Noch gut zwei Jahre, dann ist Schluss mit Atomstrom in Deutschland. Mit hoch radioaktiven Abfällen aus den Kraftwerken hat das Land aber noch Jahrzehnte zu tun. Die Suche nach dem besten Ort für ein Endlager läuft längst, jetzt erreicht sie die erste wichtige Etappe.

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Es war zuletzt eher ruhig rund ums Thema Atommüll und Endlager. Das wird sich schlagartig ändern. Denn am Montag (28.9.) wird ein mehrere hundert Seiten langer Bericht veröffentlicht, der angibt, welche Gebiete in Deutschland auf der Suche nach einem Endlager-Standort genauer unter die Lupe genommen werden. Gesucht wird der beste Ort, um hoch radioaktiven Atommüll eine Million Jahre lang möglichst sicher zu lagern.

Das Problem dabei: Wer will schon ein Endlager in der Nachbarschaft haben? Welchen Ärger das auslösen kann, hat sich rund um Gorleben eindrucksvoll gezeigt - über Jahrzehnte. Solche Massenproteste, Wut und gewalttätige Auseinandersetzungen soll der neue, strikt geregelte Suchprozess möglichst vermeiden. Wie genau? Fragen und Antworten rund um ein heikles Thema.

Warum wird überhaupt ein Endlager gesucht?

Spätestens Ende 2022 geht in Deutschland der letzte Atomreaktor vom Netz. Was übrig bleibt, sind unter anderem hochgefährliche Abfälle, die noch viele tausend Jahre strahlen - und zwar etwa 1.900 Behälter oder 27.000 Kubikmeter. Wo dieser Müll hin soll, ist offen. Es braucht ein Endlager, und es soll in Deutschland unterirdisch entstehen, 500 Jahre lang soll der Atommüll wieder geborgen werden können, falls das notwendig oder sinnvoll ist.

Wie soll die Suche ablaufen?

Der Zeitplan klingt großzügig, ist aber eng. 2031 soll der Standort gefunden sein und 2050 soll das Endlager in Betrieb gehen. Ausgehend von einer "weißen Landkarte", auf der erst mal jeder Ort grundsätzlich in Frage kommt, wird nach und nach eingegrenzt. Es gibt Ausschlusskriterien, notwendige Bedingungen und Abwägungskriterien So will man sich langsam ran tasten - wissenschaftsbasiert und transparent. Am Ende soll der Bundestag die endgültige Entscheidung für einen Standort treffen. Teilgebiete festzulegen, ist der erste Schritt. Aus diesen werden Standortregionen ausgewählt. Sie werden übertägig erkundet, einige davon dann untertägig in Bergwerken.

Welche Regionen kommen in Frage, wie soll es da aussehen?

Wirtsgesteine können Salz, Ton und Kristallin wie etwa Granit sein. 300 Meter Gestein sollen es sein zwischen Erdoberfläche und Endlager. Gibt es da Bergwerke, Erdbeben-Risiken, vulkanische Aktivitäten, junges Grundwasser? Dann ist der Standort ungeeignet. Aber auch die Besiedlung und andere Kriterien an der Oberfläche spielen eine Rolle. In der ersten Phase werden nur Daten ausgewertet, die man schon hat. In der zweiten Phase wird an möglichen Standorten dann auch gebohrt und gemessen - dabei werden weitere Regionen ausgeschlossen. In einer dritten Phase werden dann Erkundungsbergwerke gebaut, um noch gründlicher zu prüfen, welches der beste Ort sein könnte.

Was steht in dem Zwischenbericht?

Der Zwischenbericht markiert eine wichtige Etappe im Suchprozess. Die darin benannten Teilgebiete sind solche, "die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen", wie es im Gesetz heißt. Andere Kriterien wurden dagegen noch nicht berücksichtigt. Die Gebiete können daher noch ziemlich groß sein, es sollen mindestens 10 und höchstens 100 werden. Im Bericht steht für jedes Teilgebiet, warum es in der Auswahl ist. Orte außerhalb der Teilgebiete kommen schon mal nicht in Frage - aber Orte in einem Teilgebiet sind längst nicht als Standort ausgewählt.

Wer ist für die Suche verantwortlich?

Das operative Geschäft liegt in den Händen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die auch den Zwischenbericht veröffentlicht. Das neue Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat die Aufsicht und ist dafür verantwortlich, dass es gesetzeskonform zugeht. Das Amt bindet auch die Öffentlichkeit ein. Die Oberaufsicht liegt beim Bundesumweltministerium.

Warum hat man mit der Suche noch mal von vorn angefangen?

In den 70er Jahren hatte die Politik die Entscheidung getroffen, im Salzstock Gorleben in Niedersachsen ein Endlager einzurichten. Wie es zu dieser Entscheidung kam, wurde nie so ganz geklärt. Sicher ist, dass die Anwohner - und nicht nur sie - sich jahrzehntelang wehrten. Gorleben wurde zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung, man denke etwa an die "Republik Freies Wendland". Um diesen tiefen gesellschaftlichen Konflikt zu befrieden, wurde die Endlager-Suche neu gestartet, das Gesetz dazu gibt es seit 2013. Diesmal soll es streng wissenschaftlich und transparent zugehen. Die Bürger sollen genau wissen, warum welche Region am Ende ausgewählt wird.

Ist der Gorleben-Ärger damit vom Tisch?

Nein. Es gibt die Befürchtung - etwa in Bürgerinitiativen, aber auch in Umweltverbänden - dass Gorleben weiterhin eine Sonderrolle im Suchprozess spielt und am Ende aus politischen Gründen doch ausgewählt wird, weil dort schon viel Geld investiert wurde. Die Organisationen fordern daher, Gorleben als "politisch verbrannt" aus der Suche auszunehmen - und argumentieren zudem, der Salzstock sei geologisch ungeeignet. Andere halten dagegen, dass das Prinzip der "weißen Landkarte" damit hinfällig wäre und Gorleben nicht ausgewählt wird, wenn es als Standort ungeeignet ist.

Können die Bürger diesmal mitreden?

Ja. Es wurde ein Nationales Begleitgremium eingesetzt, das den Behörden auf die Finger schaut - es darf auch Daten einsehen, die zunächst nicht veröffentlicht werden. Die Fachkonferenz Teilgebiete startet am 17./18. Oktober in Kassel. Bis Juni 2021 gibt es dann noch drei Beratungstermine. Wissenschaftler, Vertreter von Kommunen und Organisationen sowie Bürger erörtern den Zwischenbericht und geben Stellungnahmen ab. Sind die Standortregionen mal ausgewählt, gibt es dort Regionalkonferenzen, die etwa eine Überprüfung der bisherigen Such-Ergebnisse fordern können. Vertreter dieser Konferenzen bilden wiederum den Rat der Regionen. Auch Klagen sind immer wieder möglich.

Ziehen alle Bundesländer mit?

Fast alle. In Bayern hat sich die Koalition aus CSU und Freien Wählern in den Koalitionsvertrag geschrieben, man sei "überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist." Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) stellte zuletzt das gesamte Verfahren in Frage und befand, mit Gorleben gebe es einen gut erkundeten Standort für ein sicheres Endlager. Erwartbar folgte sofort heftiger Widerspruch, nicht nur aus Niedersachsen. Bayerns Regierung hält zerklüftetes Kristallingestein für ungeeignet, weil "die Sicherheit hauptsächlich durch Technik hergestellt werden muss", wie Glauber erklärt.

Was ist mit den Atommüll-Zwischenlagern?

An mehreren Orten in Deutschland lagern hoch radioaktive Abfälle in Zwischenlagern. Sie sind mit Sicherheitspersonal, Mauern und Stacheldraht gesichert - aber längst nicht so sicher wie das geplante Endlager in der Tiefe. Die Genehmigungen für diese Zwischenlager laufen ab der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre aus. Das wird wegen des Neustarts der Endlager-Suche nicht ausreichen. Über Verlängerungen wird schon beraten. Zentrale Zwischenlager gibt es in Gorleben und Ahaus, dazu kommen zahlreiche dezentrale Zwischenlager an Atomkraftwerken sowie Lager in Jülich und Lubmin.

Wer soll das alles bezahlen?

Die Atomkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall hatten dafür 2017 insgesamt rund 24 Milliarden Euro an einen Staatsfonds überwiesen. Damit sind sie raus - so war es vereinbart worden. Der Fonds soll nach und nach auf über 70 Milliarden Euro anwachsen. Damit sollen sowohl die Zwischenlager als auch die Suche und der Bau eines Endlagers finanziert werden. Für die kerntechnische Entsorgung wurden seit 2017 bis zum Juli bereits Zahlungen von 822 Millionen Euro geleistet, davon 362 Millionen im vergangenen Jahr.

Gibt es Vorbilder?

Weltweit suchen viele Länder nach Standorten und verfolgen Endlager-Projekte, fertig ist noch keines damit. Frankreich und Schweden zum Beispiel haben schon Orte ausgewählt. Am weitesten ist Finnland. In einem Endlager auf der Insel Olkiluoto soll der strahlende Abfall in 400 bis 450 Meter tiefe lagern. In den 2020ern soll die Einlagerung beginnen, etwa 100 Jahre später soll das Tunnelsystem versiegelt werden.

Und was ist mit Alternativen - wie den Müll zum Mond zu schießen?

Die EU-Staaten haben sich darauf verständigt, dass Staaten, die Atommüll produzieren, grundsätzlich auch für die Entsorgung zuständig sind. Den Abfall ins Ausland zu bringen ist also erst mal keine Option und politisch nicht gewollt. Aber warum nicht ab ins All damit? Bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung heißt es dazu: "Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Rakete beim Start explodiert ist größer als Null." Und für die Atommüll-Menge, die Deutschland hat, wären Hunderte Raketenstarts nötig. Techniken, die etwa das Volumen des Mülls verkleinern oder ihn wenige gefährlich machten, funktionierten "bisher nur im Labormaßstab" - und seien extrem teuer. (mgb/dpa)

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