Olaf Scholz und Ursula von der Leyen würden angeblich 300 Milliarden Euro für Gasleitungen in Afrika spenden, heißt es auf Facebook. Das stimmt nicht. Es sind zwar Investitionen geplant, doch weder allein für Afrika noch für Gas-Pipelines.

Auf Facebook macht ein Bild mit einer irreführenden Behauptung die Runde. "G7-Gipfel: Scholz und von der Leyen spenden 300 Milliarden Euro für Afrika. Die eigenen Bürger müssen hungern und frieren, damit wir den Afrikanern Gasleitungen bauen!", heißt es auf dem Foto, das dutzendfach im Sozialen Netzwerk kursiert. Der Beitrag soll offenbar in der aktuellen Gaskrise Stimmung gegen die deutsche Regierung und die EU machen.

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Doch die Behauptung stimmt nicht. Richtig ist: Es gibt über diese Summe ein Investitionsprogramm der EU-Kommission, deren Präsidentin Ursula von der Leyen ist. Die darin vereinbarten 300 Milliarden sollen aber von den EU-Mitgliedsländern insgesamt investiert werden und nur etwa die Hälfte davon ist für Afrika bestimmt. Der Ausbau von Gasleitungen steht dabei nicht im Fokus.

Darum geht es beim Investitionsprogramm "Global Gateway"

Auf dem Bild sieht man die Vertreter der G7-Länder, die sich vom 26. bis 28. Juni 2022 auf Schloss Elmau in Bayern trafen. Sucht man nach G7 und 300 Milliarden, findet sich der mutmaßliche Ursprung der Behauptung. Die G7 versprachen 600 Milliarden in die globale Infrastruktur zu investieren, heißt es in Medienberichten. Die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen wird darin mit dem Satz zitiert, "Team Europe" werden 300 Milliarden für das Programm bereitstellen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte uns auf Anfrage, dass es sich bei den 300 Milliarden Euro um die Gesamtsumme des Programms "Global Gateway" handele. Das Geld will die EU in die Infrastruktur von Schwellen- und Entwicklungsländern investieren, damit steht das Programm in Konkurrenz zur sogenannten "Neuen Seidenstraße" Chinas, wie das Manager Magazin im Dezember 2021 schrieb.

"Global Gateway" umfasst nach Angaben der EU-Kommission weltweite Investitionen in fünf zentralen Bereichen: Digitales, Klima und Energie, Verkehr, Gesundheit sowie Bildung und Forschung. Zwischen 2021 und 2027 sollen sich die EU-Kommission, die 27 Mitgliedsstaaten, europäische Finanzinstitutionen und der Privatsektor daran beteiligen.

Ein Teil des Geldes sei bereits investiert worden, schrieb uns die Sprecherin der EU-Kommission. Beispielsweise in ein Projekt für die Herstellung und den Zugang zu Impfstoffen, Arzneimitteln und Gesundheitstechnik in Afrika, für das mehr als eine Milliarde Euro gesammelt worden sei. Eine ähnliche Initiative mit Lateinamerika und der Karibik sei bereits gestartet.

Ein anderes Projekt, das vom "Global Gateway" unterstützt werde, sei das Unterseekabel Bella zwischen Europa und Lateinamerika, schrieb uns die Sprecherin. Daran habe sich die EU mit 25 Millionen Euro beteiligt. Neben Ländern des afrikanischen Kontinents und Lateinamerikas gehörten unter anderem die Ukraine, Moldau, Armenien und Aserbaidschan zu den Partnerländern des Investitionspakets.

150 Milliarden Euro sollen nach Afrika fließen, doch Gasleitungen stehen nicht im Fokus

Fest steht, dass die Hälfte der Gelder aus "Global Gateway" in den afrikanischen Kontinent fließen soll. Ziel sei es, "Afrika bei einer starken, inklusiven, grünen und digitalen Erholung und Transformation zu unterstützen", heißt es über das Projekt auf der Internetseite der Europäischen Kommission. Als Schwerpunktthemen listet die Kommission etwa die Erzeugung von sauberem Wasserstoff, die unternehmerische Selbstständigkeit von Frauen in Afrika und den länderübergreifenden Austausch junger Menschen innerhalb des Kontinents sowie zwischen Afrika und Europa auf.

Der Bau von Gasleitungen ist bislang hingegen kein Schwerpunkt des Pakets. Auf der Seite der Europäischen Kommission sind insgesamt elf mehrseitige PDF-Dokumente mit Einzelheiten und Details zu einzelnen Bereichen der Investitionen für Afrika verlinkt – in keinem davon werden Gasleitungen erwähnt. Wir haben auch die Bundesregierung gefragt, ob die Förderung von Gasleitungen in dem Projekt vorgesehen sei. "Einige afrikanische Partnerländer wie Senegal haben um internationale Unterstützung bei der Exploration ihrer Gasvorkommen gebeten; die Prüfung läuft", schrieb uns ein Sprecher. "Konkrete Planungen gibt es bisher nicht."

Nach Medienberichten hat sich Italiens Ministerpräsident Mario Draghi beim G7-Gipfel dafür ausgesprochen, dass "die westlichen Länder etwa in Afrika in die Gasinfrastruktur, aber auch in den Ausbau der erneuerbaren Energien investierten". Demnach habe er gesagt, es sei wichtig, dass die Gasinfrastruktur anschließend auch für Wasserstoff genutzt werden könne. Einen Preis dafür nennt er aber nicht.

Gas-Pipelines können auch Wasserstoff transportieren, dafür wird dieser allerdings mit dem klimaschädlichen Gas Methan gemischt, wie CORRECTIV Anfang Mai 2021 berichtete. Dadurch könnte eine Förderung von Wasserstoff auch den Gasnetz-Ausbau fördern, befürchten Experten.

Wie viel Geld Deutschland für "Global Gateway" ausgibt, steht nicht fest

Wie hoch der Anteil Deutschlands an dem Investitionsprogramm ist, steht nach Angaben der Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest, da sich die 300 Milliarden Euro sowohl auf öffentliche als auch auf private Unterstützung beziehen. Die Initiative "Global Gateway" bringe unterschiedliche Akteure und unterschiedliche Finanzierungsinstrumente zusammen, schrieb uns ein Sprecher der Bundesregierung per E-Mail. Es liege auch noch keine Information darüber vor, welche Länder konkret in welcher Höhe profitieren werden.

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