Humane Papillomviren werden sexuell übertragen und können Krebs verursachen. In Deutschland werden weniger Kinder gegen HPV geimpft als in anderen Ländern. Bremen geht einen Sonderweg – mit einem Impfprogramm in Schulen. Fragen an die dortige Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard.

Ein Interview

Rund 7.700 Menschen erkranken in Deutschland pro Jahr an Krebsarten, die von Humanen Papillomviren (HPV) ausgelöst werden. Etwa 1.500 Frauen sterben jedes Jahr an Gebärmutterhalskrebs. Übertragen werden die Viren über sexuellen Kontakt – und eigentlich können sich junge Menschen gut vor ihnen schützen: mit einer Impfung, die idealerweise vor dem ersten sexuellen Kontakt erfolgt.

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Doch obwohl die Ständige Impfkommission die Impfung schon seit 2007 für Mädchen und seit 2018 auch für Jungen empfiehlt, bleibt die Impfquote in Deutschland niedrig. Der Barmer-Krankenkasse zufolge waren 2022 nur 60 Prozent der 14-jährigen Mädchen vollständig gegen HPV geimpft, bei den 13-jährigen Jungen war die Quote mit 25 Prozent noch niedriger. Zwischen 2021 und 2022 deuten Zahlen der Krankenkasse zudem auf einen deutlichen Rückgang der Impfungen hin.

Die Ständige Impfkommission rät bei HPV zu Schulimpfprogrammen. In Bremen geht man diesen Weg schon seit längerem: Seit 2013 bietet das Gesundheitsamt allen Mädchen der achten Klassen eine HPV-Impfung an, seit 2022 auch allen Jungen. Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) ist überzeugt: Flächendeckende Aufklärung ist bei dem Thema am wichtigsten.

Frau Bernhard, warum hat Bremen entschieden, allen Mädchen und Jungen eine HPV-Impfung anzubieten?

Claudia Bernhard. © dpa/Focke Strangmann

Claudia Bernhard: Die Impfung ist wichtig, um eine Ausbreitung der Viren zu vermeiden. Aufklärungsprogramme müssen die Menschen dort erreichen, wo sie sich aufhalten. Bei Kindern und Jugendlichen ist das die Schule. Ein Schulimpfprogramm ist wirksamer, als Briefe zu verschicken und den Eltern vorzuschlagen, dass sie mit ihren Kindern in eine Arztpraxis gehen.

Wie hat sich die HPV-Impfquote in Bremen entwickelt?

Die aktuell verlässliche Zahl ist von 2019. Da lag die Impfquote unter 15-jährigen Mädchen bundesweit bei 47,2 Prozent und in Bremen bei 49,8 Prozent. Nach Beginn der Corona-Pandemie wurde das Schulimpfprogramm ausgesetzt und im Schuljahr 2022/2023 wieder gestartet. Das Robert-Koch-Institut wertet die aktuellen Zahlen gerade noch aus, deswegen können wir zur aktuellen Impfquote noch nichts sagen. Was wir aber wissen: Im Schuljahr 2018/2019 wurden in Bremen 565 Mädchen geimpft. Im Schuljahr 2022/23 hatten wir rund 1.000 Impfungen, wobei da erstmals auch Jungen die Impfung angeboten wurde.

Sollten sich andere Städte und Bundesländer ein Beispiel an Bremen nehmen?

Bremen war auf jeden Fall Vorreiter, andere Städte haben inzwischen nachgezogen. Wir profitieren auch von den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie: Damals sind wir in die Stadtteile gegangen und haben Aufklärung betrieben. Damit kommt man bei Impfungen weiter – egal um welche Erkrankung es geht. Wir haben hier ein flächendeckendes Aufklärungssystem, zu dem neben den Schulen auch Gesundheitsfachkräfte in den Stadtteilen gehören. Natürlich fällt das in einem Stadtstaat wie Bremen leichter, aber der Grundansatz ist übertragbar auf andere Bundesländer.

Humane Papillomviren

  • Es gibt mehr als 200 verschiedene Arten von Humanen Papillomviren. Sie werden über sexuellen Kontakt übertragen. Die Mehrheit der sexuell aktiven Menschen infiziert sich im Laufe ihres Lebens damit – in den meisten Fällen bleibt die Infektion unbemerkt.
  • Die Infektion kann aber auch Warzen auslösen, aus denen sich Krebs entwickeln kann: HP-Viren verursachen bei Frauen die meisten Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Aber auch Männer sind gefährdet, weil die Viren auch mit Penis-, Anal- und Rachenkrebs in Verbindung gebracht werden.
  • Der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge ging bei Mädchen, die früh genug gegen Gebärmutterhalskrebs geimpft wurden, die Krebsrate um 90 Prozent zurück. Damit sie besonders wirksam ist, soll die Impfung im besten Fall vor dem ersten sexuellen Kontakt erfolgen.

Hat die Corona-Pandemie nicht auch zu einer generell größeren Impfskepsis geführt?

So pauschal würde ich das nicht sagen. Es gab auch vor der Pandemie Diskussionen, vor allem über die Pflicht zur Masernimpfung. Es gibt bei Impfungen oft zunächst eine gewisse Distanz. Viele Menschen haben erst einmal Fragen, etwa ob eine Impfung wirklich sinnvoll ist. Deswegen ist kontinuierliche Aufklärung vor Ort wichtig. Beim Thema HPV ist eine Impfskepsis aus meiner Sicht unnötig, weil sich die Ausbreitung mit der Impfung wirklich gut bekämpfen lässt.

Ist flächendeckende Information also sinnvoller als eine Impfpflicht?

Davon bin ich überzeugt. Wenn staatliche Stellen etwas vorschreiben, ist der Widerstand häufig größer. Wenn Menschen informiert werden und sich dann selbst entscheiden, ist der Effekt nachhaltiger. Gesundheitsaufklärung vor Ort ist der wichtigste Ansatz.

Über die Gesprächspartnerin

  • Claudia Bernhard wurde 1961 in Gütersloh geboren, wuchs am Chiemsee auf und studierte in München und Augsburg Geschichte und Politikwissenschaften. Seit 1991 wohnt sie in Bremen, 2011 bis 2019 war sie für die Linke Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. Seit August 2019 ist sie im kleinsten Bundesland Deutschlands Senatorin für Gesundheit, Verbraucherschutz und Frauen.
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