Die Massaker in Texas und Ohio mit mindestens 30 Toten entfachen in den USA erneut die Debatte über schärfere Waffengesetze. Doch die Lobby-Organisation NRA ist mächtig - es geht um viel Geld, Macht und Einfluss.
Ein Wochenende, zwei Massaker, mindestens 30 Tote - und wieder beginnt eine Diskussion, welche die Amerikaner schon so oft geführt haben: Brauchen die USA strengere Waffengesetze? Präsident
Auch dieses Mal suchte er die Verantwortung für die Gewalttaten zunächst bei den Medien und bezeichnete die Attentäter als "schwer geisteskrank". Gleichzeitig forderte er härtere Strafen bei Hassverbrechen.
Am Samstag hatte ein 21-Jähriger in der texanischen Stadt El Paso in einem Einkaufszentrum mindestens 20 Menschen erschossen. Wenige Stunden später tötete ein 24-Jähriger in einem Ausgehviertel im Bundesstaat Ohio mindestens neun Menschen. Er wurde von der Polizei erschossen.
Beim festgenommenen Täter in El Paso gehen die Ermittler von einem rassistischen Motiv aus, stufen die Tat als "inländischer Terrorismus" ein. Erst am Wochenende zuvor hatte ein junger Mann auf einem Festival in Kalifornien drei Menschen und sich selbst getötet.
Massaker in El Paso und Dayton: 40.000 Tote durch Schusswaffen allein 2017
In den USA sterben jährlich Zehntausende Menschen durch Schusswaffen, 2017 waren es rund 40.000 - ein trauriger Rekord. Allein für dieses Jahr meldete die "New York Times" bereits 32 Massaker, bei denen jeweils mindestens drei Menschen ums Leben gekommen sind.
Die "Freiheit", Waffen zu tragen, sei tief im kulturellen Verständnis vieler Amerikaner verwurzelt, erklärt Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln. "Für manche ist das fast schon ein Lebensgefühl."
Die Urbanisierung habe zwar einen Wandel angestoßen: "Niemand läuft mit einem Gewehr über der Schulter durch New York." Doch das alte Bild werde weiter stilisiert: "Der 'echte Amerikaner' auf dem Land - so die NRA-Propaganda - hat Waffen, um seine Freiheit zu verteidigen."
Die NRA - National Rifle Organisation - wurde 1871 gegründet. Die Waffenlobby-Organisation gilt als eine der mächtigsten Interessengruppen in den USA. Nach eigenen Angaben hat sie 5,5 Millionen Mitglieder. Die "Washington Post" geht von etwa vier Millionen aus.
Die Organisation interpretiert den zweiten Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten als Recht aller US-Bürger, eine Waffe zu besitzen, um sich zu verteidigen. Darin heißt es: "Da eine wohlgeordnete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden."
Wie genau der Wortlaut ausgelegt werden sollte, darüber gibt es allerdings Differenzen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob darin wirklich das Individualrecht auf Waffenbesitz verankert ist.
Trump erwägt auf Twitter eine Art Tauschhandel
Anfang des Jahres haben sich die US-Demokraten erneut für striktere Kontrollen eingesetzt: Das Repräsentantenhaus, in dem sie die Mehrheit haben, stimmte mit 240 zu 190 Stimmen für ein Gesetz, nach dem bei fast allen Waffenabgaben der Hintergrund des Käufers überprüft werden muss.
Doch der republikanisch dominierte Senat und US-Präsident Donald Trump, die einem Gesetz zustimmen müssten, sind dafür bislang nicht zu haben. Nach den jüngsten Ereignissen vom Wochenende schlug Trump über den Nachrichtendienst Twitter nun eine Art Tauschhandel vor: stärkere Hintergrundkontrollen beim Waffenverkauf in Kombination mit einem strengeren Einwanderungsgesetz.
Die Waffenlobby ist mächtig. "Sie sorgt über finanzielle Unterstützung der Abgeordneten dafür, dass die entsprechenden Gesetze erhalten bleiben", erklärt Professor Jäger. Die Politiker müssen für den Wahlkampf viel Geld zusammenkriegen und dabei gehe es schon bei einfachen Abgeordneten schnell um Millionen-Beträge. "Entsprechend haben Verbände, die spenden, erhebliches Gewicht."
Mit Waffen gegen Waffengewalt
Auch die hohen Opferzahlen können die NRA nicht zum Umdenken bewegen. "Die Waffenlobby argumentiert, dass nicht die Waffe tötet, sondern der Schütze: Einen psychisch Kranken oder einen Schützen mit bösen Absichten könne einzig ein Schütze mit guten Absichten aufhalten, lautet die zugespitzte Argumentation, die sich auch Präsident Trump zu eigen macht", sagt Politikwissenschaftler Jäger. Dieser Argumentation folgt auch ein Teil der Bevölkerung.
Inzwischen sind allerdings 65 bis 75 Prozent der Amerikaner - das schwankt in Umfragen - der Ansicht, dass bestimmte Waffen verboten werden sollten. "Das spiegelt sich aber nicht im Parlament wider. Republikaner und konservative Demokraten auf dem Land können es sich gar nicht leisten, sich für schärfere Waffengesetze auszusprechen", erklärt der Experte. Durch das amerikanische Wahlsystem, das pro Bundesstaat unabhängig von seiner Einwohnerzahl zwei Senatoren vorsieht, sind darüber hinaus ländliche Gebiete im Senat überrepräsentiert.
Polarisierung birgt große Gefahren
Dass sich in absehbarer Zeit etwas ändern wird, davon geht Thomas Jäger nicht aus: "Präsident Donald Trump würde das ohnehin nicht absegnen. Barack Obama hätte die Waffengesetze gerne verschärft, er hatte sogar für zwei Jahre eine demokratische Mehrheit im Kongress – und sie haben es trotzdem nicht getan." Die Lage in den Staaten verschärft sich jedoch weiter: "Die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft hat deutlich zugenommen", betont Thomas Jäger.
Rechts- und Linksaußen entfernten sich immer weiter voneinander. Manche Radikalisierten steigerten sich immer weiter in Verschwörungstheorien und Ideologien, derzeit vor allem am rechten Rand. "Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass es weitere Anschläge geben wird."
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln
- Donald Trump auf Twitter
- New York Times: Mass Shootings in 2019: A Week of Bloodshed Underscores the Scale of Violence
- The Washington Post: NRA membership is up since Parkland killings, group's magazine subscriptions suggest
- Die Zeit: US-Repräsentantenhaus stimmt für Verschärfung des Waffenrechts
- Tagesschau: Mehr Tote durch Schusswaffen in den USA
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