Der Bundestag erleichtert gut integrierten Einwanderern den Weg zum deutschen Pass. Eine überfällige Entscheidung für ein modernes Einwanderungsland? Oder verscherbelt die Koalition damit den deutschen Pass? Bei der Debatte im Bundestag prallen Meinungen aufeinander.

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Der Bundestag hat in dieser Woche zwei wichtige Entscheidungen in der Migrationspolitik getroffen. Eine davon setzt auf mehr Strenge, die andere auf mehr Offenheit.

Am Donnerstag stimmte eine Mehrheit im Parlament einem ganzen Paket von Maßnahmen zu, die Abschiebungen in Zukunft erleichtern sollen. Am Freitag folgte dann eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Sie soll es gut integrierten Menschen künftig vereinfachen, den deutschen Pass zu bekommen.

Omid Nouripour: "Würdigen besondere Integrationsleistungen"

Aus Sicht der Grünen ist das eine gute Nachricht. "Deutschland ist schon lange ein Einwanderungsland – das spiegelt sich seit heute auch endlich in unserem Staatsangehörigkeitsrecht wider", sagte Co-Parteichef Omid Nouripour unserer Redaktion.

Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben, arbeiten und Steuern zahlen, ermögliche man so eine schnellere Einbürgerung und mehr Teilhabe an der Demokratie. "Wir würdigen besondere Integrationsleistungen sowie die Leistungen der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter – und steigern gleichzeitig die Attraktivität Deutschlands für dringend benötigte Fachkräfte aus der ganzen Welt“, so Nouripour. "Das war lange überfällig."

Scharfe Kritik äußert die Opposition. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte schon im vergangenen Jahr gesagt, die Ampelkoalition wolle die deutsche Staatsbürgerschaft "verramschen".

Reform des Staatsangehörigkeitsrechts: die Einzelpunkte

Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sieht unter anderem Folgendes vor:

  • Kürzere Frist: Menschen aus dem Ausland, die schon lange legal in Deutschland leben, sollen sich künftig bereits nach fünf Jahren um den deutschen Pass bewerben können. Bislang beträgt die Frist im Regelfall acht Jahre. Bei "besonderen Integrationsleistungen" soll eine Einbürgerung künftig sogar schon nach drei Jahren möglich sein. Dies können etwa gute Sprachkenntnisse, ehrenamtliches Engagement oder sehr gute Leistungen in Schule oder Beruf sein.
  • Bislang galt bis auf wenige Ausnahmen das Prinzip: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft annimmt, muss die alte Staatsbürgerschaft ablegen. Künftig soll die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich möglich sein.
  • Alle in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern sollen künftig ohne weiteren Vorbehalt die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Bislang lag die Frist bei acht Jahren.
  • Das bisher schon verlangte Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung wird präzisiert. Der Entwurf stellt klar, dass "antisemitisch, rassistisch, gegen das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen" mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind. Gefordert wird zudem das Bekenntnis "zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens".
  • Grundsätzlich soll nur die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wer den Lebensunterhalt für sich und unterhaltsberechtigte Familienangehörige aus eigenen Mitteln bestreiten kann. Es gibt allerdings Ausnahmen, etwa für einstige "Gastarbeiter", die bis 1974 nach Deutschland gekommen sind, oder frühere DDR-Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter.

Von den 639 Abgeordneten, die sich am Freitag an der Abstimmung beteiligten, stimmte eine klare Mehrheit von 382 der Neuregelung zu. In der FDP-Fraktion gab es einzelne Enthaltungen und Nein-Stimmen. Dagegen stimmten auch manche Parlamentarier von Linken und Bündnis Sahra Wagenknecht für die Reform.

CDU-Politiker Throm: "Weitreichendstes Gesetz in dieser Wahlperiode"

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), warb im Bundestag auch vor dem Hintergrund des Potsdamer Geheimtreffens zur "Remigration" für das neue Staatsangehörigkeitsrecht.

Viele Menschen mit Migrationsgeschichte hätten deshalb Angst. Die Integrationsbeauftragte betonte: "Wir 20 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte bleiben hier - wir lassen uns unser Land nicht wegnehmen." Es brauche ein "neues deutsches Wir-Gefühl, das nicht in Migrationshintergründe einteilt". Auch dafür stehe das neue Staatsangehörigkeitsgesetz.

Scharfe Kritik an den Ampel-Plänen äußerte die Union. Es sei das Gesetz "mit den weitreichendsten negativen Folgen in dieser Wahlperiode", sagte der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm. Die Anforderungen zur Einbürgerung würden dadurch massiv gesenkt werden.

Ausländer sollen sich künftig schon nach fünf statt acht Jahren in Deutschland um einen deutschen Pass bewerben dürfen; bei "besonderen Integrationsleistungen" soll eine Einbürgerung nach drei Jahren möglich sein. Eine Einbürgerung nach drei oder fünf Jahren sei "viel zu schnell", betonte Throm. Es könne dann noch keine Verwurzelung in Deutschland stattgefunden haben.

Auch doppelte Staatsbürgerschaften sollen künftig grundsätzlich möglich sein. Throm nannte den Schritt falsch: Es sei Vorsicht und Sicherheit geboten und "nicht das Ausschütten mit der Gießkanne". (afp/fab)

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