Dürfen Asylsuchende in ihre Heimat reisen? Diese Frage ist nur von Fall zu Fall zu beantworten, führt aber häufig zu heftigen Diskussionen in Gesellschaft und Politik.
Vergangene Woche löste eine RTL-Reportage eine Welle der Entrüstung aus. Angeblich wurden in einem Hamburger Reisebüro Reisen nach Afghanistan organisiert. Schutzsuchende aus dem Land würden diese Reisen für Heimaturlaube nutzen.
Der Iran diene als Drehscheibe, die erforderlichen Visa befänden sich auf einem separaten Blatt im Reisepass, das nach der Rückkehr aus Deutschland wieder entfernt werde, sodass es keinen Nachweis über den Besuch in Afghanistan gebe. Aber dürfen Schutzsuchende einfach so verreisen und dazu sogar noch in ihre Heimatländer?
Migrationsbeauftragter sauer über Afghanistan-Reisende
Der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Joachim Stamp (FDP), warnte Flüchtlinge davor, zu Freizeit- oder Urlaubszwecken in ihre Heimatländer zu reisen. Der "Bild"-Zeitung sagte er: "Deutschland muss weltoffen bleiben, aber nicht blöd. Die Behörden müssen sicherstellen, dass Menschen, die bei uns Schutz beantragt haben, aber im Heimatland Urlaub machen, unmittelbar ihren Schutzstatus verlieren und nicht mehr in Deutschland bleiben können. Punkt."
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, Reisen in das angebliche Verfolgungsland stellten natürlich auch den Schutzstatus infrage. Und "wenn es leicht zugängliche Reisewege nach Afghanistan gibt, besteht auch die Möglichkeit der Rückführungen".
Meist seien Heimatbesuche, auch bei Schutzsuchenden "völlig legal", erklärte nun der Fachanwalt für Migrationsrecht, Philipp Pruy der "Bild". Es drohten nach der Rückkehr „keine rechtlichen Konsequenzen in Deutschland.“ Pruy fügte noch hinzu: "Häufig stecken hinter den Heimatbesuchen sogar nachvollziehbare Gründe, etwa schwere Erkrankung eines Elternteils, eine Beerdigung (…) oder die Notwendigkeit, behördliche Papiere zu besorgen." Erholungsurlaub sei "eher selten".
Heimatreisen sind häufig erlaubt
Eine ähnliche Auskunft gibt auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg. Reisen in das Herkunftsland können im Einzelfall durchaus zulässig sein – zum Beispiel wegen einer schweren Erkrankung oder des Todes von engen Familienangehörigen. Bei bekanntgewordenen Heimatreisen werde jedoch in jedem Einzelfall geprüft, ob der gewährte Schutz zu widerrufen sei.
Genaue Daten, wie oft der Schutz aufgehoben wurde, hat die Behörde nach eigenen Angaben jedoch nicht. Das Bamf veröffentlicht demnach zwar eine allgemeine Statistik über Schutzprüfungen – die auch aus anderen Gründen als Heimatreisen stattfinden. Jedoch erfolgt keine detaillierte Aufschlüsselung, aus welchem Grund eine Aufhebung der Schutzentscheidung geprüft wurde oder erfolgt ist.
Es gibt jedoch Fälle, in denen eine Reise in die Heimat zum Problem werden kann. Sollten Behörden bei anerkannten Flüchtlingen, die in ihrem Heimatland beispielsweise politisch verfolgt werden, erfahren, dass sie nach Hause gereist sind, dann "wird stets ein Widerrufsverfahren eingeleitet", sagt Pruy der "Bild". Außerdem kann eine Reise während eines laufenden Asylverfahrens dazu führen, dass dieses beendet wird. Wer eine Duldung hat, verliert diese.
Heimatbesuche schon früher öffentlich diskutiert
Debatten über Heimatbesuche von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, gab es schon in früheren Jahren, etwa bei Reisen von Menschen aus Syrien. Für Aufsehen sorgte 2017 ein Antrag der AfD im Baden-Württembergischen Landtag, Heimataufenthalte von Geflüchteten zu untersuchen.
Das Innenministerium teilte daraufhin nach einer Umfrage in den Ausländerbehörden mit, dass seit dem Jahr 2014 circa 160 Fälle bekannt geworden seien, in denen die Menschen einmal oder mehrmals in ihre Heimat zurückgekehrt seien. Dabei sei von einer gewissen Dunkelziffer auszugehen. Als Anlass wurden beispielhaft persönliche, familiäre oder geschäftliche Gründe genannt.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen teilte 2017 auf eine Kleine Anfrage mit, dass nach den dort vorliegenden Erkenntnissen die betreffenden Flüchtlinge nicht in ihre Heimatländer reisten, um dort "Urlaub" zu machen. (dpa/bearbeitet von the)
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