Die Coronakrise hat Missstände in Schlachthöfen offengelegt - aber auch großen generellen Preisdruck. Kommen nun umfassende Änderungen im Lebensmittelmarkt in Gang, über die seit langem gestritten wird?
Angesichts der Corona-Ausbrüche in der Fleischbranche wächst der Druck für bessere Bedingungen in den Ställen und einen Stopp des ständigen Preiskampfes bei Lebensmitteln. Im Bundestag bringen die Koalitionsfraktionen von Union und SPD am Freitag (13.25) einen Antrag ein, der auf einen grundlegenden Umbau der Tierhaltung in Deutschland zielt.
Damit soll die Bundesregierung aufgefordert werden, Empfehlungen einer Expertenkommission "in Konsequenz und in Gänze" aufzugreifen. Der Bundesrat (9.30) soll voraussichtlich über bessere Tierschutzbedingungen in der Schweinehaltung entscheiden.
Höhere Haltungsstandards und eine Steuer auf tierische Produkte
Der Vorstoß der Koalition im Bundestag soll ein Konzept in die politische Umsetzung bringen, das eine Kommission um den früheren Agrarminister Jochen Borchert im Februar vorgelegt hatte. Es sieht schrittweise höhere Haltungsstandards bis 2040 vor, um deutlich mehr Tierschutz zu erreichen und damit auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Tierhaltung zu sichern.
Um den Umbau von Ställen mitzufinanzieren, schlägt die Kommission auch eine Abgabe auf tierische Produkte vor, die als Verbrauchsteuer umgesetzt werden könnte. Denkbar wären Aufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte.
Für eine solche "Tierwohlabgabe" für die Verbraucher setzt sich auch Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) ein. Sie hatte angesichts des Corona-Ausbruchs im Tönnies-Schlachthof Änderungen in der gesamten Produktionskette eingefordert. "Es wird keine zweite Chance geben für die gesamte Branche." Im Bundestag werden auch von der Opposition mehrere Anträge eingebracht, die auf bessere Bedingungen zielen.
Tierschutzgerechte Ställe sollen gefördert werden
Der Bundesrat soll nach jahrelangem Streit voraussichtlich über Neuregelungen für die Schweinehaltung entscheiden. Eine Verordnung soll die Zeit deutlich einschränken, in der Sauen auf engem Raum in "Kastenständen" gehalten werden dürfen. Zudem sollen die Tiere generell mehr Platz garantiert bekommen. Ärger gab es zuletzt unter anderem um die Dauer von Übergangsfristen für die Bauern.
Zur Sitzung der Länderkammer sicherte die Bundesregierung erneut zu, eine "schnelle, nachhaltige und besonders tierschutzgerechte Umstellung" sauenhaltender Betriebe zu unterstützen.
Dazu soll der Umbau von Ställen mit 300 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket der Koalition gefördert werden. Die Bundesregierung will zudem eine Förderung über den bisher dafür vorgesehenen Zeitraum von 2020 bis 2021 hinaus prüfen. Das geht aus einer am Donnerstagabend bekannt gewordenen Protokollerklärung zur Bundesratssitzung hervor.
Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein sagte, ein Umbau der Tierhaltung im Sinne der Borchert-Kommission sei sinnvoll, werde aber viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen. Vergleichsweise schnell und kostengünstig umsetzen ließe sich dagegen ein Preiswerbeverbot bei Fleisch.
"Der Unterbietungswettbewerb des Handels bei Fleischpreisen ist unlauter und schädigt Mensch wie Tier in der Lieferkette", sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. "Billigstpreise verlieren für den Handel dann ihren Reiz, wenn der Verbraucher nicht mehr über Werbung in den Laden gelockt werden kann." Auf eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels brauche man nicht zu warten.
FDP-Fraktionsvize Frank Sitta verwies auf verfassungsrechtliche Zweifel an einer Tierwohlabgabe, die dazu verwendet werden sollte, Stallumbauten zu finanzieren. "Daher sollte auf pragmatischere und marktwirtschaftliche Ansätze wie die Beseitigung unnötiger Bürokratie im Stall-Baurecht und eine EU-weit faire Tierwohlkennzeichnung gesetzt werden", sagte er der dpa. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.