die Nachbarn von einst kennen den Anführer des IS noch unter seinem Beinamen "der Gläubige". Ein Freund aus Kindertagen erinnert sich: "Er war immer besessen von Macht, er liebte es, mächtig und einflussreich zu sein." Und doch scheint der Aufstieg vom Kind einer ganz normalen Familie zum Terror-Fürsten so unwahrscheinlich. "Wir waren alle total überrascht, ihn plötzlich als Kalifen zu sehen."
Abu Bakr al-Baghdadi: ein Kind der US-Außenpolitik
Aber die Geschichte al-Baghdadis, wie sie die Reporter der ARD erzählen, dient auch als Beleg, wie die US-amerikanische Außenpolitik ihre eigenen Todfeinde ausbildet. Der Junge aus Samarra macht sein Abitur, auch wenn er zuvor einmal sitzen geblieben ist. Extrapunkte bekommt er, weil sein Bruder als Märtyrer starb, im Dienst für die irakische Armee. Nach dem Abitur will er Jura studieren, aber seine Abschlussnote ist zu schlecht. Schließlich schreibt er sich in Bagdad für Koranwissenschaften ein. Seine Magisterarbeit gibt er 1999 ab, danach beginnt er mit der Doktorarbeit. Dann marschieren 2003 die Amerikaner im Irak ein.
Al-Baghdadi wird plötzlich verhaftet, am 4. Februar 2004. Die Gründe dafür liegen im Dunkeln. Wahrscheinlich gehört er zu diesem Zeitpunkt schon den Vorläufern von Al-Kaida an. Im Gefängnis von Bocca im Süden des Landes trifft al-Baghdadi auf die Mischung, die später den IS hervorbringen wird: radikale Geistliche, geschlagene Soldaten und Geheimdienstler Saddam Husseins. An diesem Ort beginnt die Wandlung vom Theologen zum Glaubenskrieger. Im Irak ist das Gefängnis deshalb heute auch als "die Akadamie" bekannt.
Nach zehn Monaten entlassen die Amerikaner al-Baghdadi. Er arbeitet weiter an seiner Doktorarbeit, die er 2007 mit der Note "sehr gut" abschließt. Auch daraus leitet der Kopf des IS heute seine Autorität als "Professor, Lehrer und anerkannter Prediger" ab. Er benutzt sie hauptsächlich, um brutale Grausamkeit theologisch zu rechtfertigen. Es ist nicht klar, wann er sich dem bewaffneten Kampf anschloss. Seine Rolle aber ist eindeutig: Er gibt den Terroristen den Segen des Propheten, er legitimiert Erschießungen und Enthauptungen. Ein ehemaliger Weggefährte erinnert sich: "Er tendierte eher zur Todesstrafe statt zur Gnade."
Al-Baghdadis Aufstieg zum Oberhaupt des IS beginnt, als die Dschihadisten im Irak ihn im Mai 2010 zum Emir wählen. Von nun schwören die Kämpfer einen Eid auf ihren Anführer – selbst die Jüngsten. Vor der Kamera der ARD schildert ein 14-Jähriger, wie er für den IS rekrutiert wurde: "Uns wurde gesagt, wenn wir keinen Eid auf den Herrscher der Gläubigen schwören, kommen wir nicht ins Paradies, wenn wir sterben." Als dieser "Herrscher der Gläubigen" so alt war wie der Junge, lebte er noch in Samarra, und spielte auf staubigen Straßen Fußball.
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