Berlin (dpa) - Zwei Wochen vor seiner ersten Vernehmung im Untersuchungsausschuss des Bundestags hat Verkehrsminister Andreas Scheuer sein umstrittenes Vorgehen bei der gescheiterten Pkw-Maut verteidigt.
"Ich werde klarstellen, dass es ein regelkonformes Verfahren war, das juristisch beim EuGH gescheitert ist", sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
Scheuer zeigte sich vor der mit Spannung erwarten Befragung selbstbewusst: "Ich bin konzentriert und gut vorbereitet. Den 1. Oktober habe ich fest im Blick. Ich werde im Untersuchungsausschuss meinen Beitrag leisten, dass die Diskussion versachlicht wird." Zur Arbeit des Maut-Untersuchungsausschusses sagte er mit Blick auf die Opposition: "Es wird zu wenig über den Inhalt diskutiert, der im Übrigen auch keine Angriffsfläche bietet."
Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic kritisierte: "Dass Minister Scheuer die Vorgänge bei der Maut als "regelkonformes Verfahren" bezeichnet ist blanker Hohn und an Chuzpe nicht zu überbieten. Kein anderes politisches Großprojekt der vergangenen Jahre ist so krachend mit so hohen Kosten gescheitert wie seine Pkw-Maut." Dazu kämen zahlreiche belegbare Verstöße gegen das Vergabe- und das Haushaltsrecht. "Wenn Scheuer trotz dieser Tatsachen keine Fehler bei sich erkennen kann, dann verlangt das schon eine ganz besondere mentale Gymnastik. Am 1. Oktober wird er unangenehme Fragen vor dem Untersuchungsausschuss beantworten müssen."
Die Opposition wirft Scheuer schwere Fehler etwa bei der Vergabe der Pkw-Maut vor. Scheuer hatte Verträge zu Kontrolle und Erhebung der Maut noch Ende 2018 abgeschlossen , bevor Rechtssicherheit bestand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die bereits gesetzlich besiegelte Pkw-Maut im Juni 2019 als rechtswidrig gestoppt. Die vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil gekündigt hatte. Scheuer weist ihre Forderungen ebenso wie Vorwürfe der Opposition zurück. Im Streit mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim hat ein Schiedsverfahren begonnen.
Scheuer sagte weiter, es seien insgesamt eine Million Seiten Dokumente an den Untersuchungsausschuss weitergeben worden. "Wir reden ja momentan nicht über den Inhalt von E-Mails. Die sind ja schon längst bekannt und veraktet. Es wird nur diskutiert, über welchen Account und von wem verschickt wurde."
Hintergrund ist, dass der Untersuchungsausschuss auf Betreiben der Opposition einen Ermittlungsbeauftragten eingesetzt hat, dabei geht es um das Abgeordneten-Postfach von Scheuer. Die Opposition wirft dem Minister mangelnde Aufklärungsbereitschaft vor. Der Ausschuss-Vorsitzende Udo Schiefner (SPD) hatte klar gemacht, der Ermittlungsbeauftragte könne nichts erzwingen. Welche E-Mails sachbezogen seien und vorgelegt werden, müsse weiterhin Scheuer entscheiden.
Der Untersuchungsausschuss kam am Donnerstag erneut zusammen. Unter anderem wurde Telekom-Chef Timotheus Höttges gehört. Die Telekom-Tochter T-Systems war 2018 aus dem Bieterverfahren für die Pkw-Maut ausgestiegen.
Die Obfrau der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss, Kirsten Lühmann, sagte, Höttges habe berichtet, dass er am 13. August 2018 mit Scheuer telefonierte habe. In dem Gespräch habe der Telekom-Chef dem Minister mitgeteilt, dass T-Systems aus dem Bieterverfahren zur Pkw-Maut aussteigen werde, da insbesondere die Startvergütung zu gering sei. Der Minister habe versprochen, den Sachverhalt "mit seinen Leuten zu besprechen". Lühmann: "Das ist brisant, denn bislang hat das Verkehrsministerium gegenüber dem Parlament behauptet, die Pkw-Maut sei kein Thema des Gespräches gewesen."
In der Befragung habe sich außerdem herausgestellt, dass T-Systems eigentlich ein wirtschaftlicheres Angebot als die dann zum Zuge gekommenen Betreiber hätte abgeben können, wenn sie das gleiche Entgegenkommen des Ministers erhalten hätten. "Nun sind noch mehr Fragen offen", so Lühmann. Der Minister werde sich dazu erklären müssen.
© dpa-infocom, dpa:200917-99-595297/5 © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.