Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland haben keine Arbeit. Das besagt zumindest die Statistik der Bundesagentur. In Wirklichkeit haben aber zusätzlich mindestens eine Million Menschen keinen passenden Job. Wie passt das zusammen?

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Von rund fünf auf 2,5 Millionen: Seit 2005 hat sich die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland praktisch halbiert.

Politiker der Opposition - von den Grünen über die Linkspartei bis zur AfD - kritisieren aber immer wieder, dass zahlreiche Arbeitssuchende aus der Statistik herausgerechnet werden. Ist diese Kritik berechtigt?

Nur zum Teil. Denn die Bundesagentur für Arbeit führt durchaus auch andere Zahlen in ihren monatlichen Berichten auf. Allerdings werden diese in der Öffentlichkeit nur selten beachtet.

Gesetzlich definiert: Arbeitslose im engeren Sinne

Wer in Deutschland als arbeitslos gilt, das regelt das Sozialgesetzbuch III. Laut Paragraf 16 gehören dazu Menschen, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, eine Beschäftigung suchen und sich dafür bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet haben.

Nach Berechnungen der Agentur traf das im Juni auf rund 2,47 Millionen Menschen in Deutschland zu - dazu gehören auch ausländische Staatsbürger, die hierzulande leben.

Wer noch dazu kommt

Auf wen genau diese Kriterien zutreffen, ist allerdings Definitionssache.

"Es gibt Gruppen, die dem allgemeinen Verständnis nach ebenfalls von Arbeitslosigkeit betroffen sind, von der Arbeitsagentur aber nicht dazugerechnet werden", erklärt Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dazu gehören zum Beispiel Menschen, die an einer Weiterbildungs- oder einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnehmen - etwa die sogenannten Ein-Euro-Jobber.

Auch erkrankte Arbeitslose fallen während ihrer Krankheit aus der Statistik. Genau wie Menschen, die älter als 58 Jahre sind und seit mindestens einem Jahr Arbeitslosengeld II beziehen.

Sie alle gelten für die Bundesagentur als "unterbeschäftigt", tauchen in der Zahl der eigentlichen Arbeitslosen aber nicht auf.

Nicht versteckt, nur anders aufgeführt

Werden diese Arbeitssuchenden ohne einen richtigen Job bewusst versteckt, um die Statistik zu schönen? "Ich würde sie nicht als versteckt bezeichnen", sagt Arbeitsmarktexperte Schäfer.

Denn in ihrer monatlichen Statistik veröffentlicht die Bundesagentur für Arbeit auch Zahlen zu diesen Unterbeschäftigten.

In den Eckwerten zum Arbeitsmarkt zum vergangenen Juni etwa führt die Nürnberger Behörde insgesamt rund 3,5 Millionen Unterbeschäftigte auf - in dieser Zahl sind die Arbeitslosen laut Sozialgesetzbuch III ebenfalls enthalten.

Das heißt: Zu den offiziell rund 2,5 Arbeitslosen kommen derzeit rund eine Million Menschen hinzu, die ebenfalls als unterbeschäftigt gelten.

Schwer zu definieren: die stille Reserve

Und dann ist da noch die sogenannte stille Reserve. So bezeichnen Experten Menschen, die theoretisch ebenfalls auf der Suche nach Arbeit sind, sich aber nicht bei den entsprechenden Stellen melden.

Das können Arbeitslose sein, die die Hoffnung auf einen Job schlichtweg aufgegeben haben.

Oder auch Ehepartner, deren Mann oder Frau genug verdient und die deshalb nicht unbedingt arbeiten müssen, es beim passenden Angebot aber vielleicht doch machen würden.

Wie groß diese stille Reserve ist, ist im Gegensatz zu den Unterbeschäftigten nur schwer zu beziffern. Das Statistische Bundesamt schätzte die Zahl der Betroffenen 2015 ebenfalls auf rund eine Million.

Inwieweit diese aber wirklich als Arbeitslose zu verstehen sind, ist umstritten.

"Statistik ist eher ehrlicher geworden"

Über lange Zeiträume lassen sich Arbeitslosenzahlen nur bedingt vergleichen. Denn die Definitionsgrundlage wurde im Laufe der Zeit immer wieder geändert.

Im Zuge der Hartz-Reformen im Jahr 2005 etwa wurde entschieden, auch erwerbsfähige Empfänger von Sozialhilfe als registrierte Arbeitslose zu zählen - zuvor waren diese der Arbeitsagentur teilweise gar nicht gemeldet worden.

Allein dadurch stieg die Zahl der Arbeitslosen plötzlich um rund 380.000 an. "Insgesamt ist die Arbeitslosenstatistik eher ehrlicher geworden", sagt Holger Schäfer, "der Anteil der versteckten Arbeitslosigkeit ist über die Jahre gesunken."

Wer es noch schwer hat

Egal welche Zahlen man zugrunde legt: Die Arbeitslosenquote ist in Deutschland seit 2005 deutlich gesunken. Das gilt nicht nur für die Zahl der Arbeitslosen im engeren Sinne, sondern auch für die der Unterbeschäftigten.

Allerdings gibt es weiterhin Menschen, die es bei der Jobsuche schwer haben - vor allem Langzeitarbeitslose.

Laut Holger Schäfer gehören dazu häufig Arbeitssuchende mit mehreren Vermittlungshemmnissen: zum Beispiel hohes Alter, mangelnde Qualifikation, vielleicht auch ein Suchtproblem.

Insgesamt habe die Arbeitsmarktpolitik in den vergangenen Jahren durchaus Erfolge erzielt, sagt Schäfer. "Aber ganz gelöst ist das Problem noch nicht, das sollte man nicht vergessen."

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