- Wieder gehen in Frankreich Hunderttausende gegen schärfere Corona-Regeln auf die Straße.
- Werden die Proteste Präsident Macron gefährlich?
- Ein Vorstoß aus dem Gesundheitswesen könnte neuen Zündstoff liefern.
Schon das dritte Wochenende in Folge haben in Frankreich Hunderttausende gegen eine Verschärfung der Corona-Regeln demonstriert. Bei gut 180 Protestaktionen taten nach Angaben des Innenministeriums am Samstag 204.000 Menschen ihrem Unmut kund - auch gegen die beschlossene Impfpflicht für Gesundheitspersonal und strengere Nachweispflichten. In Paris und anderen Städten waren Rufe wie "Freiheit, Freiheit" zu hören. Mancherorts war von einer Gesundheitsdiktatur die Rede. Für Präsident Emmanuel Macron bedeuten die Proteste neue Probleme.
Auslöser der Demonstrationen waren die von Macron Mitte Juli angekündigten strengeren Hygienevorschriften. Angesichts einer vierten Corona-Welle will die Regierung die Impfzahlen in die Höhe treiben. Menschen im Gesundheitswesen und im Kontakt mit Risikopatienten müssen künftig geimpft sein. Ein Nachweis über einen negativen Corona-Test, eine Impfung oder Genesung soll in Restaurants, Cafés und Fernzügen Pflicht werden. Für Museen und Kinos gilt dies bereits.
Angst vor einer neuen "Gelbwesten"-Bewegung
Die Verschärfung löste Kritik aus verschiedensten Lagern aus. Bei den Corona-Protesten kamen sowohl Links- als auch Rechtsaußen zusammen, Pflegende demonstrierten neben Familien mit Kindern, Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern. Zusammensetzung und Größe der Proteste sorgen für Mutmaßungen über eine neue "Gelbwesten"-Bewegung. Schon jetzt ziehen "Gilets Jaunes" ("Gelbe Westen") mit. Sie hatten ihre Proteste 2018 gegen höhere Benzinpreise begonnen, aber rasch zu einer Gesamtkritik an Macrons Reformen ausgeweitet. Dabei kam es auch mehrfach zu Gewalt.
Ausschreitungen gab es am Wochenende hingegen eher vereinzelt. In Paris setzte die Polizei Wasserwerfer ein. In Montpellier beschimpften Demonstranten einen Apotheker, der Corona-Tests macht. Dem Innenministerium zufolge wurden drei Sicherheitskräfte verletzt, 72 Menschen wurden festgenommen.
Auch wenn die Demonstrationen inmitten der Urlaubssaison beachtliche Größe haben, ist ungewiss, ob sie anhalten. Das Parlament hat die Neuerungen bereits gebilligt. Die letzte Hürde müssen sie am Donnerstag nehmen, wenn der von Premierminister Jean Castex ob der Kritik eingeschaltete Verfassungsrat dazu Stellung bezieht. Gelten sollen die Regeln dann vom 9. August an.
Möglicherweise nicht die letzten landesweiten Verschärfungen
Möglicherweise sind dies aber nicht die letzten landesweiten Verschärfungen. Die Corona-Situation in Frankreich ist weiter angespannt. Die Zahl der Neuansteckungen lag auf 100.000 Menschen innerhalb einer Woche landesweit zuletzt bei gut 218. In einzelnen Gegenden gelten bereits strengere Regeln wie Maskenpflicht im Freien oder frühere Schließzeiten für Geschäfte.
Angesichts dessen ist der Präsident des Verbands öffentlicher Krankenhäuser, Frédéric Valletoux, für eine allgemeine Impfpflicht. "Es ist Zeit, über Anreize hinaus zu gehen, um die letzte Stufe zu überwinden", zitierte ihn die Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche". Der Vorstoß könnte den Protesten neuen Zündstoff liefern. Macron hatte Mitte Juli gesagt, man müsse sich die Frage einer Impfpflicht stellen. Noch im Winter hatte er versichert, die Impfung werde nicht verpflichtend sein.
Doch längst nicht alle stehen den neuen Vorschriften so kritisch gegenüber. Innenminister Gérald Darmanin sagte der Zeitung "Le Parisien": "Wenn ich eine Parallele zu den vier Millionen Menschen ziehe, die sich in Folge der Rede des Präsidenten haben impfen lassen, stellt man fest, dass die Demonstranten nicht die Mehrheit sind."
Tatsächlich gingen sowohl die Impfanmeldungen als auch die Zahl der täglich gespritzten Dosen nach den Ankündigungen Macrons in die Höhe. Umfragen zufolge unterstützen rund zwei Drittel die angekündigten schärferen Regeln. Mittlerweile sind etwa 63 Prozent in Frankreich mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist vollständig geimpft. (Rachel Boßmeyer/dpa/ash)
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