Allan Lichtman ist einer der Wenigen, die zu einem sehr frühen Zeitpunkt Donald Trumps Sieg bei der US-Wahl korrekt vorhergesagt hatten. Jüngst machte er eine neue Vorhersage, die Trump betrifft: sein politisches Ende durch ein Amtsenthebungsverfahren. Nach den aktuellen Aussagen von FBI-Chef James Comey ist er damit nicht mehr alleine. Wie realistisch wäre ein "Impeachment"?

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Es war ein Paukenschlag, als FBI-Chef James Comey am Montag im Geheimdienstausschusses des Abgeordnetenhauses erklärte, das FBI untersuche die Art und Weise jeglicher Verbindungen zwischen Mitgliedern des Trump-Teams und der russischen Regierung (Video der Verlautbarung im Originalton oben).

Comey widersprach in aller Öffentlichkeit Äußerungen von Donald Trump und widerlegte auch die Existenz vermeintlicher Beweise für Trumps Vorwurf, sein Vorgänger Barack Obama habe ihn im Wahlkampf abhören lassen.

Äußerungen von FBI-Chef haben Brisanz

Die Äußerungen des FBI-Chefs bringen den US-Präsidenten nach Ansicht der Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver in eine schwierige Lage.

Bald schon könnten Rufe nach einem "Impeachment", einem Amtsenthebungsverfahren, lauter werden, sagte die Wissenschaftlerin von der Harvard Kennedy School of Government in Cambridge am Dienstag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

Falls es "einen nahtlosen Bericht der Bundesbehörden" gibt, der Trump belasten würde, hätten die Republikaner Schwierigkeiten "im Kongress, ihren Präsidenten zu halten", meint Clüver.

Es ist ein Szenario, das für Allan Lichtman schon länger realistisch ist. "The Case for Impeachment" wird das neue Buch von ihm heißen. Mitte April soll es erscheinen - und der Inhalt ist brisant: Lichtman ist sich sicher, dass Donald Trump vor einem Amtsenthebungsverfahren steht.

Lichtman lag bislang immer richtig

Lichtman ist Professor für Geschichte an der American University in Washington D.C. Seit 1984 sagt er den Ausgang der US-Wahl jedes Mal korrekt voraus. Auch bei Trump lag er wieder richtig.

Um seine Prognosen zu treffen, hat der 69-Jährige ein System aus 13 Fragen entwickelt, anhand derer er Fakten ableitet und auswertet. Nach jeder Wahl aktualisiert er dazu sein Buch "Predicting the Next President: The Keys to the White House".

Nachdem der Professor richtig vorausgesagt hatte, dass Donald Trump der neue Präsident der Vereinigten Staaten werden wird, schob er noch im November 2016 die nächste Vorhersage nach:

"Sie [die Republikaner, Anm. Red.] wollen Trump nicht als Präsidenten, weil sie keine Kontrolle über ihn haben. Er ist unberechenbar. Sie würden liebend gern Pence [Vizepräsident Mike Pence, Anm. Red.] haben - einen absolut bodenständigen, konservativen, kontrollierbaren Republikaner. Und ich bin mir ziemlich sicher, Trump wird jemandem einen Grund für die Amtsenthebung geben. Entweder, indem er etwas tut, das die innere Sicherheit gefährdet, oder weil er in seine eigene Tasche wirtschaftet."

Und tatsächlich: Seit seiner Amtseinführung läuft es nicht optimal für Trump. Umfragewerten zufolge ist er der unbeliebteste frisch gewählte Präsident, den die Vereinigten Staaten je hatten.

Die Umfrageauswertungen der "Quinnipiac Universität" vor rund einem Monat zeigen, dass nur noch 38 Prozent der Befragten Trump als Präsident vertrauen.

Die auf Rechtswissenschaften spezialisierte, private Universität in Connecticut ist bekannt für ihre Umfrageergebnisse rund um die US-Wahlen.

Gegenwind in der eigenen Partei

Auch wenn Trumps Zustimmungswerte rapide sinken: Das allein wird ihn nicht das Amt kosten. Dass auch Teile der Partei sich gegen ihn zu wenden scheinen, wiegt schwerer als die Unzufriedenheit der Mehrheit der Bevölkerung.

Der einflussreiche Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat John McCain beispielsweise sagte schon vor Wochen dem US-Sender NBC in Bezug auf Trumps wiederholte Angriffe auf die Presse: "So legen Diktatoren los."

Aber droht Trump tatsächlich eine Amtsenthebung? Unmittelbar mit Sicherheit nicht, erklärt Professor und Politikberater Werner Weidenfeld vom Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft von der LMU in München. "Das geht nicht so einfach."

Damit es zu einem Impeachment kommt, also einem Amtsenthebungsverfahren, müssten mehrere Komponenten zusammenkommen.

Wie läuft ein Amtsenthebungsverfahren genau ab?

Professor Michael Hochgeschwender vom Amerika-Institut der LMU in München erklärt:

  • Ein Amtsenthebungsverfahren wird eingeleitet, wenn sich der Präsident einer Straftat oder eines Vergehens schuldig gemacht hat. (Bei Bill Clinton sei es 1999 um Behinderung der Justiz und Falschaussage gegangen.)
  • Das Verfahren könnte mit einfacher Mehrheit im Repräsentantenhaus eröffnet werden. Dort haben die Republikaner allerdings ein deutliches Übergewicht.
  • Das Repräsentantenhaus würde dann vor dem Senat als Anklagebehörde auftreten. Der Senat würde in diesem Fall vom Obersten Richter des Obersten Bundesgerichts, dem Chief Justice, geleitet.
  • Der Senat müsste den Präsidenten schließlich mit Zweidrittelmehrheit für schuldig und abgesetzt erklären.

"Im Moment erscheint mir das angesichts der Mehrheitsverhältnisse in beiden Häusern noch unwahrscheinlich", schließt Hochgeschwender.

Bisher gab es noch keinen US-Präsidenten, den ein Impeachment-Verfahren sein Amt gekostet hätte. 1868 wurde ein Amtsenthebungsverfahren gegen Andrew Johnson durchgeführt. Es kam allerdings nicht zu einer Verurteilung.

Richard Nixon war dem drohenden Verfahren 1974 mit seinem Rücktritt zuvorgekommen. Und gegen Bill Clinton war das Verfahren wegen der Lewinsky-Affäre eingeleitet worden. Es ging jedoch nicht durch den Senat.

Stolpert Trump über Russland-Affäre?

Laut der Nachrichtenagentur AP, der bereits einige Inhalte des Buches von Lichtman vorliegen, könnten Trump vor allem zwei Dinge zum Verhängnis werden: Seine angeblichen Beziehungen zu Russland sowie der mögliche Interessenskonflikt zwischen seinem Amt als Präsident und seinen Geschäften.

Und auch Hochgeschwender stellt die angeblichen Beziehungen mit Russland in den Vordergrund: "Das wahrscheinlichste Szenario für ein Amtsenthebungsverfahren stellt das Problem der Beziehungen seines Wahlkampfteams zu Russland und dem russischen Geheimdienst dar."

Das habe sich alles in einer Art Grauzone abgespielt, da solche Kontakte zwar offiziell verboten seien, die Regelung jedoch noch nie faktisch angewendet worden sei.

Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn hatte bezüglich seiner Kontakte nach Russland widersprüchliche Angaben gemacht und musste in der Folge Mitte Februar von seinem Amt zurücktreten.

"Wenn das Trump-Team bereits vor der Übergangsperiode intensive Kontakte zu den russischen Geheimdiensten gehabt haben sollte", so Hochgeschwender weiter, "stellen sich in der Folge jedoch mehrere drängende Fragen":

  • Was wurde dort besprochen? Ging es um Informationen, die für die nationale Sicherheit der USA relevant waren? Ging es um geschäftliche Interessen der Trump-Familie?
  • Inwieweit hingen diese Gespräche und die Ausspähung des Hauptquartiers der Demokraten zusammen? Hat sich das Trump-Team gegen diese Übergriffe verwahrt oder gar im Gegenteil von ihnen profitiert?
  • Was wusste Trump und wann wusste er es? Hat er den Auftrag gegeben oder haben sich Mitglieder seines Teams selbstständig gemacht? Aber selbst dann bleibt die Frage, warum das Trump-Team so intensive, im Kern illegale Kontakte zu Russland suchte, aber beispielsweise Deutsche, Franzosen und selbst Briten erklärtermaßen Schwierigkeiten hatten, Kontakt zu Trump aufzubauen?

Wie realistisch ist ein Impeachment?

Auch Weidenfeld schließt die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens nicht aus. "Trump ist vieles zuzutrauen. Er ist unkalkulierbar." Deswegen könne man auch nicht genau abschätzen, ob es zu einem Impeachment kommen werde oder nicht.

Weidenfeld gibt zudem zu bedenken, dass die über ein Impeachment entscheidenden Senatoren sich genau überlegen werden, ob sie Trump in den Rücken fallen: "Ein Abgeordneter denkt nur daran, ob er die Stimmen in seinem Wahlkreis bekommt."

Ist er aus einem Wahlkreis, in dem vor allem Trump-Unterstützer wählen, könnte ihn die Stimme gegen Trump das Amt kosten.

Fakt ist: Würde ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump durch den Senat kommen, würde Vize-Präsident Mike Pence nachrücken.

Und den würde die Mehrheit der Republikaner bevorzugen: "Eine Mehrheit der republikanischen Senatoren würde Trump gerne durch Pence ersetzen, weil der berechenbarer ist", bestätigt Hochgeschwender die eingangs erwähnte These von Allan Lichtman.

Für seine Vorhersagen zu den Wahlen hatte Allan Lichtman das geschichtlich-basierte System der 13 Schlüsselfragen entwickelt.

Bei seiner neuen These, die er in seinem Buch verarbeiten wird, stützt er sich allerdings nicht auf eine wissenschaftliche Methode: "It’s just my gut", sagt er. "Das sagt mir einfach mein Bauchgefühl."

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