Andrea Nahles, früher selbst Spitzenpolitikerin, sieht wegen der Haushaltsprobleme in Berlin die Finanzierung der Bundesagentur für Arbeit in Gefahr. Aus Berlin kommt wenig Klarheit. Und das in einer Zeit, in der der Arbeitsmarkt immer stärker unter Druck gerät.
Es sollte eigentlich wieder aufwärts gehen mit den Finanzen der Bundesagentur für Arbeit. Die Corona-Pandemie hatte alle Rücklagen in Höhe von fast 26 Milliarden Euro aufgefressen, der Bund musste weitere Milliarden zuschießen, damit die immensen Ausgaben für das Kurzarbeitergeld gestemmt werden konnten. Jetzt sollte die Kriegskasse für die nächste Krise gefüllt werden. Schon im Haushalt des Jahres 2023 ist eine kleine Rücklage vorgesehen, um Haushaltsjahr 2024 sollten den Nürnberger Plänen zufolge weitere 2,1 Milliarden Euro dazukommen.
Doch die Bundesregierung hat die Pläne durchkreuzt. Schon aus dem Verwaltungsrat der Agentur kam vor einer Woche wütendes Schnauben, als dort durchgesickert war, dass die Bundesregierung einen Teil ihrer Milliardenzuschüsse aus der Corona-Zeit zurückhaben will. Insgesamt sollen 5,2 Milliarden Euro in vier Jahren ab 2024 zurück nach Berlin fließen. Für die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Andrea Nahles, ein No Go.
BA erhält Unterstützung von der Linken
"Die Rückforderung von 5,2 Milliarden Euro aus dem Beitragshaushalt, um die finanziellen Engpässe zu beheben, sind ein fragwürdiger Schritt", sagte
Wie der Arbeitsmarkt in Deutschland finanziert ist
Doch das ist längst nicht das einzige Geldproblem von Frau Nahles. Der Arbeitsmarkt in Deutschland wird über zwei Säulen finanziert: Zum einen die Arbeitslosenversicherung, aus deren Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern etwa das Arbeitslosengeld bezahlt wird – geregelt im Sozialgesetzbuch III. Im Sozialgesetzbuch II dagegen sind Dinge wie das Bürgergeld geregelt – finanziert aus Steuergeldern des Bundes, organisiert über die Jobcenter. Dafür hatte die Bundesregierung ursprünglich 4,2 Milliarden Euro vorgesehen. Zusätzlich beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages, dass den Jobcentern 1,35 Milliarden an Haushaltsresten zufließen.
Ob dies nun realisiert werden kann, ist offen. Schon vor drei Wochen hatte Nahles Tempo angemahnt, um Klarheit für das neue Jahr zu schaffen. Doch bisher gibt es nur Gerüchte. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Situation auf dem Arbeitsmarkt immer schwieriger wird. "Da wir derzeit keinen konjunkturellen Rückenwind haben, muss ich davon ausgehen, dass die Lage am Arbeitsmarkt nicht automatisch besser wird. Wir rechnen damit, dass die Langzeitarbeitslosigkeit 2024 noch einmal steigen wird", sagte Nahles.
"Umso wichtiger ist eine auskömmliche Finanzierung auch im SGB II", fügte sie hinzu. Dort herrscht schon jetzt Ebbe. Erst vor knapp einem Jahr hatte die Bundesregierung das noch unter der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel geschaffene Teilhabechancengesetz entfristet. Arbeitgeber erhalten aus staatlichen Mitteln im Extremfall den vollen Lohn für bis zu zwei Jahre, wenn sie Menschen einstellen, die lange Zeit arbeitslos waren. Die Ergebnisse waren vielsprechend.
"40 Prozent waren auch danach noch in Arbeit. Das ist für diese Gruppe der sehr arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen der beste Wert, den ich in 30 Jahren gesehen habe", sagte Nahles. Die Förderungen seien jedoch deutlich gesunken, die Jobcenter könnten weniger Maßnahmen bewilligen. "Hier wird ein sehr wirksames Instrument durch die Haushaltssituation beschädigt. Das finde ich kritisch", sagte Nahles.
SPD-Fraktionschef Mützenich will Schuldenbremse aussetzen
Das Haushaltschaos in Berlin führte erneut zu Rufen nach einem Aussetzen der Schuldenbremse auch im Jahr 2024. Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, sprach sich beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erneut für das Aussetzen der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr aus. "Weil wir nicht weiter im Kernhaushalt sparen dürfen, werden wir diese zusätzlichen Mittel durch die Ausnahmeregelung nach Artikel 115 Grundgesetz finanzieren müssen - also durch das Aussetzen der Schuldenbremse." Diese Entscheidung mit den Ukraine-Hilfen zu begründen, erscheine ihm verfassungsfest.
Kritik an den Grünen
SPD-Chef Lars Klingbeil kritisierte dagegen Absetzbewegungen innerhalb der Regierungsparten. Konkret wies er im Berliner "Tagesspiegel" vor allem Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) zurecht - ohne ihn namentlich zu nennen. "Es trägt nicht zu einer besseren politischen Lage bei, wenn Minister den Haushaltskompromiss infrage stellen, fünf Minuten nachdem er gefunden wurde. Ich habe Politik so gelernt, dass man einmal gefundene Einigungen verteidigt und zusammen dafür wirbt", sagte Klingbeil. Özdemir vertritt bei der Kürzung der Subventionen für den Agrardiesel eine andere Position als die im Regierungskompromiss gefundene. (dpa/fah)
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