Wer sich kritisch über den türkischen Präsidenten Erdogan äußert, muss Konsequenzen befürchten – das gilt nicht nur für Menschen innerhalb der Türkei. Wie das ARD-Magazin "Report Mainz" berichtet, können Erdogan-Anhänger Kritiker ganz einfach mithilfe einer Smartphone-App anzeigen – in Minutenschnelle, von überall auf der Welt.

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Einem TV-Beitrag von "Report Mainz" zufolge bietet die türkische Polizei eine Smartphone-App an, die es Denunzianten erleichtert, Erdogan-Kritiker anzuzeigen - und möglicherweise hinter Gitter zu bringen. Davon sind laut dem Bericht auch in Deutschland lebende Türken betroffen.

Die App mit dem Namen "EGM Mobil" kann von jedem Smartphonebesitzer kostenlos im App Store von Apple oder bei Google Play heruntergeladen werden.

Nach Angaben von Google ist das bereits zehntausendfach geschehen. Wie viele Personen die App tatsächlich nutzen oder wie viele Personen schon angezeigt wurden, ist nicht bekannt.

Betroffene erfahren von Anzeige zunächst nichts

In der "Spionage-App" können - neben den Kontaktangaben zur eigenen Person –Name, Adresse und angebliches Vergehen des Kritikers eingetragen werden. Auch Fotos und Dokumente können mithilfe der Plattform hochgeladen und so direkt an die türkische Polizei übermittelt werden.

Die Betroffenen erfahren davon erst, wenn sie das nächste Mal in die Türkei einreisen. Dann erst kann ein Verfahren gegen sie eröffnet werden.

Ein kritischer Facebook-Post genügt

Die App richtet sich an Regierungsanhänger, die dabei mithelfen sollen, "Terroristen" dingfest zu machen. Um in einen solchen Verdacht zu geraten, reicht häufig schon ein kritischer Facebook-Post, wie "Report Mainz" anhand der Geschichte eines in Deutschland lebenden Türken zeigt.

"Ich habe Kommentare geschrieben zu Erdogan – er sei ein Diktator und so weiter", sagt der junge Mann im Beitrag. Danach habe er von einem Unbekannten eine Facebook-Nachricht erhalten. Darin stand: "Wenn du in die Türkei kommst, gibt es für dich keine Rettung". Dazu schickte der Denunziant einen Screenshot der via "EGM Mobil" erstatteten Anzeige.

"Digitale Gestapo-Methode"

Serdal Altuntas, Anwalt des türkischen Konsulats in München, verteidigte die App. "Es kann nicht sein, dass jemand, der hier in Deutschland eine strafbare Handlung eines Türkischstämmigen gefunden hat, diese erst in der Türkei zur Strafanzeige bringen darf", sagt er.

Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom bezeichnet das Vorgehen in dem ARD-Beitrag als "digitale Gestapo-Methode", mit der "fanatische, nationalbewusste Türken" aufgestachelt würden, politische Gegner in die Fänge von Erdogans "Unterdrückungssystems" zu treiben.

Schmidt-Eenboom forderte die deutschen Behörden auf, gegen die digitale Denunziation einzugreifen. Diese löse ein "Klima der Angst und des Schreckens" aus.

Zumindest als Thema hat es die zweifelhafte App mittlerweile in den Bundestag geschafft. In einer Debatte über die Rechtsstaatlichkeit der Türkei warfen FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff und andere Redner Erdogan am Donnerstag die Einrichtung einer "Spionage-App" vor. (jwo/dpa)

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