Seit Frühling ist Uli Grötsch (SPD) der erste Bundespolizeibeauftragte. Seine Aufgabe: Ansprechpartner sein – für Polizei und Bevölkerung.

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"Ich würde mich als ein Vertrauensvotum sehen", sagt Uli Grötsch bei der Vorstellung seines ersten Berichts als Bundespolizeibeauftragter. Seit rund hundert Tagen ist der Sozialdemokrat nun im Amt. Eine klare Antwort auf die andauernde Kritik, die Stelle des Bundespolizeibeauftragten sei ein Misstrauensvotum gegenüber der Behörde. Vorgetragen von Rainer Wendt, dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, oder der Union.

Grötschs Hauptaufgabe: Strukturelle Fehlentwicklungen erkennen und beheben. Auch auf Landesebene gibt es Beauftragte, die Ansprechpartner für Landespolizisten und Bürger sind.

Am 20. März wurde Grötsch von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vereidigt. © IMAGO images/Future Image/Uwe Geisler

Früher war Grötsch selbst Polizist. Er kennt die Behörde – und ihre Probleme. Personalmangel, vermehrte Gewalt gegen Beamte und Vorwürfe von Rassismus und Chauvinismus innerhalb der Behörden, um nur einige zu nennen.

Auch Grötsch hätten in den ersten 100 Tagen seit seiner Ernennung etliche Beschwerden von Mitarbeitern der Polizei erreicht, bei denen es um Sexismus und Chauvinismus in der Polizei ging.

Zu den Themen, die von Bürgerinnen und Bürgern am häufigsten adressiert würden, gehörten Fälle von vermutetem Racial Profiling sowie der Gebrauch von Schusswaffen durch Polizeibeamte gegenüber verhaltensauffälligen und aggressiven Tatverdächtigen. Von Racial Profiling spricht man, wenn Menschen allein aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale von der Polizei kontrolliert werden. Eine solche Ungleichbehandlung verstößt gegen das Diskriminierungsverbot.

"Es war dringend notwendig, dass das Amt des Bundespolizeibeauftragten eingeführt wurde", sagt Ferda Ataman auf Nachfrage unserer Redaktion während einer Pressekonferenz. Sie ist die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. "Grötsch ist sich des Themas Racial Profiling durch die Polizei sehr bewusst", beschreibt Ataman ein Gespräch, das sie und der Polizeibeauftragte geführt haben.

Neben Fällen von Rassismus und Chauvinismus definiert Grötsch auch den Zustand der Liegenschaften – also etwa der Polizeikasernen – und den Respekt, der innerhalb der Gesellschaft verloren geht, als größte Baustellen.

CDU-Politiker Throm wirft Regierung Misstrauen gegenüber Polizei vor

Dazu gehören auch Angriffe auf Polizisten. Im schlimmsten Fall enden diese wie in Mannheim: mit dem Tod eines Uniformierten. "Unsere Polizistinnen und Polizisten müssen jedes Jahr hunderttausendfach Gewalt erleiden. Sie sind einer Brutalität ausgesetzt, die seit Jahren zunimmt", sagt Alexander Throm auf Anfrage unserer Redaktion. Er ist innenpolitischer Sprecher der Union.

Der Polizistenmord in Mannheim sei ein "trauriger Tiefpunkt", aber kein Einzelfall. Die Politik sollte den Polizisten den Rücken stärken; dass nun die Ampel-Regierung die Stelle eines Bundespolizeibeauftragten – oder eines "Polizeimisstrauensbeauftragten", wie Throm den Posten nennt – geschaffen hat, passt dem Christdemokraten nicht. Er kommt auf den Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz zu sprechen, in dem es auch um Rechtsextremismus innerhalb der Polizei geht. "Der Verfassungsschutz hat Extremismus in diesem Bereich fest im Blick, er stößt auf nur verschwindend geringe Verdachtsfälle." Einen Bundespolizeibeauftragten brauche "kein Mensch".

Ganz anders sieht das die Linken-Politikerin Heidi Reichinnek. Es sei wichtig, dass es eine unabhängige Beschwerdestelle gibt. Für den Schutz der Polizisten sei zudem die Aus- und Weiterbildung zentral. So sei Eigenschutz bereits ein zentraler Ausbildungsgegenstand, müsse aber auch in der Weiterbildung eine wichtige Rolle spielen. "Besonders wichtig ist aber vor allem der Umgang mit psychisch labilen Personen und die verbale Deeskalation", sagt Reichinnek.

SPD, Grüne und FDP rechnen mit Verbesserung struktureller Probleme

Sebastian Hartmann, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, nennt die Einführung des Polizeibeamten einen großen Erfolg der Koalition. "Bereits jetzt ist zu erkennen, dass sein Amt großen Zuspruch findet, zahlreiche Eingaben haben den Beauftragten bereits erreicht." Das zeige, dass Grötsch in der Truppe und der Bevölkerung angenommen würde.

Insgesamt hat Grötsch bislang 24 Eingaben von Beschäftigten der Polizeibehörden sowie 109 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern entgegengenommen. Viele davon seien nicht in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen, etwa weil sie die Landespolizei betrafen. Zwei Eingaben zu rechtsextremistischen Verdachtsfällen würden aktuell noch untersucht.

Ähnlich wie Hartmann bewertet Marcel Emmerich die Situation. Der Grünenpolitiker ist Obmann im Innenausschuss. Dass Grötsch sich um strukturelle Probleme wie Rassismus innerhalb der Behörden kümmern werde, ist aus seiner Sicht notwendig. "Rassismus ist für Betroffene traumatisierend und es schadet auch dem Ansehen der Polizei", sagt Hartmann. Neben disziplinar- und strafrechtlichen Konsequenzen werde Rassismus in der Polizei mit Grötsch nun auch strukturell angegangen. Das sei aber nicht alles: Es brauche mehr Prävention in Fortbildung und Ausbildung. Klar sei aber auch, dass Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten hart geahndet werden müssten. Es bräuchte daher sowohl angemessene Schutzausrüstung als auch eine konsequente Strafverfolgung.

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärte zudem Manuel Höferlin, der innenpolitische Sprecher der FDP, die "wertvolle" Arbeit der Polizei zu schätzen. In der Vergangenheit habe sich aber gezeigt, dass sich innerhalb der Polizei rechte Strukturen gebildet haben. "Die Funktion des Bundespolizeibeauftragten trägt dazu bei, strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen zu erkennen und zu verhindern."

Bundespolizeibeauftragter Grötsch hat nach den ersten Monaten seiner Amtszeit das Gefühl, angenommen zu werden. Das wird in der Vorstellung seines Berichtes deutlich. Mit zwei der drei Polizeigewerkschaften habe er sich bereits getroffen, verschiedene Bundespolizeibehörden und -abteilungen kennengelernt. Jetzt gehe es darum, die strukturellen Probleme anzugehen.

Verwendete Quellen

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