Politiker der AfD haben nach Correctiv-Recherchen an einem exklusiven Treffen in Potsdam teilgenommen, das auch der Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung besucht hat. Brisant ist auch das Thema der Zusammenkunft.

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AfD-Politiker sollen nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November in Potsdam an einem Treffen teilgenommen haben. Mit dabei: der bekannteste Vertreter der rechtsextremen Identitären Bewegung, Martin Sellner.

Bei dem Treffen soll über einen "Masterplan" zur Migrationspolitik gesprochen worden sein. Von AfD-Seite sei unter anderen Roland Hartwig dabei gewesen, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und heute Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel, meldete Correctiv am Mittwoch.

Ein Sprecher Weidels bestätigte Hartwigs Teilnahme an dem Treffen, betonte jedoch gleichzeitig, von einem Auftritt Sellners dort überrascht worden zu sein. Er teilte auf Anfrage mit: Frau Weidel "hatte aber keinerlei Kenntnis von den Teilnehmern. Auch Hartwig wusste vorab nichts von Sellner".

Fraktionschef will nur privat da gewesen sein

Ein Sprecher der Partei teilte mit: "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist, nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern." Hartwig habe dort lediglich auf Einladung ein Social-Media-Projekt vorgestellt, welches er im Aufbau mit begleite.

Correctiv erhielt nach eigenen Angaben auf Nachfrage von einem Düsseldorfer Zahnarzt die Bestätigung, dass er "alleiniger Veranstalter" des Treffens gewesen sei. Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionsvorsitzender Ulrich Siegmund bestätigte Correctiv seine Teilnahme: Er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen.

Vortrag über "Remigration"

In einem Einladungsbrief für die Zusammenkunft, der Correctiv vorliegt und in den auch die Deutsche Presse-Agentur Einblick hatte, heißt es, bei der Veranstaltung werde ein "Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans" vorgestellt. Für die Teilnahme werde eine "Mindestspende von 5.000 Euro" erhoben. Correctiv berichtete unter Berufung auf Teilnehmer, Thema bei dem Treffen sei ein Vortrag Sellners zur "Remigration" gewesen.

Unter dem Begriff verstehen Fachleute die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. AfD-Politiker vertreten diese Forderung auch öffentlich. So sagte etwa der AfD-Abgeordnete Gottfried Curio im November im Bundestag: "Was wir jetzt brauchen, ist nicht nur der sofortige Stopp der illegalen Migration. Wir brauchen die wirkliche, tatsächliche Rückführung, die komplette Abschiebung. Wir brauchen, meine Damen und Herren, endlich die wirkliche Remigration."

Offiziell auf Distanz, aber ...

Der Begriff wird oft nicht klar umrissen. Bisweilen wird er im Zusammenhang mit Menschen ohne Aufenthaltsrecht genannt. Bei dem Potsdamer Treffen soll die Dimension jedoch größer gewesen sein.

Auch eine "Remigration" in großem Umfang wird in der AfD bereits seit längerem diskutiert: Auf dem AfD-Europaparteitag 2023 forderte die Delegierte Irmhild Boßdorf öffentlich eine "millionenfache Remigration".

Kontakte von AfD-Politikern zu dem Österreicher Sellner sind nicht neu, auch wenn die AfD offiziell auf Distanz zur Identitären Bewegung geht, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird. Der Schweriner AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer hatte sich Ende 2023 für seinen persönlichen Podcast mit Sellner unterhalten und dafür Kritik eingesteckt.

Burger-Kette trennt sich von Miteigentümer

Die Recherche hat auch Auswirkungen auf die Burger-Kette Hans im Glück. Diese teilte am Nachmittag mit, sie trenne sich mit sofortiger Wirkung von ihrem Mitgesellschafter Hans-Christian Limmer. Unter der Einladung zum Treffen, in die die Deutsche Presse-Agentur Einblick hatte, steht auch Limmers Name. Er nahm aber laut Correctiv nicht selbst am Treffen teil.

"Die Geschäftsführung der Hans im Glück Franchise GmbH, der Inhaberkreis und das gesamte Team sind zutiefst schockiert über diese Vorwürfe", heißt es in der Erklärung. "Als Unternehmen Hans im Glück Franchise GmbH distanzieren wir uns klar von rechtsextremen Ansichten, sie stellen das genaue Gegenteil unserer Grundwerte dar."

Limmer habe das Unternehmen vor der Medienberichterstattung darüber informiert, dass entsprechende Vorwürfe gegen ihn erhoben würden, hieß es weiter. Limmer habe betont, er habe sich gegenüber dem anfragenden Medium unmissverständlich von den genannten Remigrationsforderungen distanziert. Um Schaden von Hans im Glück abzuwenden, habe Limmer angeboten, seine Gesellschafterstellung sofort aufzugeben. "Dieses Angebot hat der Gesellschafterkreis angenommen." (dpa/mcf)

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